Die Notfallpraxis in Backnang steht kurz vor der Schließung. Foto: /Frank Rodenhausen

Die Sorge ist greifbar: Mit scharfen Worten wenden sich 18 Rathauschefs in einem offenen Brief an Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manfred Lucha (Grüne). Sie fordern einen sofortigen Stopp der Reform des ärztlichen Bereitschaftsdienstes – und schlagen Alarm wegen der ersten Schließungen von Notfallpraxen im Land. Auch Backnangs Oberbürgermeister Maximilian Friedrich hat unterzeichnet.

 

Wie die Stadt Backnang mitteilt, sieht Friedrich durch das geplante Aus der lokalen Notfallpraxis einen massiven Einschnitt in die medizinische Versorgung seiner Stadt. Die Praxis zählte jährlich rund 15 000 Patientenkontakte – künftig bleibt nur noch Winnenden als zentraler Anlaufpunkt für den gesamten Rems-Murr-Kreis mit über 430 000 Einwohnern.

Patientenstau in Winnenden: Notfallversorgung in Gefahr

„Es trifft ja nicht nur uns, sondern das ganze Einzugsgebiet“, warnt Friedrich. Bereits jetzt stauen sich die Patienten in der Notaufnahme des Klinikums Winnenden. Seit der Schließung der Praxis in Schorndorf sind die Fallzahlen dort um 35 Prozent gestiegen – mit spürbaren Folgen für Patienten und Personal.

In einem Schreiben vom 11. April kritisieren die Bürgermeister unter Federführung des Ettlinger Rathauschefs die „voreiligen Schließungen“ und bezweifeln die Rechtmäßigkeit des Vorgehens. Weder seien die Kommunen eingebunden worden, noch sei die Reform mit den Krankenhausträgern abgestimmt. Ein Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom März gibt ihnen zumindest teilweise recht: Die Beteiligung der Gebietskörperschaften dürfe einer rechtsaufsichtlichen Prüfung unterzogen werden, heißt es dort.

Landrat fordert bürgernahe Gesundheitslösungen

Landrat Richard Sigel, ebenfalls ein Kritiker der Schließungen, sieht in der Entscheidung einen Schlag gegen alle Bemühungen um eine bürgernahe Versorgung. Sein Vorschlag, sogenannte „Gesundheitspunkte“ mit Telemedizin und Patientenlotsen zu schaffen, wurde von der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) abgelehnt – aus juristischen und finanziellen Gründen.

Dabei lag sogar eine Zusage privater Stiftungen für eine Anschubfinanzierung vor. Die Stadt Backnang geht nun einen Schritt weiter und hat gemeinsam mit anderen Kommunen Klage gegen die KVBW eingereicht.

Bundesweite Reform gefährdet lokale Notfallversorgung

In Berlin wird bereits an einer bundesweiten Reform gearbeitet, doch bis dahin, so der Tenor aus dem Rems-Murr-Kreis, drohe die Versorgung vor Ort zu kippen. Die Bürgermeister fordern Minister Lucha daher auf, seiner Aufsichtspflicht nachzukommen, die Akten der KVBW offenzulegen – und die Reform bis zur rechtlichen Klärung zu stoppen.

Ob dieser Appell gehört wird, ist offen. Doch in Backnang und vielen anderen Städten wächst die Überzeugung: Gesundheit darf keine Lücke haben.