Bowling ist seine Sportart: Der 18-jährige Marcel Kraft aus Fellbach gehört zu den besten Nachwuchsspielern in Deutschland. Foto: Michael Käfer

Der Fellbacher Marcel Kraft, 18, ist Mitglied des Junioren-Nationalkaders und spielt in der dritthöchsten Liga für den BC Waiblingen. Sportliches Vorbild für den Zwei-Meter-Mann ist ein Profi aus Alaska.

Fellbach - Ölbilder, so könnte man meinen, sind zuvorderst eine Angelegenheit für kunstinteressierte Menschen. Doch auch für Sportler sind sie in höchstem Maße interessant, wenn es sich um Bowlingspieler handelt. Die Ölbilder beim Bowling haben jedoch mit künstlerischen Darstellungen an musealen Wänden wenig gemein. Im Gegensatz zu Kegelbahnen werden Bowlingbahnen geölt. In mehreren Schichten tragen Spezialmaschinen die Flüssigkeit auf der Bowlingbahn auf und beeinflussen damit den Lauf der von Spielern wie Marcel Kraft geworfenen Bälle. „Jede Bahn hat eine andere Ölung“, sagt der 18-Jährige.

Nun steht Marcel Kraft selbst als feste Größe im Kader des Drittligisten

Mittlerweile kennt sich Marcel Kraft mit der Wissenschaft des Interpretierens von Ölbildern aus. Sie sind vorab bekannt und werden je nach Wertigkeit eines Turniers immer schwieriger zu spielen. Während beim Kegeln die Kugel gerade auf die Kegel zurollt, bewegt sich beim Bowling der Ball nach dem Verlassen des Ölfilms auf einer gebogenen Bahn. Viel Erfahrung ist also nötig, um mit dem richtigen Effet konstant hohe Pinzahlen zu erreichen.

Marcel Kraft hat diese Erfahrung inzwischen, denn bereits seit neun Jahren frönt er seinem Lieblingssport. Bei einem Kindergeburtstag im Fellbacher Dream-Bowl erfasste ihn einst die Begeisterung für das Spiel mit den zehn Pins. Neben den feiernden Kindern trainierten die Sportler des BC Waiblingen, und der Kontakt war schnell hergestellt. Nun steht Marcel Kraft selbst als feste Größe im Kader des Drittligisten.

Schon seit 2017 ist der Fellbacher Mitglied des Nationalkaders

Zwei- bis dreimal pro Woche übt er in der Sportanlage im Rems-Murr-Center oder am Stützpunkt in Stuttgart und trainiert zusätzlich fünfmal pro Woche in einem Fitnessstudio. Das sieht man dem zwei Meter großen und nur 85 Kilogramm schweren Schlaks zwar nicht unbedingt an, aber das körperliche Training ist für die Stabilität von Beinen und Rumpf beim Abwurf unentbehrlich. Schon seit 2017 ist der Fellbacher Mitglied des Nationalkaders, zunächst als Jugendlicher und seit den kürzlich in Berlin ausgetragenen deutschen Meisterschaften im Junioren-Nationalkader.

Bei den Titelkämpfen in der Bundeshauptstadt landete Marcel Kraft wie seit 2014 mit nur einer Unterbrechung einmal mehr in den Medaillenrängen. Eine silberne Plakette mit der Mannschaft und eine Bronzemedaille in der Kategorie Masters konnte er seiner umfangreichen Trophäensammlung bei dieser Gelegenheit hinzufügen. Mit Masters ist jedoch keine Altersklasse gemeint, sondern die Auswahl der zwölf Besten aus der Kombination von Einzel-, Doppel- und Teamkonkurrenz. Auch bei großen Turnieren kann der angehende Auszubildende zum Sozialversicherungs-Fachangestellten einige Erfolge vorweisen.

In den Vereinigten Staaten ist das anders

In München-Unterföhring, auf der dortigen europaweit größten Bowlinganlage, belegte er kürzlich bei den Track Open Rang 40 unter 233 Teilnehmern. Als Belohnung gab es ein Preisgeld von 500 Euro, von dem allerdings 180 Euro Startgeld abgingen. Reich werden kann man vom Bowlingsport also nicht – zumindest nicht in Deutschland. „Hier gibt es keinen Profi“, sagt Marcel Kraft. In den Vereinigten Staaten ist das anders. Dank deutlich höherer Preisgelder und der Unterstützung finanzkräftiger Sponsoren ist dort eine Existenz als professioneller Bowlingspieler möglich. Mehrere dieser Cracks hat Marcel Kraft inzwischen kennengelernt, darunter auch sein sportliches Vorbild Sean Rash. Der Mann aus Alaska ist einer der Spitzenspieler der Professional Bowlers Association und kommt gelegentlich auch mal nach Deutschland. Bei einer dieser Visiten hat ihm Marcel Kraft einige Tipps entlockt.

Von mindestens gehobenem Niveau zeugt im Bowlingsport ein perfektes Spiel

Ansonsten vertraut er auf die Erfahrung und das enorme Engagement seines Heimtrainers Jürgen Aldinger, der ihn fördert und bei den zahlreichen Turnieren begleitet. Viel Verständnis hatten auch die Lehrer der Privaten Kaufmännischen Schule in Ludwigsburg, an der Marcel Kraft kürzlich die Fachhochschulreife bestanden hat. Immerhin ist der Bowlingsport auf gehobenem Niveau eine zeitintensive Angelegenheit, und nicht jeder Pflichttermin eines Nationalkadermitglieds findet am Wochenende statt.

Von mindestens gehobenem Niveau zeugt im Bowlingsport ein perfektes Spiel. Während die meisten Hobbyspieler kaum einmal mehr als zwei oder drei aufeinanderfolgende Strikes erreichen, ist dazu das zwölfmalige Abräumen aller zehn Pins ohne Unterbrechung notwendig. Sechsmal ist das Marcel Kraft bisher gelungen, 300 Punkte gab es dafür jeweils.

Um sie zu erzielen, wählt das Fellbacher Talent aus seinen zwölf Bällen den für das vorliegende Ölbild passenden aus. Mit Ausnahme des Räumballs zum Flachlegen von zwei stehen gebliebenen Pins auf gerader Linie haben alle anderen Bälle einen Kern. Dessen Form bestimmt das Laufverhalten. Die richtige Auswahl ist eine Sache langjähriger Erfahrung. Nicht ohne Grund nennt Marcel Kraft „Geduld“ als die wichtigste Eigenschaft eines fortgeschrittenen Bowlingspielers.

Hobbyspielern rät der Fellbacher Fachmann, den Erfolg keinesfalls mit Gewalt zu suchen. „Man braucht nicht unbedingt viel Geschwindigkeit“, empfiehlt Marcel Kraft: „Entscheidend ist eher die Technik und die Genauigkeit.“