Stets auf der Suche nach besonderen Marken: Klaus Zach (vorne), und Bernd Engelmann. Foto: Tilman Baur

Briefmarkensammler sind eine bedrohte Spezies – doch ihrer Begeisterung tut das keinen Abbruch. Zweimal im Monat trifft sich der „Württembergischen Philatelistenverein Stuttgart 1882 e.V.“ im Stuttgarter Osten.

S-Ost - Klaus Zach greift sich eine Briefmarke mit der Pinzette: es ist ein Exemplar aus der DDR der Fünfzigerjahre im Wert von 15 Pfennig. „Deutsche Lufthansa – Deutsche Demokratische Republik“, steht darauf. „Die mussten sich später umbenennen“, sagt Zach. Nach einem Rechtsstreit wurde aus der Lufthansa im Osten die Interflug, während der Westen den Markennamen behielt. Eine Briefmarke erzählt eine Geschichte – Zach liebt solche Anekdoten, könnte sich stundenlang gedanklich darin versenken. Rund 500 Briefmarken mit Flugzeugmotiven hat Klaus Zach bereits gesammelt. Sie zeigen israelische Kampfjets, Passagierflieger über Mauritius oder einen Flughafen-Kontrollturm in Singapur.

Paradiesische Zustände

Zweimal im Monat kommt Zach nach Gablenberg, um sich mit Gleichgesinnten im „Württembergischen Philatelistenverein Stuttgart 1882 e.V.“ – dem ältesten seiner Art im Südwesten – zu treffen. Briefmarkensammler werden stetig weniger. Für Aktive seien das paradiesische Zustände, findet Johannes Feifel, der dem Verein seit 13 Jahren vorsteht. „Während man sich Marken früher vom Mund absparen musste, schwimmt man heute im Material“, schwärmt der 54-jährige. 99 Prozent der Marken seien in den vergangenen Jahren günstiger geworden.

Für Feifel gibt es gute Gründe, das antiquiert anmutende Hobby zu betreiben. „Jede Marke transportiert eine Botschaft, erzählt eine Geschichte – und gestempelte Marken gleich mehrere, denn der Stempel verrät Ort und Datum des Briefs.“

Auch Feifel hat, wie Kollege Klaus Zach, eine Nische gefunden: „Ich sammle Briefumschläge aus dem spanischen Bürgerkrieg“, sagt er. Für ihn ist diese Epoche besonders interessant, denn die politische Zersplitterung – neben der Volksfrontregierung und rechten Putschisten waren zahlreiche Kampfverbände ausländischer Mächte beteiligt – führte zu einem Reichtum an Marken und Stempeln: „Jede Seite hatte ihre eigenen Briefmarken, die politische Botschaften transportiert haben. Zugespitzt kann man sagen, dass jede Stadt ihren eigenen Zensurstempel hatte.“

Preis verfünffacht

Umschläge und Marken aus dem spanischen Bürgerkrieg seien deshalb ein begehrtes Sammelgebiet mit Wachstumspotenzial. „Für einen Briefumschlag der internationalen Brigaden hat man vor wenigen Jahren Jahren 50 Euro gezahlt, heute ist er das fünffache wert“, so Feifel.

Einen ganz anderen Schwerpunkt hat Markus Stock: der 51-jährige spezialisiert sich auf eine zwischen 1889 und 1900 von der Reichspost herausgegebene Serie namens „Krone Adler“: „Es gibt da nur wenige Motive, dafür sind die Marken sehr variabel, was die Farben angeht. Das macht die Sache für mich interessant“, sagt er.

Nischen für Sammler sind grenzenlos: manche sammeln Marken, die bis zur Wende in West-Berlin im Umlauf waren, manche ausschließlich Marken mit Bezug zu Friedrich Schiller, wieder andere sammeln Exemplare aus der französischen Besatzungszone oder solche aus dem Indien der britischen Kolonialzeit, so wie Moritz Traub, mit 15 Jahren der jüngste Philatelist im Bunde.

Bei den Vereinstreffen hoffen die Mitglieder darauf, dass ihre Kollegen für sie brauchbares Material dabeihaben. „Jeder von uns weiß, was die anderen sammeln, und bringt ihnen von Börsen oder Tausch-Treffs etwas mit“, erklärt Johannes Feifel.

Sammler sind meistens männlich

Gehandelt werden Marken bei Internetauktionen, aber auch in klassischen Auktionshäusern und auf Sammlerbörsen. Für spezielle Themen haben sich Arbeitsgemeinschaften gebildet. Unverzichtbar ist für Sammler das Wälzen von Fachkatalogen wie dem „Michel“, ein regelmäßig neu aufgelegtes Standard-Werk, das Markenserien in allen Details auflistet.

Nicht unwichtig sei aber auch der soziale Aspekt. „Zusammen sammeln macht mehr Spaß“, sagt Johannes Feifel. Das gängige Klischee des einsamen Briefmarkensammlers im stillen Kämmerlein bestätigt er trotzdem. Auf 90 Prozent treffe das wohl zu. Aber eben nicht auf alle: „Etwa 30 000 Sammler sind wie wir organisiert.“

Im Verein gebe es wertvolle Ratschläge, wie man systematisch sammelt. Anfänger seien jederzeit herzlich willkommen. Auch die Philatelisten-Grundausstattung steht Mitgliedern zur Verfügung: neben dem Album gehören dazu Lupe und Pinzette, mitunter auch eine Infrarot-Lampe, um die Oberflächenstruktur der Briefmarke genau zu untersuchen.

Mit 54 Jahren ist Johannes Feifel eigentlich ein untypischer Sammler, denn er ist noch berufstätig. Die meisten Philatelisten im Verein sind im Rentenalter. Und die Frauenquote ist überschaubar. Woran das liegt? „Das Jagen und Suchen ist ein männlicher Urinstinkt“, spekuliert Feifel, „und Briefmarkensammler sind Jäger, für die Marken Trophäen sind.“