Bei Benzin am Brandort piepst der Photoionisationsdetektor des Beamten. Foto: Polizei

Die Brandexperten der Polizei arbeiten auf Hochtouren an der Ursachenklärung für die Feuerkatastrophe von Backnang. Dennoch dürften Ergebnisse eventuell gar erst in Wochen vorliegen. Alle eingesammelten verdächtigen Materialien werden derzeit in Stuttgart im Landeskriminalamt ausgewertet.

Backnang - Der erste Versuch musste umgehend abgebrochen werden. Kaum hatten die Brandermittler nach den Löscharbeiten die Wohnung betreten, folgte der Rückzug, weil Glutnester wieder aufgeflackert waren. Die insgesamt sieben Spurensicherer der Waiblinger Polizeidirektion inspizierten in den vergangenen Tagen permanent jene Wohnung, in der am Wochenende eine türkischstämmige Mutter und sieben ihrer zehn Kinder ums Leben gekommen waren.

 

Zum Trupp gehört Bernd Epple. Er ist nicht nur für Brände, sondern auch für die Spurensicherung bei anderen Kapitalverbrechen zuständig – so etwa beim Mord an einem italienischen Fußballer vor sechs Jahren auf einem Parkplatz an der B 29 im Remstal bei Winterbach. Zum aktuellen Backnanger Fall sagt er trotz seiner langen Erfahrung: „Es ist immer wieder beeindruckend, wie sehr ein Feuer alles zerstören kann.“ Überall Rauch und Ruß, das viele Löschwasser, die von der Feuerwehr stundenlang bearbeitete Wohnung, die abgeschlagenen Decken, dazu noch die bei derartigen Ereignissen angelockten Hunderten von Schaulustigen. „Am Tatort sieht es immer katastrophal aus“, so der Kriminalhauptkommissar. „Alles ist ölig, schmierig, verraucht, zugeschüttet – es ist beklemmend dunkel, es herrscht eine Rabenschwärze.“ Erst, wenn der Brandort erkaltet ist, könne man loslegen. „Wir sind frühzeitig rein“, sagt Eppler. Doch die ersten Fotos, die die Spurensucher vor Ort gemacht hatten, seien alle unscharf gewesen, weil die Kameras so beschlagen waren.

Auf dem Boden der Wohnung lag der Bauschutt 20 Zentimeter hoch. „Eine Kollegin hat stundenlang mit dem Schäufelchen Zentimeter für Zentimeter abgetragen, genau inspiziert und auf die große Schaufel gelegt, die ich immer in gebückter Haltung in den Händen hatte“, sagt der 43-Jährige. Dies gehe so lange, bis man auf dem blanken Boden sei. Am Ende verlassen die Ermittler die Wohnung quasi besenrein. „Doch man kann durch diese Arbeit das meiste über den Brandort herauslesen, und ich weiß zumeist, wo ist die primäre Quelle des Brandes.“

Brand vermutlich ein Unglück

Zur Backnanger Spurenlage gibt sich die Polizei zwar angesichts des laufenden Verfahrens zurückhaltend. Dennoch: Ein technischer Defekt, wie er von den Angehörigen der Todesopfer vermutet wird, ließe sich mit hoher Wahrscheinlichkeit nachvollziehen. Der Waiblinger Kripochef Thomas Schöllhammer sagt: „Wenn in der Backnanger Wohnung etwas an der Elektrik der Auslöser gewesen sein sollte, würde es höchstwahrscheinlich herauskommen.“

In ihrer Arbeit gehen die Spezialisten nach dem sogenannten Eliminationsverfahren vor. Dabei werden alle möglichen Ursachen geprüft und die nicht infrage kommenden Varianten aussortiert. Also etwa offene Flammen, Funkenflug, glimmende Tabakreste, Explosionen, Elektrizität, selbst gebastelte Feuerwerkskörper, Blitzschlag. Als Indikatoren für Brandstiftung gelten brennbare Materialien am falschen Ort, zwei Brandherde, künstliche Feuerbrücken, Brandserien in der Nähe, der Verdacht auf Brandlegung zur Verdeckung einer Straftat oder ungeklärte Schließverhältnisse. Dabei geht es etwa um geöffnete oder verschlossene Eingänge. In Backnang, so Schöllhammer, war die Tür abgeschlossen. „Das bedeutet, dass der Brand vermutlich in der Wohnung ausgebrochen ist.“

Dass es sich bei dem tödlichen Brand in Backnang um ein Unglück handelt, davon gehen mittlerweile auch türkische Fachleute aus. Vier vom türkischen Innenministerium nach Deutschland geschickte Experten hätten festgestellt, dass es keine Hinweise auf Brandstiftung oder einen Anschlag von Neonazis gebe, berichtete die türkische Tageszeitung „Hürriyet“ am Freitag. Die Delegation sei wie die deutschen Ermittler der Auffassung, dass ein technischer Defekt als Ursache wahrscheinlich sei.

„Falls es Brandbeschleuniger gibt, finden die Hunde diese meist sehr sicher“

Ebenfalls in Backnang aktiv waren die zwei Brandmittelschutzhunde der Waiblinger Polizeidirektion, die bei der Schorndorfer Hundestaffel untergebracht sind. „Falls es Brandbeschleuniger gibt, finden die Hunde diese meist sehr sicher“, sagt Schöllhammer. „Ein genialeres Einsatzmittel als einen Hund gibt es nicht“, erklärt Epple. Wenn der Hund etwa Benzin aufgespürt hat, legt er sich sofort ab, so dass der dortige Brandschutt besonders unter die Lupe genommen werden kann. Bis vor einigen Jahren hatten die Hunde noch einen Lederschutz an den Pfoten. „Doch die Tiere sind intelligent, ein Hund tritt in keine Scherbe“, sagt Ernst Rücker, stellvertretender Leiter des kriminaltechnischen Instituts des Landeskriminalamts, der mit zwei Kollegen ebenfalls in Backnanger Fall engagiert ist.

Weiteres Hilfsmittel ist der Photoionisationsdetektor (PID). Das Gerät piepst, wenn es in die Nähe eines Brandbeschleunigers gehalten wird. Doch es wird eher in der Detailarbeit genutzt, an die schnüffelnden Fähigkeiten eines Hundes kommt es kaum heran. „Wenn sie auf einem Fußballfeld zwei Tropfen Benzin verteilen, spürt dies der Hund in 10 bis 15 Minuten auf“, sagt Rücker. „Mit dem PID bräuchte der Beamte drei Tage, aber bis dahin ist das Benzin verdunstet.“