Bei Tauschtreffen gehen Mitglieder des Brauerei-Kulturverbandes auf die Jagd nach Bierdeckeln.
Stuttgart/Sachsenheim - Raumtemperatur und Puls schnellen gleichermaßen in die Höhe. Wer im Bräustüble in Kleinsachsenheim (Kreis Ludwigsburg) kein T-Shirt trägt, kommt ins Schwitzen. Nicht nur wegen der Hitze.
Wo Menschen für gewöhnlich in aller Ruhe ein Glas Bier trinken, herrscht an manchen Samstagen ein reges Treiben. Auf den Tischen stehen dann viele Kisten, um die sich noch mehr Menschen drängen, vorwiegend Männer. Sie alle wollen neue Bierdeckel für ihre Sammlung ergattern. Zu den regionalen Tauschtreffen des Internationalen Brauereikultur-Verbandes (IBV) mit Sitz in Stuttgart kommen die Mitglieder deshalb nicht nur aus dem Raum Stuttgart, sondern auch vom Bodensee, aus Hessen und sogar aus Berlin angereist. Dem Verband gehören mehr als 1500 Mitglieder an.
Es geht auch um die Geschichte
Das Ziel der Sammelei sei es, von möglichst jeder Brauerei einen Bierdeckel zu besitzen, sagt der Verbandsvorsitzende Winfried Friedel. Er schätzt, dass es deutschlandweit derzeit etwa 1300 Brauereien gibt. Winfried Friedel selbst hat zuhause mehr als 45.000 Bierdeckel. Während Außenstehende sich diese Zahl ungläubig durch den Kopf gehen lassen, bleibt der Verbandsvorsitzende gelassen. Die Menge seiner Bierdeckel sei doch völlig irrelevant. "Beim Sammeln geht es schließlich auch um die Geschichte der jeweiligen Brauerei."
Der im Jahr 1958 gegründete IBV ist der erste Verband, "dessen Mitglieder sich für Bier und Brauen interessieren und die damit verbundenen Kulturgüter sammeln und bewahren", heißt es auf der Internetseite. Wie oft öffnete schon eine Brauerei, um einige Zeit später zu schließen. Wenigstens die Erinnerung muss bewahrt werden. Mithilfe von Souvenirs wie Bierdeckel, Bierkästen, Bügelflaschen oder Visitenkarten machen die Mitglieder besonders auf nicht mehr existierende Brauereien aufmerksam und erstellen Werke wie das "Historisches Brauereiverzeichnis Deutschland". Daneben erscheint jedes Jahr ein aktuelles Brauereiverzeichnis.
Bierdeckel in geschlossenen Kisten lagern
Zurück zur Bierdeckeljagd. Nach gut einer Stunde haben bereits zig Bierdeckel ihre Besitzer gewechselt. Selbstverständlich ist es nicht, dass die Bierutensilien Tageslicht abbekommen. Klaus Köhler aus Winnenden (Rems-Murr-Kreis) sagt, dass er seine Bierdeckel immer in geschlossenen Kisten lagert. "Sonst vergilben sie unschön, ähnlich wie Bücher es tun." Er deutet auf einen fleckigen Bierdeckel. Das Stück sieht aus, als wäre einmal zu oft Kaffee darüber gelaufen. Solche Bierdeckel landen selten in einer Sammlung.
Klaus Köhler macht manchmal eine Ausnahme. Er erzählt von einem Bierdeckel aus dem Jahr 1920. Der sei so schwarz geworden, dass man auf ihm kaum mehr etwas entziffern könne. "Der Bierdeckel hing an einer Wand. Ich habe ihn trotzdem genommen." Sammler legen Wert auf gut erhaltene und saubere Bierdeckel. Helmut Fackler nickt. Der Mann aus Hessen fährt wegen eines Tauschtreffen schon mal hunderte Kilometer.
Neben den Tauschtreffen bietet der IBV Brauereiführungen an. Alle drei Monate erscheint "Unser Steckenpferd". Die Zeitschrift informiert rund um den Brauereikult. Virtuell lädt Michael Schneider Fans und Neugierige in seine Welt, Mikelsbierwelt, ein. Schneider sammelt Bierdeckel, Spielkarten und Flaschenetiketten.
200.000 Etiketten gesammelt
Manfred Stoßberger hat es ausschließlich auf Flaschenetiketten abgesehen. Seit fünf Jahren jagt er nur noch denen aus Deutschland hinterher. Die Flaschenetiketten bekommt der 75 Jahre alte Sindelfinger oft druckfrisch von den Brauereien. Oder er löst sie einfach von den Flaschen ab. Inzwischen dürfte Stoßberger mehr als 200.000 Etiketten besitzen. Auf diese Anzahl zu kommen, ist gar nicht so schwer. "Es gibt mehr Etiketten als Bierdeckel."
Trotzdem benötigt Manfred Stoßbergers Sammlung weniger Platz als die seiner Frau Ingrid, eine leidenschaftliche Bierdeckeljägerin. Die Etiketten seien ja sehr flach. Manfred Stoßberger bewahrt sie in Ordnern auf, die sich in einem 2,50 Meter langen Regal ordentlich aneinander reihen. Über das Gesicht des Rentners huscht ein Grinsen. Er blickt zu seiner Frau. Erinnerungen kommen hoch. Das Paar hat sich vor Jahren bei einem Tauschtreffen kennen gelernt. Und herausgefunden, dass es noch eine Leidenschaft miteinander teilt: Bier trinken sie ungern.
Das nächste Tauschtreffen in der Region findet am 18. Februar im Michel Bräu Bräustüble, Adolfstraße 9, in Kleinsachsenheim bei Bietigheim-Bissingen statt. Los geht es um 13 Uhr. Infos auf www.ibv1958.de oder www.ibv1958.com.