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Opfer des Brandanschlags in Winterbach erkennen die Stimme einer jungen Frau wieder.

Stuttgart/Winterbach - „Ich habe diese Stimme erkannt – definitiv“, sagt einer der jungen Männer, die in der Nacht auf den 10. April 2011 fast in einer Gartenhütte auf dem Engelberg in Winterbach (Rems-Murr-Kreis) verbrannt wären. Zwei weitere junge Männer, die ebenfalls als Nebenkläger beim Prozess gegen zwei rechtsextreme Männer auftreten, schließen sich an. Auch sie sagen, sie hätten die Stimme erkannt.

Bei der Stimme handelt es sich um das Organ einer jungen Frau, die kurze Zeit zuvor in den Zeugenstand vor die 3. Strafkammer des Landgerichts Stuttgarts getreten war und die als eine zentrale Figur in dem Prozess um den fünffachen Mordversuch von Neonazis an Migranten gilt. Diese Stimme, so sagen die jungen Männer türkischer und italienischer Herkunft, hätten sie vor der Hütte gehört, ehe sie angezündet worden sei. „Die Stimme war sehr dominant. Das war sie, ganz sicher“, so einer der Zeugen.

Schlagen ja, angezündet nein

Es scheint Bewegung in den zähen Prozess gegen zwei 21 und 22 Jahre alten Männer zu kommen. Die Neonazis haben zwar zugegeben, in jener Nacht in der Gartenanlage Jagd auf Ausländer gemacht zu haben. Sie haben gestanden, dass sie Ausländer schlagen wollten. Sie haben auch eingeräumt, vor der brennenden Hütte gewesen zu sein. Da hätte sie aber schon gebrannt. Mit der Brandlegung hätten sie nichts zu tun, so die zwei jungen Angeklagten.

Die 24-jährige Zeugin aus Schorndorf, die in jener Nacht im April 2011 mit ihren Nazi-Freunden ihren Geburtstag in dem Garten gefeiert hatte, soll angeblich wissen, wer die Hütte der Migranten in Brand gesteckt hat. Im laufenden Verfahren ist sie keine Beschuldigte mehr. Trotzdem darf die Einzelhandelskauffrau die Aussage verweigern.

Auch der Vater der jungen Frau macht keine gute Figur

Denn sie steht unter dem Verdacht der Falschaussage und der Strafvereitelung, sie muss sich nicht selbst belasten. Es wird vermutet, dass die Frau mit Hang zur rechten Szene jemanden deckt. Sie verweigert tatsächlich die Aussage, hat aber so viel gesagt, dass die Nebenkläger ihre Stimme im Gerichtssaal hören und mutmaßlich erkennen konnten. Wie Staatsanwalt Rüdiger Fuchs damit umgeht, wird sich weisen.

Der Vater der jungen Frau gibt im Zeugenstand auch nicht gerade eine souveräne Figur ab. Der Handwerksmeister, in dessen Haus einige Gäste der Nazi-Party nach dem Brandanschlag übernachtet hatten, wusste bei der Polizei am 19. April 2011 viele Details zu berichten. Eine Freundin seiner Tochter habe ihm erzählt, die Ausländer hätten sich in ihrer Hütte verkrochen als das Neonazi-Rollkommando auftauchte. „Die haben Angst gehabt, dass sie den Frack voll kriegen“, so der Mann bei der Polizei. „Kommt raus, sonst zünden wir die Hütte an“, habe jemand gesagt. „Ihr traut euch nicht“, hätten die Migranten aus dem Schuppen heraus geantwortet. „Und dann brannte die Hütte.“

Eine der jungen Frauen weiß, wer die Hütte angezündet hat

Einen Tag später tauchte der 53-Jährige erneut bei der Polizei auf – um seine Aussage zurückzuziehen. Warum? „Weil meine Tochter vielleicht angeklagt wird“, sagt er jetzt vor Gericht. Und plötzlich kann er sich nicht mehr an viel erinnern. Der Vorsitzende Richter macht ihm klar, dass entweder die Freundin oder seine Tochter wissen müssten, was damals gelaufen sei. Sprich, eine der jungen Frauen weiß, wer die Hütte angezündet hat.

Die Richter werden in den nächsten Tagen darüber entscheiden, ob sie die zwei Angeklagten auf Antrag der Verteidigung auf freien Fuß setzen. Ihnen sei niemals ein versuchter Mord nachzuweisen, so die Verteidigung. Der Staatsanwalt tritt dem entgegen. Nach der neuen Aussage des kürzlich im Gerichtssaal festgenommenen Zeugen spreche viel dafür, dass die Angeklagten vor der brennenden Hütte und in größerem Maße an der Tat beteiligt gewesen seien. Es bestehe Fluchtgefahr, weil sie eine nicht mehr bewährungsfähige Strafe zu erwarten hätten. Der Prozess wird am Montag fortgesetzt.