Felix Sturm (44) trifft in der Stuttgarter Porsche-Arena auf Sükrü Altay (38) und den einen oder anderen Zweifler. Wird im Ring die Frage beantwortet, wie stark der Ex-Weltmeister wirklich noch ist?
Im Boxen ist noch nie ein Kampf durch Worte entschieden worden. Und doch gehören Sprüche und großspurige Ansagen zu dem Sport wie Kopftreffer und Leberhaken. Felix Sturm, der frühere Weltmeister, war auch immer ein Champion darin, sich zu verkaufen. Mittlerweile überlässt er diesen Job hin und wieder anderen, zum Beispiel seinem Trainer. „Ich sehe seine Reflexe und sein Tempo. Was Felix körperlich leistet, ist unglaublich“, sagt Maurice Weber vor dem Auftritt seines Athleten an diesem Samstag (22.15 Uhr) in der Stuttgarter Porsche-Arena, „er ist ein genetisches Wunder.“ Die Wahrheit? Wird im Ring offengelegt.
Fakt ist, dass Sturm vor Kurzem 44 Jahre alt wurde und seine besten Zeiten, in denen er fünf WM-Gürtel im Mittel- und Supermittelgewicht (bis 72,5 und bis 76,2 Kilogramm) gewann, hinter sich hat. Was aber nichts darüber aussagt, wie fit er noch ist. Er selbst fühlt sich so stark, dass er sich mit Fußballgrößen wie Lionel Messi, Cristiano Ronaldo oder Zlatan Ibrahimovic vergleicht, die auch am Ende ihrer Karriere „noch in ihrer eigenen Liga spielen“. Er sei, sagt er, getrieben von „Ehrgeiz, Enthusiasmus und Energie“, weshalb er das Ziel habe, noch einmal Weltmeister zu werden: „Ich gehöre zu den besten Boxern Deutschlands und zu den wenigen, die internationales Spitzenformat besitzen.“ Was nicht jeder so sieht.
Braucht Felix Sturm seinen eigenen Gürtel?
Conny Mittermeier war nicht ganz unbeteiligt an der letzten schmerzhaften Niederlage von Felix Sturm im März 2022 gegen Istvan Szili – der Ungar wird betreut von der Trainerlegende aus Stuttgart. „Ich würde Felix raten, die Handschuhe an den Nagel zu hängen. Er hat keinen Motor mehr, der hochtourig genug laufen kann“, sagt Conny Mittermeier, „natürlich ist es möglich, auch mit 44 Jahren in seinem Sport noch gut zu sein, aber Felix hat keine Perspektive – außer man kreiert für ihn einen eigenen Gürtel.“
Das wird nicht passieren. Und doch wäre es keine Überraschung, wenn Sturm in Stuttgart erneut einen guten Abend erlebt. Hier hat er noch nie verloren, dafür vier seiner fünf Kämpfe gewonnen. Nun trifft er ein paar Stunden nach dem Spiel seines Lieblingsvereins 1. FC Köln beim VfB auf einen Mann, den er schlagen muss. Sükrü Altay (38) aus Kempten ist erst seit sechs Jahren Profi und im Halbschwergewicht (bis 79,3 Kilogramm), in dem das Duell stattfindet, die Nummer 284 der Weltrangliste. „Was bringt so ein Kampf?“, fragt Mittermeier. Sturm könnte antworten: einen fast sicheren Sieg und womöglich noch einmal die Chance auf einen großen Zahltag. Oder doch den Abschied?
Der Abschied fällt nicht leicht
So ließe sich jedenfalls der Satz deuten, den Trainer Maurice Weber geäußert hat: „Felix Sturm wird mit einem Sieg aufhören.“ Der Boxer mit der ruhmreichen sportlichen Vergangenheit hat sich ebenfalls bereits intensive Gedanken über seine Zukunft gemacht – und eingeräumt, dass es alles andere als einfach ist, von einer Bühne abzutreten, die einem enorm viel gegeben hat. „Nach drei Jahrzehnten in diesem Sport ist es schwer zu sagen: Das war es jetzt“, erklärt Sturm, „keine Wettkämpfe, kein Adrenalin und kein Nervenkitzel mehr, damit muss man sich erst mal abfinden.“ Zumal auch die Kämpfe außerhalb des Ringes an die Substanz gehen können.
Felix Sturm saß neun Monate im Untersuchungshaft, ehe er im April 2020 wegen Steuerhinterziehung und Körperverletzung (weil er vier Jahre zuvor im WM-Fight gegen den Russen Fjodor Tschudinow mit dem Dopingmittel Stanozolol erwischt worden war) zu drei Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Im Dezember 2021 ist die Strafe dann auf zwei Jahre und vier Monate reduziert worden. Vollstreckt wurde sie noch nicht, weil Sturm und seine Anwälte in Revision gingen. „Ich bin kein Schwerverbrecher“, sagt er, „aber irgendwann werde ich einen Ladungstermin bekommen. Ich muss und ich werde für das, was ich getan habe, geradestehen.“
Felix Sturm: „Das beste Alter zum Boxen“
Es ist kein schlechtes Lebensmotto für einen Boxer. Felix Sturm, der früher Adnan Catic hieß, hat sich nach oben gekämpft, und noch verfügt er über den Willen, sich weiterhin durchzuschlagen. Doch ob Kraft und Schnelligkeit für große Taten noch reichen, ist offen. An markigen Worten fehlt es trotzdem nicht. „Ich bin jetzt 44, das ist mit Abstand das beste Alter zum Boxen“, sagt Felix Sturm, „sechs WM-Titel sind besser als fünf. Ich nehme den Kampf an.“