Brian Eno, aufgenommen 2014 im ZKM, das den britischen Musiker, Produzent und Multimediakünstler während des Festivals Elektronischer Musik mit dem Giga-Hertz-Preis auszeichnete Foto: dpa

Er war Mitbegründer der Band Roxy Music, er hat auf Alben von David Bowie mitgespielt und als Produzent Bands wie die Talking Heads, U2 und Coldplay begleitet. Vor allem aber ist Brian Eno ein visionärer Poperfinder.

Stuttgart - Wo bloß anfangen, wo aufhören? Schwierig bei einem Mann, den Tausendsassa zu nennen eine dreiste Untertreibung wäre. Bei der Band vielleicht, die er mitgründete – bei Roxy Music? Bei den Alben, auf denen er mitspielte – „Low“ oder „Heroes“ von David Bowie zum Beispiel? Bei den Musikern, mit denen er zusammenarbeitete – Robert Fripp und John Cale etwa? Bei den legendären Alben, die er produzierte – von den Talking Heads über U2 bis zu Coldplay? Bei den Soundtracks, an denen er mitwirkte („Trainspotting“)? Seinen 29 Soloalben? Oder seinem visionären Erfindergeist, der das Genre Ambientmusic aus der Taufe hob?

Schwierig also, wie gesagt, dem Schaffen Brian Peter George St. John le Baptiste de la Salle Eno aus Suffolk, der seinen Namen freundlicherweise zu Brian Eno verkürze, auch nur annähernd gerecht zu werden. Impulsgeber und Innovator – mit diesen beiden Begriffen kommt man ihm wohl am nächsten. Mit Roxy Music machte er den Glam-Rock populär, auf dem längst zum Klassiker gereiften Album „My Life in the Bush of Ghosts“ mit David Byrne führte er das dem Hip-Hop entliehene Sampling in die Popmusik ein, mit dem Album „Music for Airports“ (das wie es heißt als Reaktion auf die schaurige Musik entstand, die Eno einmal wartend am Köln-Bonner Flughafen ertragen musste) führte er den Ambientsound in die Historie ein. Und es sind besonders die stilistisch und in ihrer Güte herausstechenden Alben aus dem Oeuvre anderer, die er veredelte: Coldplays Meilenstein „Viva la Vida“, U2’s „Joshua Tree“ oder das Debütalbum von Devo.

Er will Musik mit Leidenschaft

Beeindruckend das alles, zumal wenn man bedenkt, dass Eno eigentlich gelernter bildender Künstler ist. Eine Honorarprofessur an der Berliner Universität der Künste, eine Ausstellung in der Bonner Bundeskunsthalle und die Londoner Schau „Self Storage“ mit Laurie Anderson zeugen davon. Und einige der zahlreichen Preise, mit denen sein Wirken ausgezeichnet wurde, darunter befindet auch der vor vier Jahren an ihn verliehene Giga-Hertz des Karlsruher ZKM und des SWR-Experimentalstudios.

Am liebsten ist dem Briten, der gebetsmühlenhaft beteuert, kein Instrument zu beherrschen (obwohl er auf vielen Alben an diversen agiert), seit jeher die Arbeit im Aufnahmeraum. Tonstudios begreift er als eigenständige Instrumente - mit den technischen Möglichkeiten, die sie bieten und deren Fortentwicklung er höchst interessiert mitverfolgt, moduliert und dekonstruiert Eno das Material der Künstler, deren Alben er produziert. Produzieren bedeutet für ihn hinterfragen: „Muss das so sein?“ und „geht das nicht anders?“ seien seine zwei liebsten Fragen an das Rohmaterial jeder Band und jedes Musiker, sagte er vor zwei Jahren in einem Interview mit der „Zeit“. Für seine eigenen Alben hingegen, sagt er kokett, habe er noch nie einen Song geschrieben – sie alle entstünden aus Experimenten und Fragmenten, als beständige „Work in Progress“.

Dafür klingen sie – zuletzt nachzuhören auf dem 2017 erschienenen Soloalbum „Sisters“ - erstaunlich kongruent. Und auch noch lange nicht so, als wollte der Elektronikpionier Brian Eno allmählich in die Altersteilzeit abdriften. Denn der großartige Musiker, der ohne jeglichen Dünkel leidenschaftlich die Ansicht vertritt, dass es heutzutage viel zu viel Musik ohne Kraft und Leidenschaft gibt, arbeitet weiterhin energisch daran, diesen Missstand zu lindern. Er ist dabei erwartungsgemäß so gefragt, dass er, wie er sagt, für die kommenden Jahre schon komplett verplant ist.