Dynamik pur: Olivier Nyokas vom HBW Balingen-Weilstetten Foto: Baumann

In diesem Derby steckt eigentlich schon genug Pfeffer. Durch das französische Bruderduell zwischen Olivier und Kevynn Nyokas bekommt die Handball-Bundesligapartie zwischen dem HBW Balingen-Weilstetten und Frisch Auf Göppingen noch mehr Würze. Das Spiel an diesem Mittwoch (20.15 Uhr) in der Balinger Sparkassenarena ist mit 2400 Zuschauern bereits ausverkauft.

Stuttgart - Es war der 13. September bei der Partie Frisch Auf Göppingen gegen den HC Erlangen. Kevynn Nyokas kommt kurz vor der Halbzeit nach einem Zweikampf unglücklich auf dem Hallenboden auf, lässt einen lauten Schrei los und humpelt, gestützt von Arzt und Physiotherapeut, vom Feld. Auf der Tribüne der EWS-Arena springt sein Zwillingsbruder Olivier auf, hüpft über sämtliche Barrieren, rast an der Frisch-Auf-Bank vorbei zu seinem Bruder in die Kabine.

Der befürchtete Kreuzbandriss blieb aus, doch die Szene zeigt: Obwohl sie für verschiedene Clubs spielen, sind die beiden 28-Jährigen praktisch unzertrennlich. Wenn Balingen und Göppingen nicht gerade parallel spielen, schaut der eine stets beim anderen zu. Während der Spiele suchen sie dabei den gegenseitigen Blickkontakt.

An diesem Mittwoch treffen sie in der mit 2400 Zuschauern ausverkauften Arena in Balingen erstmals in der Bundesliga aufeinander. Hinter dem Einsatz von Olivier steht zwar wegen einer Verletzung an der Fußsohle noch ein kleines Fragezeichen, doch für ihn steht fest: „Ich will unbedingt spielen.“ Schließlich geht es gegen Frisch Auf. Gegen den Zwillingsbruder.

Ganz neu ist das für die beiden nicht. In der französischen Liga kam es schon viermal zum direkten Duell. Rechtshänder Olivier, 1,90 m groß, spielte für US Creteil HB, Linkshänder Kevynn, 1,92 m groß, für Chambery Savoie HB. Zweimal gewann Olivier, zweimal gewann Kevynn. Und diesmal? Bei dieser Frage blitzt bei beiden ein Lächeln auf. Wie so oft, wenn die Frohnaturen sprechen. „Balingen gewinnt“, sagt Olivier. „Frisch Auf gewinnt“, sagt Kevynn. Was auch sonst?

Worüber sich beide einig sind: Der Wechsel vergangenen Sommer nach Deutschland war genau der richtige Schritt. „Die Bundesliga ist die stärkste Liga der Welt, und die sensationelle Stimmung in den Hallen mit Frankreich nicht vergleichbar“, betont Kevynn. „Die Ausgeglichenheit in der Liga ist enorm. Und die Spielweise viel schneller und spektakulärer“, ergänzt Olivier.

Die im Pariser Vorort Montfermeil geborenen Rückraumspieler mit den Wurzeln im Kongo legen diesbezüglich noch eine Schippe drauf. „Air France“, werden sie von den Fans ihrer Vereine genannt. Ihre Sprung- und Wurfkraft ist beeindruckend, ihre Athletik und Dynamik atemberaubend. „Beide sind für die spektakulären Aktionen zuständig. Sie sind sehr kreativ und können Tore aus dem Nichts erzielen“, sagt Balingens Trainer Markus Gaugisch. Kevynn hat bisher 57 Tore in der Bundesliga erzielt, Olivier 68. Markante Unterschiede in der Spielweise kann Gaugisch nicht ausmachen. Göppingens Kevynn ist vielleicht einen Tick explosiver. Dass er im Gegensatz zu Olivier Einsätze in der französischen Nationalmannschaft aufzuweisen hat, liegt aber auch daran, dass die Auswahl an Linkshändern naturgemäß weitaus kleiner ist. Bei der EM 2014 in Dänemark bestritt Kevynn sein erstes internationales Turnier – und wurde prompt Europameister.

Frisch-Auf-Geschäftsführer Gerd Hofele war der Mann für den rechten Rückraum schon davor aufgefallen, als er eigentlich einen anderen Spieler beobachten wollte. Hofele zeigte sich begeistert. Um seinen Wunschspieler zu bekommen, war er sogar bereit, 30 000 Euro Ablöse an Chambery zu bezahlen. Überraschend schnell hat sich Nyokas im Verein und in der Liga zurechtgefunden. Am tollen Saisonstart (20:6 Punkte nach 13 Spieltagen) hatte er großen Anteil. Zuletzt ging seine Leistungskurve, wie die der gesamten Frisch-Auf-Mannschaft, aber nach unten. Er klagte über Schulterprobleme.

Doch vor allem fehlte ihm die nötige Geduld. Die Würfe kamen zu unvorbereitet. Dass der Überraschungseffekt schon weg ist, glaubt Göppingens Trainer Magnus Andersson indes nicht: „Klar, analysieren uns die Gegner genau und sie kennen Kevynn inzwischen besser, aber er wird seine Schwächephase überwinden.“ Vielleicht schon im Derby – in dem er dem Duell mit seinem Bruder entgegenfiebert. Oliviers Vertrag in Balingen läuft bis 2016, der von Kevynn in Göppingen bis 2017. Klar, wollen sie noch einmal für die gleiche Mannschaft spielen. Wie schon einmal zwei Jahre lang bei Paris Saint-Germain. Dann müsste auch keiner der beiden mehr von der Tribüne rasen, um dem Bruder bei einer Verletzung beizustehen.