Brot luftdicht verpackt und sterilisiert: Ein Bäcker aus Weil der Stadt rettet Backwaren für den Transport in die Ukraine.
Knusprig müssen sie sein und frisch – die Brote, Brezeln und Brötchen, die in den Regalen der Bäckereien liegen. Schon am nächsten Tag werden sie von der Kundschaft oft links liegen gelassen. Hermann Diefenbach schätzt, dass etwa zehn Prozent seiner Brote und Brötchen Retouren sind. Das lasse sich kaum anders machen, erzählt der Bäckermeister in seinem Betrieb in der Josef-Beyerle-Straße in Weil der Stadt, denn das Kaufverhalten der Kunden sei kaum vorhersehbar.
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Für manche Backwaren vom Vortag sind zwar die Tafelläden dankbare Abnehmer. Doch angesichts der Flüchtlingsströme aus der Ukraine entwickelten der rührige Bäckermeister, seine Frau Silvia und ihr Geschäftsführer Senad Jovanovic eine Idee, wie das frische Backwerk in gutem Zustand zu den Menschen gelangen kann, die nach tagelanger Flucht an den Außengrenzen der der EU ankommen.
Im Ofen werden die Brote keimfrei
Hermann Diefenbach zeigt in der Backstube auf einen großen Ofen, der vollgepackt ist mit luftdicht verpackten Broten in speziellen Plastiktüten. Das Thermometer ist auf gut 100 Grad geklettert. Die Brote, zur besseren Handhabung für die heimatlos gewordenen Menschen in Scheiben geschnitten, müssen 15 Minuten bei einer Kerntemperatur von 75 Grad erhitzt werden. „Danach sind die Brote keimfrei und etwa zwei bis drei Wochen haltbar“, erklärt Hermann Diefenbach, der zwölf Filialen betreibt.
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Bis Mittwoch waren auf diese Weise rund 800 Tüten mit je 300 Gramm Brot sterilisiert worden. In der Nacht zu Donnerstag haben die Beschäftigten in Weil der Stadt noch eine Extraschicht eingelegt und Sonderbrote gebacken, die leicht geteilt werden können und noch frisch am gleichen Tag für den Transport fertiggemacht wurden.
Viele Unterstützer für Hilfsaktion
Als die Aktion von Silvia und Hermann Diefenbach bekannt wurde, war die Unterstützung dafür „riesengroß“, nicht nur bei den eigenen Mitarbeitern, wie sie begeistert erzählen. Ulrich Häußermann von der Enzweihinger Mühle und Markus Rettenmeier von der gleichnamigen Mühle in Horb spendeten das Mehl für die Sonderbackaktion. Margit Mayer von der Rutesheimer Firma Tefa Kartonagen half mit einer Palette Kartons.
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Auch für den Transport der Backwaren Richtung Osten haben sich rasch drei Organisationen gefunden: Die Fahrschule Kraft & Schlatterer aus Ditzingen, der Missionsbund Licht im Osten aus Korntal und die Aktion Helfen statt Hamstern in Sindelfingen, nehmen die Brote zu unterschiedlichen Orten in der Nähe der Grenze zur Ukraine oder weiter ins Land selbst mit.
Bäckermeister sucht weitere Mitstreiter
Bäckermeister Hermann Diefenbach ist von seiner Idee überzeugt, nicht nur, weil auf diese Weise bestes Brot, das nur einen Tag „alt“ ist, im Sinne der Nachhaltigkeit weiterverwendet werden kann, sondern auch, weil so Menschen in Not geholfen wird.
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„Am besten wäre es, wenn möglichst viele Bäckereien mitmachen würden“, meint er und hat sich deshalb an die Bäckerinnung Böblingen gewandt. Deren Geschäftsführer Frank Sautter sagte auf Nachfrage, dass man sich demnächst im Vorstand dazu abstimmen wolle. Im Prinzip sei das eine gute Idee, die sich aber vielleicht nicht überall umsetzen lasse. Immerhin hat Hermann Diefenbach schon einen Kollegen gefunden, der es ihm gleichtut: sein Bruder Hartmut Diefenbach aus Ditzingen, der acht Filialen betreibt.