Vom Parlamentsgebäude ist nicht mehr viel übrig. Die Sanierungskosten werden auf 55 Millionen Euro geschätzt. Foto: dpa/Bruce Sutherland

Von der fast 150 Jahre alten Abgeordnetenkammer in Kapstadt ist nicht mehr viel übrig. Die Spekulationen zum Auslöser des Feuers legen vor allem den Schluss nah, dass Südafrika von allen guten Geistern vollends verlassen zu sein scheint.

Kapstadt - Am Sonntagmorgen um 6 Uhr früh wurden die leiblichen Überreste Desmond Tutus in einer Urne im Boden der Kapstädter St. George’s Kathedrale versenkt. Nicht einmal hundert Meter entfernt ging zur selben Zeit das Kapstädter Parlamentsgebäude in Flammen auf – zwei Ereignisse, die höchstens in den Hirnen von Verschwörungsfanatikern in Verbindung gebracht werden können. Oder in dem Umstand, dass Südafrika von allen guten Geistern vollends verlassen zu sein scheint.

Tutus Beisetzung war in weniger als einer halben Stunde beendet, während das Parlament zwei Tage lang brannte. Am Dienstag war von der fast 150-jährigen Abgeordnetenkammer nicht mehr viel übrig: Das Dach eingestürzt, das Gestühl ruiniert, die Büros im vierten und fünften Stock bis auf die Mauern abgebrannt. „Eine nationale Katastrophe“, klagt Staatspräsident Cyril Ramaphosa. Fachleute rechnen mit einem Schaden von einer Milliarde Rand (rund 55 Millionen Euro) und vielen Monaten, wenn nicht gar Jahren an Renovierungszeit. „Wie konnte das passieren?“, wird in Südafrika gefragt: Wo das Gebäude als „nationaler Schlüssel-Punkt“ doch wie ein Augapfel gehütet wird – oder zumindest werden sollte.

Die Feuerwehr war nach sechs Minuten vor Ort

An der Feuerwehr lag es nicht. Anders als in Johannesburg, wo Flammenbekämpfer froh sein können, wenn ihr Leiterwagen anspringt und über genügend Diesel verfügt, war Kapstadts Feuerbrigade sechs Minuten nach ihrer Alarmierung vor Ort. Allerdings waren sie nicht vom automatischen Feuermeldesystem im Parlament, sondern vom Anruf eines Bürgers aufgeschreckt worden, der Rauch gesehen hatte. Der Feueralarm sprang erst 20 Minuten nach ihrer Ankunft an, auch die Sprinkleranlage habe nicht funktioniert, sagt eine Ministerin: Jemand habe den Hahn zugedreht. Also: Sabotage!

Tatsächlich wird alsbald ein 49-jähriger Mann festgenommen, der sich die ganze Nacht über im Parlament aufgehalten haben soll: Das zeigten die Bilder der Überwachungskameras, die nicht – wie ursprünglich behauptet – ausgeschaltet waren. Sie wurden lediglich von keinem beobachtet, weil die Verwaltung das dafür nötige Personal aus Kostengründen in die Ferien geschickt hatte. Parlamentssprecherin Nosiviwe Mapisa-Nqakula, die ob der Katastrophe unter starken Beschuss kommt, schießt zurück: Es handele sich um einen „völlig unverantwortlichen Vorwurf“ der Personal-Gewerkschaft, die ihrerseits damit gedroht hatte, die für Anfang Februar geplante Parlamentseröffnung zu stören. Für die Sprecherin steht fest, dass der Großbrand kein Unfall gewesen sein kann: „Es war ein Angriff auf unsere Demokratie.“

Ein Verhafteter taugt nicht als Staatsfeind

Der Verhaftete, der am Dienstag dem Untersuchungsrichter vorgeführt wurde, stellt sich allerdings als ungeeigneter Staatsfeind heraus. Zandile Christmas Mafe ist offenbar ein Obdachloser, der sich durch ein Fenster im Hinterhof Zugang zum Parlament verschaffte: Womöglich wollte er nur eine Nacht auf den weichen Teppichböden des nationalen Schlüsselpunkts verbringen. Kapstadts Sicherheitschef Jean-Pierre Smith geht eher von einem Unfall, einem elektrischen Kurzschluss, aus: Ein solcher hatte bereits im März dieses Jahres einen Brand im selben Teil des Gebäudes ausgelöst. Fachleute legten damals einen Katalog zur Verbesserung der Sicherheit des Parlaments vor: Doch dessen „Umsetzung“ müsse erst noch „voll umgesetzt“ werden, räumt Sprecherin Mapisa-Nqakula ein.

Unterdessen entbrennt ein Streit darüber, ob der Brand überhaupt beklagenswert ist. Was auch immer seine Ursache sei, „das Feuer sieht wunderschön aus“, frohlockt der Sprecher der Economic Freedom Fighters, Mbuyiseni Ndlozi, auf Twitter: Die kämpferischen Parlamentarier haben das „Symbol des Kolonialismus“ schon immer gehasst. Sie wollen, dass die Volksvertretung endlich zur Regierung nach Pretoria umzieht. Haben die gewöhnlich in rot gekleideten Feuerköpfe etwa gezündelt?

Parlamentssprecherin Mapisa-Nqakula bleibt jedenfalls dabei: „Hier sind dunkle Mächte am Werk.“ Als Täter kommen auch die Freunde Jacob Zumas in Frage, die das Land schon vor einem halben Jahr in Flammen aufgehen ließen. Jüngst wurde der Ex-Präsident von einem Gericht zum Absitzen seiner Reststrafe verdonnert – auch sie haben ihr Motiv. Über Twitter wird sogar die These verbreitet, Präsident Ramaphosa stehe hinter dem Anschlag: Auf diese Weise könne er Maßnahmen ergreifen, die ihm die Verfassung ansonsten verbiete. Nicht einmal aus der Geschichte können die Südafrikaner Klarheit gewinnen: Die Ursache des Reichstagsbrands, der Deutschland vor fast 90 Jahren in seine finsterste Epoche versetzte, ist noch heute umstritten.