Ein Gasofen hat die Brandkatastrophe mit 14 Toten in einer Behindertenwerkstatt in Titisee-Neustadt verursacht. Es sei unkontrolliert Gas ausgetreten und verpufft, teilte Staatsanwalt Peter Häberle mit. Foto: dpa

Ein Gasofen hat die Katastrophe mit 14 Toten in einer Behindertenwerkstatt in Titisee-Neustadt verursacht. Es sei unkontrolliert Gas ausgetreten und verpufft, teilte Staatsanwalt Peter Häberle mit.

Titisee-Neustadt/Stuttgart - Ein Gasaustritt mit folgender Explosion hat die Brandkatastrophe in einer Behindertenwerkstatt in Titisee-Neustadt im Schwarzwald verursacht. Warum sich das Gas entzündete, sei noch unklar, teilte Staatsanwalt Peter Häberle am Dienstag in Titisee-Neustadt mit.

Bei dem Unglück in der Caritas-Einrichtung waren am Montag 14 Menschen ums Leben gekommen, 13 Behinderte und eine Betreuerin. Papst Benedikt XVI. gedachte der Opfer und sprach den Angehörigen Trost zu. Indes wurde der Ruf nach Sprinkleranlagen in allen Behinderteneinrichtungen laut. Die Caritas will ihre Notfallpläne überprüfen.

Die Gasflasche gehörte zu einem Gasofen, der in der Werkstatt aufgestellt war. „Es kam zu einer schlagartigen Ausbreitung von Feuer und Rauch“, sagte ein Sprecher der Feuerwehr. Die Menschen in dem Raum hatten nach Darstellung der Experten kaum eine Chance, dem Inferno zu entkommen. Alle seien sofort tot gewesen.

"Der vorbeugende Brandschutz war absolut ordnungsgemäß"

Der Brandschutz in der Behindertenwerkstatt im Schwarzwald war aus Sicht der Behörden völlig ausreichend. „Der vorbeugende Brandschutz war absolut ordnungsgemäß“, sagte Regierungspräsidentin Bärbel Schäfer. Der Einsatz der Rettungskräfte sei „vorbildlich gelaufen.“

Von den 97 Menschen, die sich aus dem Gebäude retten konnten, schafften dies nach Darstellung der Behörden 86 aus eigener Kraft. Nur elf Menschen mussten von der Feuerwehr aus dem Gebäude geleitet werden. Dies spreche für das Funktionieren des Rettungskonzepts über eine Rampe für Rollstuhlfahrer und eine Stahltreppe, sagte Schäfer.

Zehn Frauen und drei Männer mit Handicaps erstickten an giftigem Rauch oder verbrannten. Die behinderten Frauen waren im Alter von 28 bis 68 Jahren, die Männer zwischen 45 und 68 Jahren. Die getötete Betreuerin war 50 Jahre alt. Neun Menschen wurden schwer verletzt.

Benedikt XVI. gedachte der Opfer und versicherte den Hinterbliebenen in einem Brief an den Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch seine tief empfundene Anteilnahme. Kirchen und die Gemeinde Titisee-Neustadt planen für kommenden Samstag eine ökumenische Trauerfeier. Bundesweit herrschte in vielen Behinderteneinrichtungen Mitgefühl. Zugleich wurden vielerorts der Brandschutz und die Fluchtwege überprüft.

Das Feuer war am frühen Montagnachmittag in einer Werkstatt für geistig und mehrfach Behinderte ausgebrochen. Für die über 100 Behinderten und Betreuer war die von der Caritas getragene Einrichtung zur Falle geworden.

Baden-Württembergs Innenminister Reinhold Gall (SPD) warnte vor übereilten Bewertungen. Die Werkstatt habe zwar keine Sprinkleranlagen gehabt. „Diese waren aber auch nicht vorgeschrieben.“

Die Deutsche Hospiz Stiftung hatte verlangt, dass soziale Einrichtungen innerhalb der nächsten vier Jahre mit Sprinkleranlagen ausgerüstet werden müssten. „Was für die deutschen Flughäfen gilt, muss gerade für Einrichtungen der Pflege- und Behindertenfürsorge gelten“, sagte Stiftungsvorstand Eugen Brysch der „Neuen Osnabrücker Zeitung“.

Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) kündigte an, am Samstag werde das ganze Land trauerbeflaggt. Er und Gall waren am Montag zum Unglücksort geeilt. „Ich habe in meiner Erinnerung keine Einsatzstelle erlebt, bei der ich ein so hohes Maß an Entsetzen, an Verzweiflung, an Hilflosigkeit, an tiefer Traurigkeit erlebt habe“, sagte der Innenminister.

"Von den formalen Voraussetzungen denke ich, war da alles gegeben"

Die Behörden haben mittlerweile in etwa rekonstruiert, was nach Ausbruch des Brandes geschehen ist: Innerhalb kürzester Zeit breitete sich in dem dreistöckigen Gebäude lebensgefährlicher Rauch aus, der den Menschen drinnen den Atem nahm. Fluchtwege waren abgeschnitten, schließlich brach Panik aus. Viele Behinderte, die nur eingeschränkt laufen können oder im Rollstuhl sitzen, waren orientierungslos. Sie standen am Fenster und riefen um Hilfe.

Die Behindertenwerkstatt wird längere Zeit geschlossen bleiben. Die Schäden seien immens, sagte ein Sprecher der Caritas. Zwei Stockwerke des Gebäudes seien durch Feuer und Rauch nahezu komplett zerstört. Die Einrichtung solle hergerichtet und wieder eröffnet werden. Die Behinderten würden so lange in anderen Einrichtungen untergebracht.

Caritas-Präsident Peter Neher will nun die Notfallpläne auf den Prüfstand stellen. In den Behindertenwerkstätten gebe es aber Pläne für den Notfall, die in regelmäßigen Abständen geübt würden, sagte Neher im ZDF. „Von den formalen Voraussetzungen denke ich, war da alles gegeben.“

Die Kirchen und die Gemeinde planen eine Trauerfeier. „Es gibt ein großes Bedürfnis der Hinterbliebenen und der Bürger, gemeinsam Abschied zu nehmen“, sagte Bürgermeister Armin Hinterseh. Auch die Rettungskräfte hätten diesen Wunsch geäußert.

Es waren 31 Notfallseelsorger des Deutschen Roten Kreuzes im Einsatz. 60 Menschen wurden psychologisch betreut, sagte DRK-Einsatzleiter Wolfgang Schäfer-Mai. In den ersten Stunden nach einem traumatischen Erlebnis gehe es vor allem ums Zuhören und Mitfühlen: „Das sind Erste-Hilfe-Maßnahmen für die Seele.“