Lula hatte im Vorfeld noch angekündigt, seine politische Arbeit fortsetzen zu wollen. Foto: AP

Der frühere Präsident Brasiliens, Luiz Inácio Lula da Silva, wurde wegen Korruption schuldig gesprochen. Das Urteil könnte eine Teilnahme des 72-Jährigen bei den bevorstehenden Präsidentschaftswahlen verhindern.

Rio de Janeiro - Luiz Inácio Lula da Silva (72) soll für zwölf Jahre und einen Monat ins Gefängnis. Das Berufungsgericht in Porto Alegre sah es als erwiesen an, dass sich der ehemalige brasilianische Präsident (2003 bis 2011) der passiven Korruption schuldig gemacht hat. Damit bestätigten die drei Richter nicht nur ein im Juli vergangenen Jahres gefälltes Urteil, das Lula in erster Instanz schuldig sprach. Sie erhöhten es sogar. Damals wurde Lula zu neuneinhalb Jahren Haft verurteilt. Die Entscheidung an diesem Mittwoch fiel mit 3:0 Stimmen einstimmig.

Unter anderem geht es um ein Luxus-Apartment, mit dem der Übervater der linksgerichteten Arbeiter-Partei PT geschmiert worden sein soll. Lula hat die Vorwürfe stets bestritten und spricht von einer politischen Kampagne, die seine Teilnahme am Präsidentschaftswahlkampf verhindern soll. Am 7. Oktober wird in Brasilien ein neues Staatsoberhaupt gewählt. Er sei „extrem ruhig“, was die Vorwürfe gegen ihn angingen, hatte Lula noch am Mittwochmorgen gesagt. So dramatisch das Urteil für Lula als Mensch ist, für die PT ist es eine Steilvorlage im Wahlkampf. Tausende Anhänger mobilisierte die Arbeiterpartei, um rund um das Gerichtsgebäude für Lula zu demonstrieren. „Eine Wahl ohne Lula ist ein Betrug“, skandierten sie. Aber auch Gegner des Präsidenten zeigten Flagge.

Der Fall wird den Wahlkampf bestimmen

Mit dem Urteil sind die Fronten für den Wahlkampf nun geklärt. Während Juristen darüber streiten, ob Lula doch noch als Kandidat für die PT antreten darf, gehen einige Analysten davon aus, dass Lulas politische Karriere damit beendet ist. Ob er tatsächlich ins Gefängnis muss, wird sich ohnehin erst nach einem weiteren Marsch durch weitere Revisionsinstanzen wie dem Obersten Gerichtshof zeigen. Ein Vermeiden der Haftstrafe wird nach den beiden klaren und vor allem harten Urteilen jedoch immer unwahrscheinlicher.

Klar aber ist: Der „Fall Lula“ wird den brasilianischen Wahlkampf nun erst recht bestimmen. Schon jetzt inszeniert die PT den Ex-Präsidenten als Opfer einer politischen Verfolgung durch die Staatsanwaltschaft, obwohl diese auch weitere Spitzenpolitiker aus anderen politischen Lagern zur Rechenschaft zog.

Eine Aufarbeitung des Korruptionsskandals scheint unmöglich

Es sei Zeit zur Radikalisierung, kündigte PT-Parteichefin Hoffmann an, die bereits vor der Gerichtsverhandlung indirekt mit einem Gewaltaufruf kokettierte. „Wenn sie Lula festnehmen wollen (...), werden sie Leute töten müssen“, sagte sie. Mit im Boot die Medien, die je nach politischer Positionierung Lula als Täter oder Opfer präsentieren. Die Losung „Freiheit für Lula“ wird prägend für den Wahlkampf sein, Lula wird als „politischer Gefangener“ präsentiert. Dass sein Vergehen im Vergleich zu den Korruptionsfällen anderer Politiker klein ist, wird diese Lesart vermutlich unterstützen.

Lula selbst kündigte im Vorfeld an, seine politische Arbeit fortsetzen zu wollen. Die selbst tief in den Korruptionsskandal verstrickte PT hat nun gar keine andere Wahl mehr, als Lula zu ihrem Spitzenkandidaten zu machen. Alles andere wäre ein Schuldeingeständnis. Eine dringend notwendige inhaltliche und personelle Erneuerung sowie eine Aufarbeitung des eigenen Korruptionsskandals werden damit unmöglich.

Die Wahlen im Oktober werden insofern auch zu einer Abstimmung über Lulas Schuld – oder Unschuld. Politische Konzepte für die Zukunft, die das krisengeschüttelte Brasilien dringend bräuchte, geraten dagegen in den Hintergrund.