Jair Bolsonario hat viele Anhänger. Foto: AP

Jair Bolsonario ist bisher nur durch sexistische und demokratiefeindliche Tiraden aufgefallen. Die Brasilianer wählten in trotzdem. Tobais Käufer nennt in seinem Kommentar die Gründe.

Brasilia - Die Brasilianer wussten, wen sie da wählen. Rechtspopulist Jair Bolsonaro, ehemaliger Fallschirmjäger, Anhänger der einstigen brutalen Militärdiktatur und immer wieder mit rassistischen, frauenfeindlichen und homophoben Sprüchen aufgefallener Hinterbänkler des Politikbetriebs, ist seit Sonntagabend der mächtigste Mann Südamerikas. Er gewann mit rund 56 Prozent der Stimmen eine denkwürdige Stichwahl um das Präsidentenamt in Brasilien gegen den Linkspolitiker Fernando Haddad (44 Prozent).

Diese Wahl wird Brasilien verändern. Im schlimmsten Fall droht dem größten Land Lateinamerikas ein Rückfall in eine Militärdiktatur mit faschistischen Zügen. Große Teile der brasilianischen Bevölkerung fürchten sich vor dem, was jetzt kommen mag. Bolsonaro betonte noch am Wahlabend, dass dies unbegründet sei. Er schwor zu Gott, dass seine Regierung die Verfassung, die Demokratie und die Freiheit verteidigen werde. Die internationale Staatengemeinschaft solle ihn daran erinnern, falls es doch ganz anders kommt. Immerhin kündigte er im Wahlkampf auch an, ein Präsident aller Brasilianer – ganz gleich welcher Hautfarbe, religiöser und sexueller Orientierung – sein zu wollen. Das sind neue Töne, so ungewohnt, dass es schwerfällt, jemandem zu glauben, der jahrelang das Gegenteil erzählt hat.

Die etablierte Politik hat abgewirtschaftet

Ein größerer Teil der brasilianischen Wähler setzt aber ganz offenbar große Hoffnungen in den Rechtspopulisten, der aus der tiefen Vertrauenskrise der brasilianischen Politik emporgestiegen ist wie Phönix aus der Asche. Weil die etablierten Parteien, unter ihnen auch Fernando Haddads Arbeiterpartei PT, tief in einen gigantischen Korruptionsskandal rund um die Konzerne Petrobras und Odebrecht verstrickt sind, haben sich die Brasilianer für einen radikalen Bruch mit der bisher dominierenden Klasse entschieden.

Ein Land, das täglich in Kriminalität und Gewalt versinkt, die jedes Jahr Zehntausende Tote fordert, und trotzdem lieber Milliarden in Mega-Events wie Fußball-Weltmeisterschaft und Olympia statt in Bildung und Sicherheit investiert, darf sich nicht wundern, wenn eine zutiefst verängstigte und wütende Bevölkerung den Rettungsanker wirft. Ein Politikertyp wie Bolsonaro fällt nicht vom Himmel, er ist das Produkt einer langen Fehlentwicklung. Ein Ertrinkender sucht sich aber seinen Retter nicht aus, sondern entscheidet sich für den, der die schnellste Rettung verspricht.

Die Wahl Bolsonaros bedeutet für Brasilien auf verschiedener Ebene eine Zäsur: Die mächtigen evangelikalen Kirchen haben den Katholiken unterstützt, der schleichende Bedeutungsverlust der katholischen Kirche wird immer deutlicher sichtbar. Der Schutz des Amazonas-Regenwalds ist in Gefahr, denn Bolsonaro steht der Agrarindustrie nahe, die weitere Flächen des für das Weltklima so bedeutsamen Ökosystems abholzen will. Wer dieser Jair Bolsonaro wirklich ist, wird man wohl erst erfahren, wenn er regiert. Dem Rest der Welt, vor allem aber Brasilien ist zu wünschen, dass es kein böses Erwachen gibt.