Im Mittelpfad und in Gewerbegebiet Ost sind sämtliche Firmen bereits mit leistungsfähigen Anschlüssen versorgt. Foto: factum/Granville

Das Unternehmen geht in Sindelfingen auf Kundenfang. Obwohl es im Gewerbegebiet Ost und Mittelpfad schon schnelles Internet gibt, will die Telekom nun ein eigenes Netz aufbauen.

Böblingen - Karl Peter Hoffmann ist etwas irritiert. In den Gewerbegebieten in Sindelfingen seien fast alle Unternehmen an ein leistungsstarkes Glasfasernetz angeschlossen, sagt der Sindelfinger Stadtwerkechef. Das gelte insbesondere für die Bereiche Ost und für den Mittelpfad. Dort haben sich zahlreiche IT-Firmen angesiedelt. „Sie haben natürlich schon das schnelle Internet“, sagt Hoffmann. Nun hat erfahren, dass die Deutsche Telekom genau für dieses Gebiet ein kostenloses Gigabit-Hochgeschwindigkeitsnetz anbietet. „Juristisch gesehen darf die Telekom das. Dann wäre sie aber nicht mehr unser Partner.“ Schließlich hat die Telekom mit der Region, den Kreisen und den Kommunen vereinbart, mit ihnen zusammzuarbeiten, damit bis zum Jahr 2030 jeder Betrieb und 90 Prozent aller Haushalte einen Glasfaseranschluss haben.

Stadtwerke: Es wird kommunales Geld verbrannt

„Wenn sich von den 480 Firmen im Mittelpfad und im Gewerbegebiet Ost bis zum 5. Dezember 2018 rund 30 Prozent für einen Glasfaseranschluss der Telekom entscheiden, werden die Gebiete im nächsten Jahr ausgebaut“, teilt die Telekom mit. Zudem sollen die Betriebe einen Gigabit-Anschluss ohne zusätzliche Kosten erhalten. Laut der Telekom reiche das Angebot vom 100-MBit-Geschäftskundenanschluss bis zum Ein-GBit-Anschluss. Die Telekom wolle in dem Gebiet mehr als 23 Kilometer Glasfaser verlegen. Dafür werde das sogenannte kosten- und zeitsparende Trenching-Verfahren eingesetzt: Für die Verlegung der Leitungsrohre werden schmale Gräben und Schlitze in den Boden und den Asphalt gefräst. „Wir werden das Projekt zügig umsetzen“, verspricht Hagen Rickmann, der bei der Telekom für die Geschäftskunden zuständig ist.

„Wir brauchen die Telekom in weiten Teilen der Stadt gar nicht“, betont dagegen Hoffmann. Das Unternehmen wolle aktiv werden, ohne die Stadtwerke zu fragen. Wenn es eigene Leitungen verlegen wolle, dann bitte dort, wo es noch keine gigabitfähigen Verbindungen gebe. Das sei nur bei 20 Prozent der noch zu verkabelnden Fläche in der Stadt der Fall. 20 bis 25 Prozent aller Wohnungen haben laut Hoffmann zudem einen Anschluss direkt vor ihrer Haustüre. Wenn die Telekom tätig werde, sei das volkswirtschaftlich nicht sinnvoll. „Da wird kommunales Geld verbrannt, wenn unsere Leitungen nicht genutzt werden“, kritisiert Hoffmann. Wie viel die Stadtwerke in den vergangenen zehn Jahren in das Netz investiert haben, kann er nicht genau sagen. Es handele sich aber wohl um eine niedrige, zweistellige Millionensumme.

Gespräche mit den Kommunen

Die Telekom indes wiegelt ab. Ihr Sprecher Hubertus Kischkewitz lässt verlauten: „Die Sindelfinger Gewerbegebiete sind Teil eines bundesweiten Ausbauprogramms, das wir bereits auf der Digital-Messe Cebit im März 2017 angekündigt haben. Wir haben die ambitionierten Ziele der Region im Auge – und wollen einige Gewerbegebiete der Region im nächsten Jahr ausbauen.“

Die Ankündigung für den Mittelpfad und das Gewerbegebiet Ost sei im Zuge einer „Vorvermarktung“ geschehen, erklärt Kischkewitz, weshalb die Telekom bislang nicht mit der Stadt gesprochen hat. Damit sei noch keine Entscheidung darüber gefallen, „ob und was wir selbst bauen“. Insgesamt würden die Ausbaupläne für die Region noch konkretisiert. Seit diesem Juli habe die Telekom bereits mit 173 Kommunen in der Region gesprochen. Die Gespräche seien offen und konstruktiv verlaufen.

Telekom: Wir wollen vorhandene Infrastruktur prüfen

Die Frage, ob die Telekom andere Netzversorger vom Markt verdrängen und selbst in eine bessere Position gelangen wolle, verneint Kischkewitz. Das sei nicht der Fall: „Wir wollen gemeinsam mit der Region den ambitionierten Ausbau in der Region gestalten. Dabei werden wir, wenn es wirtschaftlich vernünftig ist, möglichst viele Kooperationen eingehen und die vorhandene Infrastruktur anderer mitnutzen. Jedoch könne natürlich jeder Wettbewerber eigene Ausbaupläne verfolgen.

Das Glasfasernetz der Telekom umfasst bundesweit bereits mehr als 500 000 Kilometer. Jährlich sollen 60 000 Kilometer dazu kommen. „Wir wollen mit den Stadtwerken vor Ort zusammenarbeiten“, versichert Kischkewitz. Angesichts der ausgelasteten Baubranche sei es sinnvoll, die vorhandene Infrastruktur zu prüfen.

Hochgesteckte Ziele beim Glasfaserausbau

Kooperation:
Gemäß einer Absichtserklärung Anfang Juli will die Deutsche Telekom den Glasfaserausbau in der Landeshauptstadt und den Kreisen Böblingen, Esslingen, Göppingen, Ludwigsburg und Rems-Murr in allen 179 Kommunen vorantreiben. Das Unternehmen möchte bis zu 1,1 Milliarden Euro investieren. Die Region und die Kommunen sollen 500 Millionen Euro in Sach- und Geldleistungen beisteuern. Koordinieren soll das Ganze eine regionale Breitband-Service-Gesellschaft, an der sich die Wirtschaftsförderung der Region , der Stadt Stuttgart und die teilweise noch zu gründenden Zweckverbände der Kreise beteiligen. Sie übernimmt die Kooperation mit der Telekom.

Ausbauziele:
Bis zum Jahr 2030 sollen jeder Betrieb und 90 Prozent der Haushalte in sämtlichen Kommunen der Region einen Glasfaseranschluss haben. Bis 2022 sollen rund 90 Prozent aller Gewerbegebiete mit Anschlüssen von mindestens einem Gigabit versorgt sein. Bis 2025 sollen auch Schulen damit ausgestattet werden.