Das Trio Brandt Brauer Frick stellte beim Konzert im Neuen Schloss sein neues Album „Joy“ in den Mittelpunkt Foto: Lichtgut - Oliver Willikonsky

Trio Brandt Brauer Frick hat den lang geschmähten Techno zu einer hochkomplexen Musikform weiterentwickelt. Am samstag waren sie in Stuttgart im Neuen Schloss zu hören.

Stuttgart - Wenn es in der deutschen Popmusik noch so etwas wie eine Avantgarde gibt, dann gehört das experimentierfreudige Trio Brandt Brauer Frick zwingend dazu: Die drei Männer aus Wiesbaden und Berlin haben den lange als stumpf geschmähten Techno zu einer hochkomplexen Musikform entwickelt, in der bei ihnen New Wave, Neue Musik, Jazz und der Geist des Krautrock aufgehen. Am Samstagabend im Weißen Saal des Neuen Schlosses stellen sie ihr brandaktuelles Album „Joy“ in den Mittelpunkt, auf dem der eigenwillige kanadische Sänger Beaver Sheppard zu hören ist, den sie inklusive zweier Backing-Sänger mitgebracht haben. Sheppard erinnert an John Goodmans Vietnam-Veteran im Coen-Brothers-Film „The Big Lebowski“, er macht seltsame Gesten, hat aber ein Gespür für griffige Melodien und Phrasierungen. Der Album-Opener „You Can Buy My Love“ ist ein Hit und dürfte empfängliche Depeche Mode-Fan schlicht umhauen, „Away from my Body“ dagegen kommt als radikale synthetische Klang-Collage mit einer Rezitation daher, die an Anne Clark erinnert.

Keine klassische Techno-Schichttorte

Jan Brauer und Paul Frick werkeln hinter einem DJ-Pult und können auf Knopfdruck ganze Klanguniversen erschaffen – nicht die klassische Techno-Schichttorte, bei der Klangspuren zu- und weggeschaltet werden, sondern organisch wirkende Soundgebilde in permanenter Mutation. Das wabert, zischt, zirpt, gongt, schmatzt und knackt, durchmischt mit brillanten Samples realer Instrumente. Auch läuft nicht permanent das berüchtigte Techno- „Umz!“ durch, in einigen rein instrumentalen Passagen kommen Brandt Brauer Frick ganz ohne Beat aus. Wenn einer ertönt, ist er komplex und ausgeklügelt ausgestaltet mit der Uhrwerks-Präzision und der anarchischen Kreativität des exzellenten Schlagzeugers Daniel Brandt. Sehr tanzbar wäre diese Musik nur ist das im – natürlich bestuhlten - Weißen Saal nicht erlaubt. Der bewusst gesetzte Kontrast, monarchischer Prunk gegen zeitgenössische Musikkultur, verliert mit zunehmender Konzertdauer an Reiz; letztlich hätte man bei diesem starken Auftritt lieber in den Wagenhallen gestanden und mitgewippt.