Lula da Silva will noch einmal für das Präsidentenamt in Brasilien antreten. Bekommt Brasiliens Ex-Präsident da Silva eine zweite Chance? Foto: dpa

An diesem Mittwoch entscheidet sich das Schicksal von Brasiliens Ex-Präsident Lula da Silva. Dann soll in zweiter Instanz entschieden werden, ob Lula hinter Gitter kommt und damit das Recht auf eine Kandidatur für die Präsidentenwahl im Oktober verliert.

Rio de Janeiro - Lula da Silva hat sich für die Flucht nach vorne entschieden: Der linksgerichtete Ex-Präsident, der Brasilien von 2003 bis 2011 regierte, attackiert die Justiz. Und mit ihm seine Mitstreiter in der linksgerichteten Arbeiterpartei PT. „Man wird Leute töten müssen, wenn man ihn ins Gefängnis stecken will“, sagte Gleisi Hoffmann, seit ein paar Wochen neue Vorsitzende der PT. Einerseits eine unverhohlene Drohung gegen die Unabhängigkeit der Justiz, andererseits Ausdruck der Verzweiflung, die im Lager des einst so populären Arbeiter-Präsidenten herrscht.

Am Mittwoch soll in zweiter Instanz entschieden werden, ob Lula hinter Gitter kommt und damit das Recht auf eine Kandidatur für die Präsidentenwahl im Oktober verliert. Die Vorwürfe gegen ihn basierten auf einer Lüge, behauptet der 72-Jährige: „Ich soll politisch ausgeschaltet werden.“ Es geht um ein Luxusapartment, mit dem er geschmiert worden sein soll. Als Lobbyist für den Baukonzern Odebrecht soll er lukrative öffentliche Bauaufträge in anderen Ländern besorgt haben. Lula will im Oktober trotzdem antreten, auch wenn er erneut verurteilt wird. Ob das rechtlich möglich ist, darüber streiten die Experten.

Es geht auch darum, welche Wendung der Präsidentschaftswahlkampf nehmen wird

Ganz Brasilien wartet gespannt auf die Entscheidung. Richter Sergio Moro, der wie ein Volksheld verehrt wird, weil er gegen Politiker aus allen politischen Lagern ermittelt, hat Lula im Juli zu neun Jahren und sechs Monaten Gefängnis und zu einer hohen Geldstrafe wegen passiver Korruption und Geldwäsche verurteilt. „Am Mittwoch wird es darum gehen, ob das Richterkollegium diese Verurteilung aufrechterhält und bestätigt oder ob es Lula freispricht, etwa aus Mangel an Beweisen“, sagt Jan Woischnik von der Konrad-Adenauer-Stiftung in Rio de Janeiro. Der Brasilien-Experte rechnet mit einer Hängepartie: „Beide Seiten können nochmals Rechtsmittel einlegen, deswegen glaube ich nicht, dass wir am Mittwoch strafrechtliche Klarheit haben.“

Dafür aber eine politische Richtungsentscheidung. Es geht nicht nur um Haft oder Präsidentschaftskandidatur. Es geht darum, welche Wendung der Präsidentschaftswahlkampf in Brasilien bis zum Wahltag am 7. Oktober nehmen wird. Die Entscheidung wird das Rennen um die Nachfolge des umstrittenen Präsidenten Michel Temer polarisieren. Kommt Lula frei, werden seine Gegner dies als Rückschlag im Kampf gegen die Korruption werten. Muss er ins Gefängnis, verteidigen ihn seine Anhänger als politischen Märtyrer.

Lula da Silva war bereits in seiner ersten Amtszeit Teil des korrupten Systems

Lula da Silva ist nicht der einzige prominente Politiker, den die Justiz im Visier hatte. Auch zahlreiche Vertreter aus dem rechten politischen Spektrum sind zu langen Haftstrafen verurteilt worden, unter ihnen der einst allmächtige Strippenzieher und Ex-Parlamentspräsident Eduardo Cunha, der zu 15 Jahren Haft bekommen hat.

Unschuldig ist Lula da Silva aus politischer Sicht nicht. Bereits in seiner ersten Amtszeit war er Teil des zutiefst korrupten Systems in der brasilianischen Politik. Lula hat das System nicht erfunden, aber er hat es genutzt, um eigene Ziele durchzusetzen. Seine Partei ließ Abgeordnete kaufen, später griff sie tief in die Kassen des staatlichen Erdölkonzern Petrobas, wie viele andere Parteien auch. Aber Lula steht auch für die Zeit, in der Brasilien ein hoffnungsvoller Aufsteiger war. Damals sahen Analysten Brasilien auf dem Weg zur Supermacht. Lula wurde übermütig, holte die Fußball-WM und Olympia ins Land. Es geht um eine zweite Chance. Für den Menschen Lula und für den Politiker Lula.