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Strahlenschützer sieht derzeit keine atomare Bedrohung durch Waldbrände.

Stuttgart/Luxemburg - Die schwersten Waldbrände der russischen Geschichte haben radioaktiv verseuchte Gebiete des Landes erreicht. Für Westeuropa sind Strahlengiftwolken allerdings keine Gefahr, sagt der Luxemburger Strahlenschützer Patrick Majerus.

Herr Majerus, müssen wir uns Sorgen machen, dass aus dem Gebiet rund um Tschernobyl Radioaktivität zu uns gelangt, die durch die Wald- und Torfbrände freigesetzt wird?

Es ist sehr unwahrscheinlich, dass Radioaktivität aus Russland nach Westeuropa kommt - außer vielleicht Spurenelemente davon, die man nur durch ganz genaue Messungen nachweisen kann. Aber eine Gesundheitsgefahr geht davon nicht aus.

Sie können also Entwarnung geben.

Prinzipiell schon. Aber es kann auch sein, dass sich die Lage in Russland durch die andauernden Brände dramatisiert, ein Risiko null gibt es nicht. So wie sich die Situation zurzeit entwickelt, sind wir aber zuversichtlich, dass es keine Gefahr gibt. Wir beobachten die Lage aber sehr genau.

Von welchen radioaktiven Stoffen reden Sie?

Es handelt sich um Cäsium-137 und vielleicht noch Strontium-90. Gewiss sind große Gebiete in der Gegend um Tschernobyl radioaktiv verseucht, aber es ist unwahrscheinlich, dass das ganze Cäsium dort, wo die Brände lodern, aufgewirbelt wird und in die Luft gelangt. Wir gehen davon aus, dass sich ein kleiner Teil regional umverteilt - vielleicht in einem Umkreis von 50 bis 100 Kilometern. Wenn Menschen die in der Luft befindlichen radioaktiven Partikel einatmen, kann dies schädliche Auswirkungen haben. Die kurzlebigen radioaktiven Stoffe, die durch das Tschernobyl-Unglück freigesetzt wurden, sind heute nicht mehr vorhanden.

Kann das Feuer die Radioaktivität vermindern?

Nein, das chemische Element kann sich zwar umwandeln, zum Beispiel durch eine Oxidation - es entsteht dann einen neue Verbindung, das Element als solches bleibt aber radioaktiv. Abgebaut wird es nur durch den normalen Zerfall. Cäsium zum Beispiel hat eine Halbwertszeit von 30 Jahren.

Auch die russische Atomanlage Majak ist durch die Brände gefährdet.

Da scheint es so zu sein, dass die Brände zum Glück noch weit von der Anlage entfernt sind - 80 Kilometer. Es gibt aber eine Warnung um Majak herum: Der Bevölkerung ist es verboten, die Wälder zu betreten, um nicht neue Brände auszulösen.

Gibt es bei uns durch Tschernobyl noch eine radioaktive Belastung der Böden?

Ja, die ist in Deutschland nach wie vor feststellbar, und sie rührt auch von den Atomwaffentests aus den 50er und 60er Jahren her.

Ist die Belastung besorgniserregend?

Nein. Das Cäsium, das sich bei uns so etwa zehn Zentimeter unterhalb der Erdoberfläche befindet, wird von bestimmten Pflanzen und Tiere aufgenommen, etwa von Pilzen oder Wildschweinen. Die Konzentration von Cäsium in Wildschweinfleisch ist aber gesundheitlich absolut unbedenklich.