Der Esslinger Bahnhof hat keinen guten Ruf. Mit unterschiedlichen Maßnahmen steuert die Stadt dagegen an. Dazu gehört ein neuer Container-Treffpunkt für die Wohnsitzlosenszene.
Ein weißer Modulbau auf einer Schotterfläche – die neue Begegnungsstätte in der Fleischmannstraße unweit des Esslinger Bahnhofs könnte man leicht übersehen oder für ein Baustellen-Provisorium halten. Mit Leben füllt sich der Treff aber freitagnachmittags. Dann werden draußen auch mal Biertische und Bänke aufgestellt. Das Angebot richtet sich an Personen, die im Fachjargon auch als Dauersteher bezeichnet werden – Menschen, für die der öffentliche Raum des Bahnhofs so etwas wie ihr Wohnzimmer ist, wo sie sich tagsüber mangels Alternativen mit Gleichgesinnten treffen. Die meisten verbindet der Konsum von Alkohol. Für diese Klientel soll sich nun der Container, der über ein behindertengerechtes WC und eine kleine Küche verfügt, als Anlaufstelle etablieren. Bislang ist der Treff einmal in der Woche für zwei Stunden geöffnet und wird in dieser Zeit von zwei Sozialarbeiterinnen der Evangelischen Gesellschaft betreut (Eva). Im Februar ist das Projekt gestartet. „Es läuft sehr gut an und die Resonanz ist positiv“, sagt Axel Glühmann, Abteilungsleiter der Dienste für Menschen in Armut, Wohnungsnot und Migration bei der Eva.
Brennpunkt: Der Esslinger Bahnhof hat einen schlechten Ruf
Der Esslinger Bahnhof ist bei Passanten seit Jahren in Verruf und wird von vielen als Brennpunkt wahrgenommen. Dieses Problem hat die Stadt erkannt und bereits im Jahr 2022 die Stiftungsprofessur für Kriminalprävention und Risikomanagement mit einer Sozialraumanalyse beauftragt. Die Forscherinnen der Universität Tübingen nahmen das Viertel zwischen der Schlachthaus-, Martin- und Bahnhofstraße sowie Am Kronenhof damals genau unter die Lupe. Am Ende haben sie ein ganzes Bündel an möglichen Maßnahmen vorgeschlagen, die das Sicherheitsgefühl und die Aufenthaltsqualität am Bahnhof verbessern sollen. Darunter auch eine Wärmestube, wie sie jetzt realisiert wurde. Umgesetzt hat die Stadt neben Pflanzkübeln, die für mehr Grün und Schatten sorgen sollen, und anderen baulichen Veränderungen wie Graffiti in der Unterführung aber auch die mobile Wache. In den Sommermonaten ist der Kommunale Ordnungsdienst verstärkt rund um den Bahnhof im Einsatz.
Berührungsängste abbauen: Szenetreff in zentraler Lage
Der „Treff am Bahnhof“, wie er inzwischen heißt, befindet sich in unmittelbarer Nähe zum städtischen Fahrradparkhaus sowie zum Wohn-, Büro- und Einkaufszentrum QBUS. Die zentrale Lage ist Teil des Konzepts. „Wir wollen niemanden ausgrenzen, sondern Verantwortung übernehmen“, betont Sozialbürgermeister Yalcin Bayraktar. Durch eine offene, respektvolle Atmosphäre sollen Berührungsängste abgebaut und neue Perspektiven eröffnet werden, beschreibt er den Ansatz. Es sei erwünscht, dass Passanten stehen bleiben, nachfragen oder sich vielleicht sogar dazusetzen. Die Stadtverwaltung hat sich zuvor in anderen Kommunen über ähnliche Projekte informiert. So gibt es in Kirchheim beispielsweise die „Gute Stube“.
In Esslingen sind es meist zwischen zehn und 15 Personen, überwiegend Männer, die den Treff besuchen. Die Sozialarbeiterinnen Talyssa Vanini und Janine Sieber werben in den Aufnahmehäusern für das neue Angebot oder sprechen die Klientel am Bahnhofsplatz direkt an, um mögliche Hemmungen abzubauen. Geplant ist, dass das Projekt nur in der Pilotphase professionell betreut wird. „Ziel ist, dass der Treff irgendwann selbstverwaltet wird und die Menschen selbstständig hineingehen können“, erklärt Marius Osswald, Leiter des Sozialamts. Erste Schritte in diese Richtung hat es bereits gegeben. So haben sich drei regelmäßige Besucher bereit erklärt, Verantwortung zu übernehmen. An diesem Freitag sollen sie zum ersten Mal eigenständig den Treff öffnen, berichtet Axel Glühmann. „Es ist ein Experimentierfeld, in dem wir etwas ausprobieren können“, sagt er, auch die Öffnungszeiten sollen irgendwann ausgedehnt werden.
Szenetreff soll schöner werden – Ligusterhecke geplant
Auch wenn die Atmosphäre locker ist, gibt es doch einige Regeln. Der Konsum von Alkohol ist im Treff zwar erlaubt und draußen darf auch geraucht werden, Cannabis ist jedoch untersagt. Die Besucher erleben nicht nur Begegnung und Gemeinschaft, sondern sie erhalten auch Informationen über Hilfsangebote. Zudem haben sie die Möglichkeit, eigene Ideen einzubringen. Dafür gibt es beispielsweise eine Wunschliste an der Wand. In den kommenden Wochen wird das etwas triste Erscheinungsbild des Standorts verbessert, wie die Stadt mitteilt. Geplant seien ein neuer Zaun und eine Ligusterhecke.
Strategien
Sozialraumanalyse
Bei Oberbürgermeister Matthias Klopfer stand der Esslinger Bahnhof schon im Wahlkampf auf der Prioritätenliste. Ordnungsbürgermeister Yalcin Bayraktar beschäftigt sich seit seinem Amtsantritt Anfang 2020 mit der Sicherheit im Quartier. Um das Problem strukturiert anzugehen, hat die Stadt 2022 bei der Stiftungsprofessur für Kriminalprävention und Risikomanagement an der Universität Tübingen eine Sozialraumanalyse in Auftrag gegeben, um das Sicherheitsgefühl und die Aufenthaltsqualität zu erhöhen.
Sauberkeit
Mitte Mai war im Rahmen einer großen Frühjahrsputzaktion der Deutschen Bahn auch der Esslinger Bahnhof an der Reihe. 50 Bahnmitarbeitende haben geschrubbt und gestrichen. Unterstützung haben sie von Ehrenamtlichen der Initiative ZuZule und von der Abteilung Straßenreinigung der Stadt bekommen. Auch auf dem Bahnhofsplatz wurde Müll, vor allem jede Menge Zigarettenstummel, eingesammelt. Kleinere Reinigungsarbeiten werden laut Bahn täglich erledigt.