„Das Stewardessenkarussell“: Thomas Müller als Ex-Pilot, Petros Kalakikos als sein Kumpel und Jana Schwager als eine von drei Freundinnen des Flugkapitäns Foto: Lars Munz

Das Boulevärle feierte im Jahr 1990 seine erste Premiere in Sindelfingen. Ein Jahr danach wurde das Quartier in Stuttgart gefunden – im Saal der TSVgg Münster beim Müllheizkraftwerk. Das Jubiläumsstück heißt „Das Stewardessenkarussell“.

Stuttgart - Im Saal der TSVgg Münster herrscht großes Gewusel. Das heißt: Unten im Saal ist eher högschde Konzentration angesagt bei Regisseur Jürgen von Bülow, der das turbulente Geschehen der sechs Akteure oben auf der Bühne beobachtet. „Das Stewardessenkarussell“ heißt das Stück, eine schwäbische Fassung von „Boeing, Boeing“ des französischen Autors Marc Camoletti.

Vor 25 Jahren war „Das Stewardessenkarussell“ auch die erste Aufführung des Ensembles. Dies bestand aus sechs Mitgliedern – allesamt Lehrer –, die sich von den Sindelfinger Stäffelesrutschern abgespaltet hatten.

Zunächst wurde durch die Säle der Gegend getingelt. Die Premiere fand am 30. Oktober 1990 im Sindelfinger Theaterkeller statt. Ein Jahr später gelang es Gründungsmitglied Heidi vom Brocke (sie starb im Jahr 2003), den Saal des Sportvereinsheims in Münster an Land zu ziehen.

Alle Akteure sind Laiendarsteller

Seitdem gab es 26 Premieren von Familien- und Boulevardkomödien auf Schwäbisch. Alle Akteure sind Laiendarsteller, „die sich nach ihrem G’schäft bei uns engagieren“, sagt Vereinsvorstand Petros Kalakikos. Dazu gehören Lehrer, Marktbeschicker, Vertriebsleiter oder Krankenschwestern.

„56 Leute haben wir im Verein, davon sind 37 spielbereit.“ Während andere Theater ein Stück etwa achtmal aufführen, sind es in Münster insgesamt 40 Termine mit je bis zu 185 Zuschauern. Die Auslastung liegt bei etwa 75 Prozent. Die Zuschauer mögen das Gesamtpaket mit einer guten (schwäbischen) Mahlzeit und der niveauvollen Aufführung. „Oft buchen uns auch Firmen komplett für einen Abend.“

Allerdings sei schwäbisches Theater eine Gratwanderung. „Mundart wird oft Provinzialität unterstellt.“ In Münster setzt man auf anspruchsvolle Darbietungen: „Es soll kein Bauerntheater sein, mit Kraftausdrücken, sondern es geht uns um schwäbischen Wortwitz und dass die Figuren auch gut ausgearbeitet sind.“

Unterhaltsame Stücke mit glaubwürdigen Charakteren

Vor sechs Jahren hat man sich auf das Genre der Boulevardkomödie spezialisiert – also tempo- und verwechslungsreiche Stoffe, mit häufig klappernden Türen. „Doch so etwas ist schwerer als etwa Familienstücke, gerade für uns als Laiendarsteller.“

Deshalb gönne man sich einen professionellen Regisseur – wie eben von Bülow. Für ihn ist es die zweite Inszenierung in Münster. Er hat Erfahrungen bei der Theatergruppe der Uni Hohenheim, hat Drehbücher für den „Tigerentenclub“ oder „Marienhof“ und einen Jugendroman geschrieben.

Auf der Bühne solle man unterhaltsame Stücke mit glaubwürdigen Charakteren sehen, und die Darsteller sollen nicht einfach aufmarschieren, ihren Text aufsagen und wieder runterstaksen. Der Zeitaufwand freilich ist enorm. Seit Spätherbst gab’s 60 Probenabende, anfangs zweimal die Woche, am Schluss täglich.

Von Bülow guckt noch mal zur Bühne – und ist ganz begeistert, dass Techniker Ulrich Siegle die wegen der schlechten Saalakustik nötigen Unterstützungsmikrofone an der Decke weiter nach vorne platziert hat.

Schwäbisch lernte er „uff dr Gass“

Dadurch haben die Schauspieler einen deutlich größeren Aktionsradius und sind näher am Publikum dran. Siegle organisiert seit 23 Jahren die Technik, „aber ich war nur einmal auf der Bühne“, sagt er. „Ich ko scho Schwäbisch, aber ich schwätz’ zu schnell.“

Vereinsvorstand Kalakikos hingegen hat damit kein Problem. Wie kommt jemand mit diesem Namen überhaupt zum Boulevärle? Der gebürtige Grieche kam bereits im Alter von einem Jahr mit seiner Familie nach Deutschland, wuchs in Stuttgart-Hofen auf.

Daheim wurde Griechisch gesprochen, doch das Schwäbische lernte er „uff dr Gass“ und von der Vermieterin der Familie Kalakikos. Vor zwölf Jahren agierte der gelernte Maschinenbautechniker als Aushilfskellner im Restaurant der TSVgg Münster – und unterhielt mit seinen Späßen auch die Boulevärle-Besucher. „Über dich lachen die Zuschauer im Saal, da kannst du ja gleich zu uns auf die Bühne kommen“, sagte Heidi vom Brocke zu ihm.

Erste Nebenrolle als chinesischer Kellner

So gab’s die erste Nebenrolle als chinesischer Kellner. Mittlerweile hat Kalakikos, der als freigestellter Betriebsrat bei Siemens arbeitet, in zwölf Stücken mitgespielt, seit gut fünf Jahren ist er Vorstand – das sorgt manchmal für einen Überraschungseffekt bei Unkundigen, die an der Spitze einer solchen Mundarttruppe eher einen Mann namens Häberle, Breschtling, Schaffer oder Scheuffele erwartet hätten.

„Einer meiner Chefs hat mal gesagt: Mit dem Namen wirsch du in Schduargert koin Mauldaschaproduzent.“ Aber eben Vereinsvorsitzender eines schwäbischen Theaterensembles.

Die Premiere des „Stewardessenkarussells“ im Boulevärle, Neckartalstraße 261, an diesem Samstag ist ausverkauft. Weitere Aufführungen zumeist freitags bis 24. Juli. Kartentelefon: 07 11 / 5 49 81 05.