Abbas Mehrpouya liefert Brezeln in Stuttgart ... Foto: Lichtgut/Ferdinando Iannone

Allein der Name lässt gute Schwaben sofort jubilieren: Abbas Mehrpouya bringt mit seinem Brezel-Taxi des Schwaben Lieblingsspeise nach Hause. Andere Stuttgarter Bäcker sind ins Online-Geschäft eingestiegen.

Stuttgart - Als Maschinenbauingenieur hat Abbas Mehrpouya bei Daimler eigentlich einen lukrativen Job. Trotzdem fährt er am Wochenende Brötchen aus. Anfang November startete der 45-Jährige das Brezel-Taxi für Stuttgart und die Region. „Es geht nach oben“, sagt er. Aber die Konkurrenz ist hart: Mit Morgengold ist schon seit 30 Jahren ein Stuttgarter Unternehmen bundesweit mit einem Brötchenbringservice aktiv, und die neuen Lebensmittellieferdienste wie Flink oder Gorillas haben ebenfalls Backwaren im Angebot. Um den Anschluss nicht zu verpassen, sind die Familienbetriebe Sailer und Nast längst auch online. Sie setzen allerdings auf andere Liefermodelle.

Erster Lockdown war Testlauf

Den ersten Lockdown nutzten Florian und Sebastian Kaspar als Testlauf. Die beiden Juniorchefs von der Bäckerei Nast lieferten damals mit der eigenen Flotte auch Brötchen an Innenstadtbewohner gegen eine geringe Pauschale. „Es hatte nicht den großen Einschlag, und es war sehr viel Stress“, berichtet Florian Kaspar. Den Service stellten sie schnell ein und konzentrierten sich auf ein Online-Geschäft, das sie sich von ihrer Bekannten abschauten: Ulrike Sailer-Binder verkauft bereits seit 15 Jahren Backwaren übers Internet – keine Brezeln, sondern Plätzchen, Marmorkuchen und Brote, die lange haltbar sind.

Doppelt so viel Umsatz wie mit dem Stand auf dem Weihnachtsmarkt

Im Advent herrscht bei Ulrike Sailer-Binder Hochsaison. Dann packt sie täglich bis zu 400 Pakete, die an Kunden in Deutschland und bis nach Schweden oder Griechenland gehen. Zwei Drittel der Bestellungen kommen über den Online-Handelsgiganten Amazon herein. Sie macht im Internet mittlerweile doppelt so viel Umsatz wie vor der Coronapandemie mit dem Stand auf dem Weihnachtsmarkt. Noch vor zehn Jahren verschickte sie vor Weihnachten 50 Päckchen. Leicht verdient sei das Geld im Internet nicht, betont Ulrike Sailer-Binder, weil die Arbeit personalintensiv ist, die Software ständig aktualisiert werden muss und Amazon 15 Prozent vom Umsatz behält.

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Krokanteier, Zuckerhasen und Biskuitlämmer werden Florian und Sebastian Kaspar zu Ostern über ihren Online-Shop vertreiben. Hafervollkornbrot, Wibele und Nussecken sind immer im Angebot. Ihr Verkaufsschlager ist ein Nougat-Creme-Ring – dank des Influencers und DJs David Fuentes. Als er das Gebäck auf Instagram empfahl, mussten in kürzester Zeit 750 Bestellungen abgewickelt werden. Mit viel Aufwand fotografiert Sebastian Kaspar dafür die Backwaren und pflegt den Internetauftritt. Momentan ist der neue Absatzkanal dennoch vor allem ein Testballon. „Läuft der Kunde in zehn Jahren noch zum Bäcker?“, fragt sich Florian Kaspar. Das Liefergeschäft überlassen sie wie die Sailers trotzdem noch der Konkurrenz. Über eine Bestellplattform oder Online-Supermärkte zu verkaufen bedeutet, vom Preis ein paar Prozent abzwacken und stets genug Brötchen vorhalten zu müssen. Für die Tonne wollen die Betriebe aber nicht backen.

Nur auf Vorbestellung fährt das Brezel-Taxi los

Das Brezel-Taxi kommt deshalb nur auf Vorbestellung. Abbas Mehrpouya machte sich mit Elektroautos als Lieferdienst teilselbstständig, dann stieß er auf das Start-up aus Überlingen und wurde Franchisepartner. Gegen eine Gebühr von knapp drei Euro bringt er samstags und sonntags Papiertüten voller Brezeln und Brötchen von der Ludwigsburger Bäckerei Luckscheiter, Marmelade, Eier oder Kaffee bis an die Haustüre. „Wir liefern sogar an Leute, die direkt gegenüber einer Bäckerei wohnen“, erzählt er.

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Dabei ist der Brötchenbringdienst keine Erscheinung der Neuzeit: „Wir sind die Vollprofis auf dem Gebiet“, sagt Tobias Kienle von Morgengold. Er versorgt 5000 Kunden in Stuttgart und Region über ein Abonnement-Modell mit Backwaren. Eine Liefergebühr und ein Aufpreis von bis zu 15 Prozent gegenüber dem Direktkauf kostet der Service. Die Ware stammt unter anderem von der Stadtbäckerei Schultheiß in Ostfildern, ausgefahren wird sie von Kurierdiensten. Tobias Kienle, der bei der Taxizentrale arbeitete, bevor er Franchisenehmer wurde, steuert den Online-Shop. Bei der Vermarktung setzt Morgengold nicht aufs Internet, sondern die Ansprache an der Haustüre. „Wir sind schwäbisch-konservativ unterwegs.“