Der Boxer Michael Conlan zeigt auf deutliche Art, was er vom Urteil der Jury hält. Foto: Getty

Der Boxer Michael Conlan hat die Aiba-Funktionäre in Rio „betrügerische Bastarde“ genannt. Doch das Aus für den Weltmeister aus Irland war nicht das einzige Skandalurteil der Spiele. Selbst der Weltverband Aiba gesteht Fehlurteile ein.

Rio - Es hat nicht lange gedauert, da kam der fünfjährige Finn McManus aus der Deckung. Also diktierte er seiner neunjährigen Schwester Lily folgende Sätze in den blauen Füllfederhalter: „Ich habe deinen Kampf gesehen – du hättest gewinnen müssen“, ließ der junge Sportsfreund aus Swords in Irland an den Boxer Michael Conlan schreiben: „Ich möchte, dass du meine Schulmedaille bekommst, du bist ein Sieger.“ Den Brief des mitfühlenden Finn hat dann dessen Tante Marle Kirk auf Facebook veröffentlicht.

Seinen Adressaten, den im Viertelfinale des olympischen Boxturniers im Bantamgewicht (bis 56 Kilogramm) böse verschaukelten Michael Conlan aus Dublin, haben die Zeilen inzwischen erreicht. „Wer den Jungen kennt, soll ihm bitte sagen, dass ich ein Geschenk für ihn habe“, schrieb Conlan, der Welt- und Europameister, auf „Twitter.“

Längst hat der unerschrockene Conlan mit seinem beherzten Auftritt im und vor allem außerhalb des olympischen Seilgevierts aber nicht nur den Fan-Nachwuchs auf der Grünen Insel wach gerüttelt. „Hey Wlad, was haben sie Dir berechnet!“, schrieb Conlan nach seinem Aus im Viertelfinal-Duell gegen den Russen Wladimir Nikitin an die Adresse des Staatspräsidenten Wladimir Putin. Im Ring hatte der flinke Bantamgewichtler zuvor im Sven-Ottke-Stil, also mit überfallartigen Angriffen, schnellen Beinen und Meidbewegungen seinen Kontrahenten dominiert. Die Punktrichter allerdings hatten dem Russen die erste und dritte von drei Runden und so den Sieg zugesprochen.

Das Publikum auf den Tribünen des Riocentros buht

„Die Leute vom Weltverband sind betrügerische Bastarde. Das Amateurboxen stinkt von der Basis bis zur Spitze“, hatte der erregte Conlan daraufhin in seinem Interview mit dem irischen Fernsehen gewettert. Zuvor hatte der Boxer unmittelbar nach dem krassen Fehlurteil noch den Punktrichtern seine beiden ausgestreckten Mittelfinger präsentiert. Das Publikum wusste Conlan zu diesem Zeitpunkt längst hinter sich. Denn schon mehrfach hatte es im Pavillon sechs des Riocentros Buhrufe von den Tribünen gegeben. Etwa, als der Kasache Wassili Lewit im Finale des Schwergewichts der bessere Mann war. Den Sieg aber bekam der Russe Jewgeni Tischchenko zugesprochen.

Ein handfester Skandal, auf den später auch der internationale Amateurboxverband Aiba reagierte, vermutlich unter heftigem Druck des Internationalen Olympischen Komitees (IOC). So wurde der Aiba-Generalsekretär, der Algerier Karim Bouzidi, entmachtet und bis zum Ende der Spiele durch den Italiener Franco Falcinelli ersetzt. Überdies zog der Verband einige Punkt- und Ringrichter ab – und räumte Ungereimtheiten ein. „Weniger als eine Handvoll Entscheidungen“, seien zweifelhafter Natur gewesen, hieß es in der Erklärung der Aiba.

Neu sind die Korruptions-Probleme im olympischen Boxen aber nicht, das beim IOC längst auf der Liste der schwarzen Schafe unter den Sportarten steht. Auch eine Verbannung des Faustkampfes stand bereits zur Diskussion, wurde aber aufgrund der langen Tradition wieder verworfen. Bereits im Vorfeld der Spiele hatte das englische Blatt „The Guardian“ über gekaufte Punktrichter und verschobene Auslosungen berichtet.

1988 wird Roy Jones im Olympia-Ring verschaukelt

„Es sind die schlimmsten Spiele seit 1988, als Roy Jones beraubt wurde“, sagte der US-Trainer Billy Walsh dem „Guardian“. Damals hatte der spätere Superstar und Profi-Weltmeister in vier Gewichtsklassen im Schatten der fünf Ringe in Seoul gegen den Südkoreaner Si-Hun Park sein Finale durch später nachgewiesene Bestechung verloren.

„Ich werde nie mehr für die Aiba boxen“, sagt nun Michael Conlan, der dem durch die begrenzte Kampfzeit von 3 x 3 Minuten oft in eine Prügelei ausartenden olympischen Boxen den Rücken kehrt. Als starker Techniker hofft der Welt- und Europameister auf eine erfolgreiche Profikarriere. „Ich blicke in eine gute Zukunft“, sagt der 24-jährige Ire. Hoffentlich hat er seine Rechnung nicht wieder ohne das Kampfgericht gemacht.