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Es ist der bislang größte Leinwandauftritt der 29-jährigen Oscar-Preisträgerin und Feministin Brie Larson: Als Superheldin Captain Marvel ist sie die erste weibliche Protagonistin, die von Marvel einen eigenen Film bekommt.

Stuttgart - Für die packende Bestseller-Verfilmung „Raum“ bekam Brie Larson 2016 den Oscar und den Golden Globe. Nun wagt sich die Kalifornierin, die schon im Alter von sechs Jahren Schauspielunterricht nahm, als Superheldin ins Marvel-Universum. Bereits am 25. April wird sie ein weiteres Mal als Captain Marvel zu sehen sein in „Avengers: Endgame“. Ebenfalls im April zeigt Netflix Larsons Regiedebüt „Unicorn Store“, eine Komödie, in der sie selbst neben Samuel L. Jackson und John Cusack auftritt.

Miss Larson, die Comic-Verfilmung „Captain Marvel“ ist mit Abstand die größte Produktion, an der Sie je mitgewirkt haben. Sagt man wie aus der Pistole geschossen zu, wenn man so eine Superheldinnen-Rolle angeboten bekommt?

Im Gegenteil, ich habe mir die Entscheidung extrem schwer gemacht. Und ich bin den Leuten bei Marvel sehr dankbar, dass sie so viel Geduld hatten mit mir, denn ich brauchte wirklich Bedenkzeit.

Warum?

Weil mir klar war, dass dieser Film eine riesige Sache wird, die nicht nur mein Leben verändert, sondern indirekt auch das meiner Familie, meines Lebensgefährten und meiner Freunde. Über solche Dinge muss man schon gut nachdenken. Vor allem ich, die ich eher introvertiert bin – mir liegt all die Aufmerksamkeit nicht, die mit so einer Rolle als Superheldin einhergeht. Ich werde lernen müssen damit umzugehen, dass meine Anonymität noch ein ganzes Stück weiter eingeschränkt werden wird.

Was gab denn letztlich den Ausschlag, alle Zweifel über Bord zu werfen?

Am Ende fand ich es einfach sehr aufregend zu wissen, dass „Captain Marvel“ ein Film ist, der von unglaublich vielen Menschen gesehen wird. Denn ich habe ja in meinem Leben sehr viele kleine Filme gedreht, für die ich mich wahnsinnig ins Zeug gelegt habe, die aber am Ende nicht allzu viele Zuschauer hatten. Mit meiner Arbeit jetzt ein viel größeres Publikum erreichen zu können, war eine schöne Aussicht. Aber es war richtig schwierig, zu diesem Entschluss zu kommen, auch weil ich ja mit niemandem darüber reden konnte. Die Planung dieser großen Marvel-Filme ist so geheim, dass ich nicht einmal meinen Eltern erzählen durfte, dass ich für diese Rolle überhaupt im Gespräch bin.

Action war bislang nicht unbedingt Ihr Metier. Mussten Sie viel trainieren, um sich auf die Rolle vorzubereiten?

Das kann man wohl sagen. Ich habe neun Monate vor Beginn der Dreharbeiten mit dem Training begonnen, in den letzten drei vor allem an den Stunts. Dass viele meiner Kollegen gar die Stunts gar nicht selbst machen, habe ich irgendwie zu spät kapiert. An manchen Tagen war ich übersät mit blauen Flecken und fühlte ich am nächsten Morgen so gerädert, als hätte ich am Abend zu vor eine ganze Flasche Whiskey getrunken. Aber letztlich war das eine coole Erfahrung. Nicht nur, weil ich als schüchternes Mädchen mit Asthma diese physische Herausforderung gemeistert habe. Sondern vor allem, weil ich mir meinen Körper zurückerobert habe.

Wie meinen Sie das denn?

Wie so viele Frauen habe ich von früh auf gelernt, wie ich und mein Körper in unserer Gesellschaft wahrgenommen werden. Deswegen wollte ich eigentlich immer, dass mein Körper so unsichtbar wie möglich ist. Je weniger Aufmerksamkeit er auf sich zieht, desto weniger kann ich zum Objekt werden, dachte ich. Erst durch die intensive Arbeit an und mit meinem Körper im Zuge von „Captain Marvel“ habe ich wirklich ein echtes, ungetrübtes Verhältnis zu ihm entwickelt. Das war eine großartige Erfahrung!

Wie bei anderen Superhelden-Filmen auch wird es natürlich auch von „Captain Marvel“ jede Menge Actionfiguren und Puppen geben. Ist das ein cooles Gefühl, demnächst in Kinderzimmern auf der ganzen Welt vertreten zu sein?

Ehrlich gesagt eher ein ziemlich schräges. Deswegen versuche ich bislang auch eher, diesen ganzen Aspekt des Films von mir fernzuhalten. Als wäre die Person auf den Postern und in den Spielzeugläden nicht ich, sondern jemand anderes.

Stichwort Heldin: Wen würden Sie in Ihrem Leben als Heldin oder Vorbild bezeichnen?

Die naheliegende Antwort ist natürlich: meine Mutter. Wir beiden waren und sind uns unglaublich nah, deswegen war sicherlich niemand eine größere Inspiration für mich als sie. Meine Schauspiel-Heldin war ohne Frage Toni Colette, deren Tochter ich in der Serie „Taras Welten“ gespielt habe. Ich weiß noch, wie ich als Jugendliche mal innerhalb einer Woche drei verschiedene Filme mit ihr gesehen habe und nicht mitbekam, dass das alles dieselbe Frau ist. Tonis Wandelbarkeit ist einfach der Wahnsinn. Aber auch Jane Fonda oder Gena Rowlands sind Heldinnen für mich. Und Schriftstellerinnen wie Emily Dickinson, Patricia Highsmith oder Sylvia Plath. Die Liste der Frauen, die mich als junge Frau geprägt und beeinflusst haben, ist lang.

Fonda durften Sie 2017 für ein Interview mal persönlich kennen lernen, richtig?

Ja, und das war eine unglaubliche Erfahrung. Ich durfte ein langes Gespräch mit ihr führen, in dem sie mir den vielleicht besten Ratschlag meines Lebens gab. Sie sagte: „Wenn Leute wütend auf Dich sind, dann bedeutet das meistens, dass Du etwas richtig machst.“ Dass habe ich mir sehr zu Herzen genommen. Früher war ich durch Konflikte oft verunsichert, doch nicht zuletzt dank Jane wurde mir klar, dass jeder, der offen die Wahrheit ausspricht, früher oder später auch mal Menschen gegen sich aufbringt.

Sie selbst waren zuletzt sehr aktiv in Sachen #MeToo und #TimesUp. Haben Sie manchmal Angst, dass die Veränderungen, von denen in Hollywood gerade so viel die Rede ist, vielleicht nicht von Dauer sind?

Sagen wir es mal so: Ich habe keinesfalls die Befürchtung, dass dies ein Sturm im Wasserglas ist, wir sprechen von echten, nachhaltigen Veränderungen. Aber wir haben unsere Ziele noch lange nicht erreicht, deswegen hört der Kampf nicht auf. Und vielleicht hört er auch nie auf, denn die Welt verändert sich ja ständig, deswegen wird es auch immer neuen Diskussionsbedarf geben. Insgesamt finde ich aber auf jeden Fall, dass aktuell in der Filmbranche einige sehr wichtige Fortschritte in Sachen Gleichberechtigung erreicht werden.

Spüren Sie als prominente Schauspielerin in dieser Hinsicht eine besondere Verantwortung?

Keine Frage! Und gerade im Kontext von „Captain Marvel“ will ich dieser gerecht werden so gut es geht. Dies ist ein Film mit einer weiblichen Superheldin im Zentrum, bei dem obendrein eine Frau mit Regie geführt hat. Mehr denn je gilt es deswegen jetzt für mich, den Worten Taten folgen zu lassen. Wenn ich Interviews gebe, muss das Thema Gleichberechtigung immer mit aToni Colletteuf den Tisch, im Gespräch selbst, aber auch schon in der Planung. Und bei Presseterminen ist es mir wichtig, Mode von weiblichen Designern zu tragen. All diese Dinge spielen eine entscheidende Rolle.

Wie geht es für Sie eigentlich nach „Captain Marvel“ weiter?

Wenn der Film endlich in den Kinos läuft, steht mir der Sinn erst einmal nach Urlaub. Und nach Piña Coladas oder Campari Sodas oder irgendwelchen anderen schönen Drinks. Danach sehen wir mal weiter.