Menschen bejubeln das Ergebnis der Abstimmung über die Zukunft von Präsidentin Rousseff. Foto: dpa

Showdown in Brasília: Im Parlament kommt es zu einer emotionalen Abstimmung über die Zukunft von Präsidentin Dilma Rousseff. Mit einem Ende, dass dem gespaltenen Land sehr unruhige Tage bescheren dürfte.

Brasília - Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff droht die Amtsenthebung. In der Abgeordnetenkammer wurde am Sonntag unter frenetischem Jubel ihrer Gegner die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit deutlich erreicht. Die Regierung hatte bis zuletzt versucht, einzelne Abgeordnete auf ihre Seite zu ziehen. 367 Abgeordnete votierten am Ende für die Amtsenthebung, nur 137 dagegen. Der Senat kann Rousseff nun Ende April mit einfacher Mehrheit für 180 Tage suspendieren.

Dieses Votum wird nicht als große Hürde angesehen. Danach würden die Anklagepunkte juristisch geprüft. Bei den Vorwürfen gegen sie geht es um Tricksereien beim Haushalt, etwa bei der Finanzierung von Programmen wie der Familiensozialhilfe über öffentliche Banken. Zum anderen geht es um Kreditvergaben ohne grünes Licht des Kongresses.

Als die entscheidende 342. Ja-Stimme erreicht war, fielen sich ihre Gegner im Parlament um den Hals. Jeder Abgeordnete erläuterte in einem kurzen Statement sein Votum, die emotionale Abstimmung dauerte bis zur entscheidenden Stimmabgabe des Abgeordneten Bruno Araújo bereits über fünf Stunden. Vizepräsident Michel Temer (75) würde Rousseff während der Suspendierung ersetzen, der Chef der Partei der demokratischen Bewegung (PMDB) ist, die mit der Regierung gebrochen hat. Temer ist weiter Vizepräsident, damit er Rousseff beerben kann.

Tumultartige Szenen in der Hauptstadt

Rousseffs persönlicher Kabinettschef Jaques Wagner meinte, mit dem Votum würden „30 Jahre Demokratie unterbrochen“. „Das ist ein trauriges Kapitel“. Rousseff sei 2014 von 54 Millionen Menschen gewählt worden und es gebe keinerlei kriminellen Akt, der ihr nachgewiesen werden könne, betonte Wagner nach Angaben des Portals „O Globo“. Wird Rousseff nun suspendiert, könnte sie zum Beispiel auch nicht die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro am 5. August eröffnen.

Bis Oktober könnte der Senat sie mit Zwei-Drittel-Mehrheit endgültig des Amtes entheben. Bisher gab es solch ein Verfahren erst einmal. 1992 wurde Fernando Collor de Mello nach Korruptionsvorwürfen für 180 Tage suspendiert - und trat am Ende schließlich selbst zurück.

Zu Beginn des Abstimmungsprozesses gab es tumultartige Szenen in der Hauptstadt Brasília. Es kam im Abgeordnetenhaus zu lauten „Arbeiterpartei raus“-Rufen und Wortgefechten zwischen Gegnern und Anhängern der Präsidentin von der linken Arbeiterpartei (PT).

Abgeordnete der PT riefen: „Es darf keinen Putsch geben“. Sie zeigten ein Banner „Weg mit Cunha“ - Parlamentspräsident Eduardo Cunha hatte das Verfahren gegen Rousseff federführend initiiert, obwohl ihm die Annahme von fünf Millionen Dollar Schmiergeld vorgeworfen wird.

Public Viewing zur Parlaments-Abstimmung

Nachdem klar war, dass deutlich die Zwei-Drittel-Mehrheit erreicht werden wird, kam es zu Feuerwerk und Autokorsos, zuletzt lag die Zustimmung zu der Politikerin der Arbeiterpartei nur noch bei zehn Prozent. An Orten wie der Copacabana in Rio de Janeiro verfolgten die Menschen per Public Viewing die aufgeheizte Abstimmung im Parlament.

Den Niedergang Rousseffs beschleunigt hatte die Berufung von Ex-Präsident Luiz Inácio Lula da Silva zu ihrem Kabinettschef: Ein Bundesrichter legte sein Veto ein, da Lula im Regierungsamt besser vor Korruptionsermittlungen geschützt wäre. Was als Befreiungsschlag und zur Stärkung ihrer Regierung gedacht war, endete in Protesten dagegen, dass Rousseff Lula nur vor der Justiz schützen wolle.

Daneben hat der parteiübergreifende Korruptionsskandal um den halbstaatlichen Petrobras-Konzern den Widerstand verschärft, ebenso die ökonomische Krise. Die Wirtschaft brach 2015 um 3,8 Prozent ein, die Arbeitslosenzahl ist auf 9,6 Millionen gestiegen. Die Regierung bekam zuletzt kaum noch Reformen durchgesetzt - weil die einstige Neun-Parteien-Koalition zerbröselt ist. Da aber auch Temer wenig Vertrauen genießt, wurde zuletzt der Ruf nach Neuwahlen immer lauter.