Die Einwohner von Irland und Nordirland wollen keine Grenze nach dem Brexit Foto: AP

Premierministerin May will nach dem Brexit keine Sonderregelung für Nordirland. Das kann das Ende der Verhandlungen über den Austritt mit der EU bedeuten.

Dublin - Die britische Premierministerin Theresa May hat am Freitag beim ersten Nordirland-Besuch ihrer Amtszeit kategorisch ausgeschlossen, dass die Provinz nach dem Brexit anders behandelt wird als der Rest des Vereinigten Königreichs. Die Vereinbarung einer Notfalllösung – eines „Backstops“ – für Nordirland hat die EU zur Voraussetzung für jegliche Brexit-Vereinbarung zwischen London und Brüssel gemacht. Ohne „Backstop“-Garantie durch London könne kein Deal zum Austritt Großbritanniens aus der EU zustande kommen, hatte mehrfach in den letzten Monaten EU-Chefunterhändler Michel Barnier erklärt. Die Garantie soll sicherstellen, dass keine neue Grenze zwischen Irland und Nordirland entsteht.

Uneinigkeit zwischen Brüssel und London

Vorgesehen war, dass im Falle der Uneinigkeit zwischen der EU und Großbritannien über das künftige Verhältnis beider Seiten zumindest Zollvorschriften und zentrale Binnenmarktregeln in Nordirland denen der EU angepasst bleiben – bis eine bessere Lösung gefunden ist. Das hält May aber für unannehmbar. Mit einer besonderen Regelung für Nordirland würde „eine Grenze durch unser eigenes Land gezogen werden“, sagte die Regierungschefin. So etwas werde sie nie akzeptieren. „Und ich bin der Überzeugung, dass kein britischer Premierminister das je akzeptieren kann.“

Vorbedingungen für den Brexit-Deal

Mit ihrer Weigerung, der Forderung Dublins und der EU nach einer Garantie für Nordirland nachzugeben, bringt May die just wieder anlaufenden Brüsseler Brexit-Verhandlungen erneut zum Stocken. Die EU macht eine solche Garantie zur Vorbedingung für einen Brexit-Deal. Sie fürchtet, dass May abrückt von schriftlich gegebenen Zusagen und dass nun ein Scheitern der ganzen Brexit-Verhandlungen näher rückt. May ihrerseits warf der EU am Freitag vor, auf „alte Ideen“ fixiert zu sein, die sich längst als unpraktikabel erwiesen hätten. Stattdessen biete sie der EU ja eine Zollpartnerschaft für den Güterverkehr mit dem ganzen Vereinigten Königreich an. Damit werde das Nordirland-Problem gelöst. Die EU-Version eines „Backstops“ untergrabe dagegen das Karfreitagsabkommen. Bisher hatte Brüssel London vorgeworfen, dieses Abkommen und den Frieden in Nordirland zu gefährden. Ihre Absage an die EU in der „Backstop“-Frage erteilte May auf einer Versammlung von Geschäftsleuten und Politikern in Belfast.

Klage über die Folgen des Brexit

Bei ihrer zweitägigen Nordirland-Tour sprach sie mit Bewohnern des Grenzgebiets zwischen Irland und Nordirland und traf sich mit Repräsentanten nordirischer Parteien. Arlene Foster, die Vorsitzende der Partei der Demokratischen Unionisten (DUP), die Mays Minderheitsregierung in Westminster mit ihren zehn Abgeordneten stützt, applaudierte May nachdrücklich und bekräftigte den DUP-Willen, „neue interne Grenzen innerhalb des Vereinigten Königreichs“ um jeden Preis zu verhindern. Für die Republikaner-Partei Sinn Féin (SF) meinte deren Chefin Michelle O’Neill, Mays Besuch in Nordirland komme zu spät – zwei Jahre nach dem Brexit-Referendum. O’Neill klagte über „die katastrophalen Folgen des Brexits“ für Nordirland, die Irische Republik und die hart betroffenen Grenzgebiete. „Wir werden mit diesen Problemen nicht fertig werden“, sagte sie, „wenn wir außerhalb der Zollunion und des Binnenmarkts der EU stehen.“ May forderte die EU zu „konstruktiven Diskussionen“ auf, bei denen Brüssel sich in Sachen Brexit beweglich zeigen müsse. Es liege nun an der EU, auf die britischen Vorschläge für eine Zollpartnerschaft zu reagieren. „Wir“, sagte sie, „haben unsere Arbeit getan.“

Angst vor dem Scheitern der Verhandlungen

Irlands Regierungschef Leo Varadkar drückte unterdessen die Sorge aus, dass die Verhandlungen der EU mit London scheitern könnten. Unabhängig vom Ausgang der Verhandlungen, meinte er, habe zurzeit offenbar überhaupt kein Deal mit Brüssel eine Chance im britischen Parlament. Kurz zuvor hatte Varadkar bekannt gegeben, Dublin stelle 1000 zusätzliche Grenzbeamte und Experten für Import- und Export-Kontrollen ein – aus Angst vor einer No-Deal-Situation beim britischen EU-Austritt im März nächsten Jahres.

Zum „Backstop“ erklärte er, jede Lösung für Nordirland müsse zeitlich unbegrenzt sein. May zieht nur eine vorübergehende Lösung in Betracht. Rupert Murdochs antieuropäisches Boulevardblatt „The Sun“ beschimpfte Varadkar am Freitag auf ihrer Titelseite als „Narren“ und als „EU-Arschkriecher“. Das Blatt behauptete, Varadkar wolle britische Flugzeuge „aus Rache für den Brexit“ vom Überfliegen Irlands abhalten, falls irische Fischer nach dem Brexit keinen Zugang zu britischen Gewässern mehr erhielten. Jacob Rees-Mogg, der Anführer der Brexit-Hardliner unter den Tory-Hinterbänklern, nannte den irischen Regierungschef einen „Hohlkopf“. In der irischen Ausgabe der „Sun“ erschien die Tirade gegen Varadkar freilich nicht.