Mike Tyson (54) trifft an diesem Wochenende in Los Angeles auf Roy Jones jr. (51). Die Amerikaner freuen sich vor allem auf die Rückkehr des Mannes, der Evander Holyfield 1997 ein Stück vom Ohr abgebissen hat und im Leben tief gesunken ist.
Stuttgart - So sollte Iron Mike Tyson in der Nacht zum Sonntag nicht in den Ring steigen. Vor dem Comeback-Kampf gegen Roy Jones jr. präsentierte sich die Box-Ikone von einst in einem Fernsehinterview extrem derangiert und müde. Immer wieder fiel ihm fast der Kopf auf den Tisch. Und wenn er etwas sagte, klang das, als sei er gerade aus dem Bett gefallen oder direkt von einer Party gekommen. Irgendetwas nuschelte Tyson da vor sich hin. In diesem Zustand muss Roy Jones jr. ihn nur einmal halbherzig treffen, dann fliegt Tyson um wie ein gefällter Baum.
Ohnehin stellt sich die Frage, was Mike Tyson im Alter von 54 Jahren noch im Boxring zu suchen hat – das Gleiche gilt übrigens für seinen Gegner Jones, der immerhin auch schon 51 Jahre alt ist. Die Experten sind zweigeteilt im Hinblick auf die Wertigkeit dieses Ü-50-Kampfes ohne Zuschauer im ehrwürdigen Staples Center von Los Angeles. Die einen sprechen von einem Showkampf, andere erhoffen sich niveautechnisch einen wahren Leckerbissen. „Es wird heiß in der Küche“, sagte Tyson in einem ausgeschlafeneren Zustand und kündigte an, seinen Gegner ordentlich versohlen zu wollen. „Ich denke, Roy kann damit umgehen, dass er ein bisschen verprügelt wird“, fügte Tyson in seiner ihm eigenen großspurigen Art noch hinzu. Er hält sich auch noch im fortgeschrittenen Alter für den Größten.
Reiner Show-Act?
„Einen sportlichen Wert gibt es da nicht für mich“, sagt derweil der deutsche Ex-Boxer Axel Schulz, der das Duell als reinen Show-Act einstuft. Henry Maske ist da anderer Meinung. „Das ist wie viele andere Dinge eben keine Spielerei, das ist eine professionelle Sache, die irgendwann im Wettkampf mündet“, meinte der Ex-Weltmeister und ehemalige Gentleman-Boxer. Dass die Rundenzeit mit Rücksicht auf die beiden älteren Herren im Ring von drei auf die im Frauenboxen üblichen zwei Minuten gesenkt wurde, nahmen Kritiker zum Anlass, den Faustkampf als Frauenboxen zu bezeichnen (es sollte sich mal jemand getrauen, das Mike Tyson auch genauso ins Gesicht zu sagen). Maske jedoch winkt ab bei dem Vergleich: „Hier geht es natürlich auch um Show, aber da werden nicht zwei Boxer im Röckchen stehen – und das ist nicht despektierlich gemeint.“
Warum kehrt Tyson zurück? Wegen seines aufwendigen Lebensstils benötige er Geld, er sei wohl so gut wie pleite, flüstern sie sich in den USA kichernd zu. Nun, man weiß es nicht. Dafür aber kann ein durchaus positives Urteil gefällt werden im Hinblick auf seine körperliche Verfassung. Er habe 30 Kilogramm abgespeckt, sagt er. Vor zehn Jahren kam der Amerikaner, der sich immer irgendwo zwischen Genie und Wahnsinn bewegte, noch gezeichnet vom süßen Leben ziemlich aufgeblasen und unbeweglich daher. Nun präsentiert er sich erstaunlich fit. Das ist es auch, was die Fans des Kampfes auf ein hochklassiges Duell hoffen lässt. Tyson, der Evander Holyfield 1997 wie im Wahn ein Stück vom Ohr abgebissen hatte, wird ganz sicher auf seine alte Stärke pochen: den Punch. Er wird versuchen, Jones mit seinem Hammer aus den Puschen zu hauen.
Kein Fallobst
Roy Jones jr. ist allerdings kein Fallobst-Boxer und ganz bestimmt kein No-Name-Mann. Er wurde in verschiedenen Gewichtsklassen Weltmeister, insgesamt fünfmal, und gilt als ausgezeichneter Techniker. Das Duell zwischen Feingeist und Schlägertyp in der Nacht zum Sonntag (2.30 Uhr) könnte so zu einem unterhaltsamen Boxabend werden.
Im Mittelpunkt steht dennoch ganz eindeutig die Rückkehr von Tyson. Er ist es, der die Massen elektrisiert, keinen Bad Boy bewundern die Amerikaner so sehr wie Iron Mike. Sie träumen schon von unfassbaren Einschaltquoten und den besten Pay-Per-View-Bestwerten der vergangenen Jahre. Beiden Boxern soll eine Börse von 10 Millionen US-Dollar (umgerechnet 8,4 Millionen Euro) garantiert worden sein. Mike Tyson will seine Einnahmen an Drogensüchtige und Obdachlose spenden – „weil ich selbst obdachlos und drogensüchtig war“, wie er sagt. Das ist ganz großes Kino! Auch wenn seine Kritiker bezweifeln, dass dort auch jeder Cent ankommt.