Das britische Unterhaus hat am Mittwochabend den Antrag über einen möglichen EU-Austritt ohne Vertrag, den sogenannten „No-Deal“-Brexit, abgelehnt. Foto: AFP

Das britische Unterhaus will einen EU-Austritt ohne Abkommen auf jeden Fall ausschließen. Nun soll das Parlament über eine Brexit-Verschiebung entscheiden.

London - Das britische Parlament ist „unter allen Umständen“ gegen einen Austritt aus der EU ohne vertragliche Vereinbarung. Das erklärte gestern Abend das Unterhaus. Nachdem die Parlamentarier tags zuvor schon den Austrittsvertrag Theresa Mays mit der EU abgeschmettert hatten, stimmten sie gestern mit 321 zu 278 Stimmen prinzipiell gegen die Idee militanter Tory-Hardliner, ohne Deal, ohne ein formales Arrangement, aus der EU auszutreten. Das Abstimmungsergebnis bindet die Regierung nicht rechtlich, setzt May aber weiter enorm unter Druck.

May selbst hatte sich erstmals damit einverstanden erklärt, gegen einen „No-Deal“-Brexit zu stimmen. Die Vorlage der Regierungschefin beschränkte sich allerdings darauf, einen „No-Deal“-Abgang zum jetzigen Zeitpunkt, also für Ende März, vermeiden zu wollen. Der von May gebilligte Beschluss wies auch darauf hin, dass bei Nichtzustandekommen irgend einer Vereinbarung mit der EU ein solcher Abgang noch immer der gesetzlich „vorgegebene“, und damit unvermeidbare, Weg zum Exit wäre.

Das war Pro-Europäern auch im Regierungslager aber nicht scharf genug. Empörte Brexit-Gegner beschlossen, die Regierung darauf festzunageln, dass ein „No-Deal“-Brexit „jederzeit und unter allen Umständen“ verhindert werden müsse. Sie setzten sich, in einer sensationellen Kampfabstimmung, mit ihrer Protestversion durch. Die Angst vor Rücktritten hatte May schon dazu bewogen, rebellische Minister und Staatsekretäre in der „No-Deal“-Frage teilweise von der Verpflichtung zu einer einheitlichen Linie zu befreien. Folglich war das Kabinett nicht in der Lage, mit einer Stimme zu sprechen. Kritiker Mays erklärten dazu, die Premierministerin habe „vollkommen die Kontrolle über ihr Kabinett verloren“.

EU-Kommission reagiert zurückhaltend

Brexit-Hardliner brachten dabei einen eigenen Antrag ein, der einen gestuften, aber einseitigen Ausstieg mit einer selbstgewählten Übergangszeit vorsah. Entsprechende Vorstellungen hatte EU-Chefunterhändler Michel Barnier bereits mehrfach als „reine Phantasie“ bezeichnet. Der Antrag fand denn auch wenig Anklang in Westminister. Er wurde mit 374 zu 164 Stimmen abgelehnt. Im Gegenzug erklärte der Brexit-Wortführer Jacob Rees-Mogg, jegliches Votum zur Verhinderung eines „No-Deal“-Abgangs sei eh bedeutungslos, weil keine Zeit mehr sei, das auf die Nacht zum 30. März festgelegte Austrittsdatum noch gesetzlich abzuändern.

Die EU-Kommission hat zurückhaltend auf das Votum des britischen Parlaments reagiert, einen ungeregelten Brexit auszuschließen. „Um einen No-Deal vom Tisch zu nehmen, reicht es nicht, gegen einen No-Deal zu stimmen – man muss einem Deal zustimmen“, erklärte eine Kommissionssprecherin am Mittwochabend. „Wir haben einen Vertrag mit der Premierministerin vereinbart und die EU ist bereit, ihn zu unterzeichnen.“

Theresa May kündigt dritte Brexit-Abstimmung an

Die britische Regierungschefin kündigte kurz nach dem Votum im Unterhaus an, bis zum 20. März ein drittes Mal über den von ihr mit der EU ausgehandelten Austrittsvertrag abstimmen zu lassen. Einen entsprechenden Antrag will May an diesem Donnerstag ins Parlament einbringen, wie die Regierung mitteilte. Sollte das Abkommen diesmal angenommen werden, würde May die EU-Staats- und Regierungschefs um einen kurzen Aufschub für den Brexit bis zum 30. Juni bitten. Sollte das Abkommen erneut abgelehnt werden, will London beantragen, den für den 29. März vorgesehene Brexit über den 30. Juni hinaus zu verschieben. Dies hätte die Beteiligung Großbritanniens an den Europawahlen im Mai zur Folge, hieß es in dem Antrag.

Unterdessen enthüllte Mays Regierung gestern erstmals, was sie für den Warenverkehr im Falle eines „No-Deal“-Austritts plant. Generell sollen Einfuhrzölle vorübergehend auf Null herunter gefahren werden, damit die britische Wirtschaft und britische Verbraucher von einem „chaotischen Brexit“ nicht zu heftig getroffen würden. Zölle auf Fleisch, Schuhe, Unterwäsche und Autos sollen aber erhöht werden, um die betreffenden Branchen und vor allem britische Farmer zu schützen.