Der mittelfristige Ausbau der Glasfasernetze wird mit einem Betrag von 32 Millionen Euro veranschlagt. Foto: dpa-Zentralbild

Um die digitale Infrastruktur zeitgemäß aufzurüsten, sind in Fellbach mehr als 35 Millionen Euro nötig.

Fellbach - Für den von der Wirtschaft vehement geforderten Ausbau der digitalen Infrastruktur in Fellbach muss tief in die Tasche gegriffen werden. Allein die Kosten für die kurzfristige Beseitigung der weißen Flecken im Stadtgebiet werden auf 3,7 Millionen Euro geschätzt. Der mittelfristige Ausbau der Glasfasernetze wird mit einem Betrag von 32 Millionen Euro veranschlagt. Diese Zahlen hat der bei der Region Stuttgart als Breitbandbeauftragter beschäftigte Hans-Jürgen Bahde am Montag bei der Hauptversammlung der Industrievereinigung Fellbach genannt.

Der 58-jährige Wirtschaftsinformatiker und Kaufmann referierte auf Einladung des lokalen Unternehmerverbands bei dem Mitgliedertreffen in Räumen der Krankenversicherung SDK über die Perspektiven für den Breitbandausbau. „Auf den ersten Blick sieht es nicht schlecht aus in Fellbach. Aber wenn man die Realität bei der Internet-Versorgung näher betrachtet, sieht es auf einmal gar nicht mehr so gut aus“, räumte er ein.

Die Region liegt bei der Verfügbarkeit von schnellem Internet noch unterm Landesschnitt

Hans-Jürgen Bahde kümmert sich seit Mai 2017 um den Aufbau eines Backbone-Netzes in den fünf Landkreisen rund um Stuttgart. Bekanntlich liegt die Region bei der Verfügbarkeit schneller Internetverbindungen noch unter dem Landesschnitt, gerade mal 77 Prozent der Haushalte und Gewerbebetriebe sind mit einem 50-Mbit-Anschluss versorgt. Noch größer ist der Nachholbedarf im Rems-Murr-Kreis, wo nur 71 Prozent der Nutzer mit diesem Tempo ins Internet können.

Allerdings handelt es sich selbst bei dem Wert um eine eher theoretische Angabe. Denn durch die Weiterleitung über Kupferkabel droht je nach Entfernung zwischen Verteilerkasten und Hausanschluss in der Praxis ein dramatischer Tempoverlust. Und: Für Firmen, die im täglichen Betrieb auf Videokonferenzen oder Fernwartung angewiesen sind, gilt selbst diese Geschwindigkeit schon jetzt als nicht mehr zeitgemäß. „Die Statistik belegt, dass der Breitbandanschluss für die Standortentscheidung von Unternehmen mittlerweile wichtiger ist als der Quadratmeterpreis für ein Grundstück“, sagt Hans-Jürgen Bahde.

Er fordert mehr Wettbewerb für die Branche – und wundert sich, dass Kontrollbehörden nicht auf Vertragsstrafen setzen, wenn Internetanbieter beim Ausbau der Netze weit hinter vereinbarten Leistungszielen zurückbleiben. „Die Emotionen schlagen hoch bei dem Thema. Wir haben Unternehmer in unseren Reihen, die wirklich in jede Baugrube steigen und nachschauen, ob da wenigstens Leerrohre für Glasfaserkabel verlegt sind“, unterstreicht auch Johannes Maier, der Vorsitzende der Industrievereinigung, die Dringlichkeit. Allerdings beteuert Gerhard Ammon, Geschäftsführer der Fellbacher Stadtwerke, dass zumindest diese Vorbereitung inzwischen zum Standard gehört. Es gebe durchaus auch Konkurrenz bei der Frage, ob die Kabelkanäle nun fürs Internet oder die Elektromobilität genutzt werden sollen. Die Rathaus-Tochter will die innerörtlichen Verteilernetze in den kommenden zwei Jahren ausbauen. Außerdem soll in Kooperation mit den Stadtwerken Waiblingen eine Verbindungstrasse entstehen. Laut Hans-Jürgen Bahde will die Telekom in Fellbach 161 Kabelverzweiger aufrüsten, um weiße Flecken bei der Internetversorgung zu tilgen. Allerdings hält der 58-Jährige die auf Kupferkabeln basierende Vectoring-Technik für nicht zukunftsweisend.

Mehr Erfolg wird dem Ausbau mit bis ans Haus führenden Glasfaserkabeln eingeräumt

Mehr Erfolg räumt der Experte dem mittelfristigen Ausbau mit bis ans Haus führenden Glasfaserkabeln ein. Er rechnet mit einer Erschließungszeit von etwa sechs Jahren. Auf den Kosten in zweistelliger Millionenhöhe würden Kommune und interessierte Firmen sitzen bleiben – im verdichteten Ballungsraum sind laut Hans-Jürgen Bahde keine Fördermittel zu erwarten. Dass sich die Stadt Fellbach erst jetzt mit einem Masterplan zum Ausbau der digitalen Infrastruktur befasst, sieht der Breitbandbeauftragte allerdings nicht als Beinbruch. „Da ist bisher noch nichts verloren, wenn wir die Macht von Stuttgart und der Umlandkreise ausspielen“, sagt er. Noch im April soll über eine Kooperation mit einem Telekommunikationsanbieter entschieden werden. „Im zweiten Halbjahr rollen die Bagger“, frohlockt Bahde.

Über die Kostenfrage ist in Fellbach noch nicht das letzte Wort gesprochen. „Die Stadtwerke haben sich jetzt wirklich ins Zeug gelegt. Da muss auch jeder seinen Beitrag leisten“, nimmt Fellbachs OB die Unternehmen in die Pflicht. Laut Johannes Maier von der Industrievereinigung gibt es durchaus Betriebe, die mehr für ihren Internetanschluss zahlen würden. „Wir haben den Eindruck, dass bei der Stadt immer noch nicht richtig angekommen ist, wie dringend uns das Thema ist“, sagt er.