Ein Taufstein ist bei der Zeremonie von Omar eingesetzt worden.. Foto: Archiv (Factum-Weise)

Ein junger Schiit ist vor kurzem zum Christentum konvertiert – nach einer langen spirituellen Suche.

Bottwartal - Omar* scheint in sich zu ruhen, komplett mit sich im Reinen zu sein. Immer wieder huscht ein freundliches Lächeln über sein Gesicht. Hier und da strahlt er auch beseelt. Vor allem, wenn er von seinen Erfahrungen mit der Bibel erzählt. „Ich bin jetzt glücklich“, sagt der 28-Jährige. Das war nicht immer so. Noch vor wenigen Jahren steckte der junge Mann aus dem Irak in einer spirituellen Sackgasse – bis er mit dem Buch der Bücher in Kontakt kam und so den Weg zu seinem neuen Glauben fand. Anfang Dezember stand dann der große Tag an: Omar ließ sich in einem evangelischen Gotteshaus im Kirchenbezirk Marbach taufen. Der Moslem war damit zum Christentum konvertiert. Ein Vorgang, der nach der so genannten Flüchtlingskrise in Deutschland zwar häufiger geworden ist, aber immer noch selten vorkommt. Für den erfahrenen Pfarrer, der Omar das Sakrament spendete, war es sogar eine Premiere.

Dass er einmal vor einem Taufbecken stehen würde, hätte sich Omar vor wenigen Jahren wohl nicht einmal in den kühnsten Träumen vorstellen können. Er lebte als Schiit in einer von Schiiten geprägten Stadt im Irak. Doch irgendwann kam er an einen Punkt, an dem ihm der Islam nicht mehr weiterhalf. Sein Vater war getötet worden, einer seiner Brüder ebenfalls. Für einen geringen Lohn arbeitete er in einer Firma, verdiente sich durch den Verkauf von Zigaretten etwas hinzu, um sein Studium als Computer-Ingenieur zu finanzieren. „Ich habe an nichts mehr geglaubt“, erinnert sich Omar an diese harten Zeiten zurück. Er fragte nach dem Sinn des Lebens, erhielt darauf aber keine Antworten. Weder vom Koran noch von Moslems, die er um ein Gespräch bat. Wenn er etwas aus der heiligen Schrift des Islam hinterfragte, sei er nur mit dem Hinweis abgebügelt worden: „Das ist einfach so“, berichtet Omar. Im Koran habe er auch Hinweise zum tatsächlichen Zustand der Welt vermisst. Umgekehrt konnte er die Umma, also die Gemeinschaft unter Moslems, im Irak nicht erkennen. Dort war er von Gewalt und Krieg umgeben, auch zwischen Glaubensbrüdern. In dieser verzweifelten Lage machte Omar Bekanntschaft mit dem Christentum.

Er war mittlerweile 25 Jahre alt und hatte in seiner Heimat als IT-Mann einen Job in einem südkoreanischen Unternehmen ergattert. Nach getaner Arbeit habe er sich mit einem Kollegen aus dem asiatischen Land ausgetauscht, in dem gut ein Drittel der Einwohner dem Christentum zugerechnet werden. Die beiden redeten über den Islam, diskutierten über Gott und die Welt. Schließlich drückte ihm der Kollege eine Bibel in die Hand. Es war der Moment, der Omars Leben schlagartig veränderte. Plötzlich fand er nämlich Antworten auf all die Fragen, die ihm so auf der Seele brannten. Alles schien ihm plausibel. Der Koran erklärte für ihn beispielsweise nicht schlüssig, wo all die Menschen herkommen sollen, wenn wie bei einer Kain-und-Abel ähnlichen Geschichte keine Frauen auftauchen, der Stammbaum also eigentlich versiegen müsste. Die Bibel entwickelte dafür nach seinem Geschmack eine einleuchtende Matrix. Und über ergänzende Auslegungen der heiligen Schrift, die er im Internet recherchierte, baute sich letztlich ein stimmiges Gesamtbild auf.

Doch Omar war immer noch am Zaudern. Er brauchte ein Zeichen, dass es Gott gibt. Genau das erhielt er dann im Schlaf. „Ich habe ein Licht gesehen und ein Gesicht“, erklärt er. Dann sei er berührt, an die Hand genommen und geweckt worden. Als er aber von seinem Traum berichtete, stieß er zunächst nur auf Unverständnis. „Du warst bestimmt nur müde“, habe man zu ihm gesagt. Doch sein koreanischer Freund habe nur knapp festgestellt: „Du weißt, was das bedeutet.“ Omar hatte begriffen.

Allerdings musste er auch schnell registrieren, dass er mit seinen Bibelstudien in dem islamischen Umfeld einen gefährlichen Pfad betreten hatte. Zuhause hatte jemand einen Zettel mit einer Todesdrohung für ihn hinterlassen. Zehn Tage später erreichte ihn erneut eine Botschaft mit derselben, unmissverständlichen Nachricht. Omar erkannte: Ich muss hier weg. Er flüchtete zu seiner Schwester nach Babylon, quartierte sich dort ein. Nach drei Monaten bekam er jedoch Wind, dass seine Häscher ihm auf den Fersen waren. Also setzte er sich mit seiner Mutter in die Türkei ab. Aber dort hatte er weder Arbeit noch einen Ansprechpartner in Glaubensfragen, weshalb er seine Odyssee fortsetzte und sich im Dezember 2015 über Griechenland und die Balkanroute nach Deutschland aufmachte. Nach verschiedenen Stationen kam er vor drei Monaten im Bottwartal an. Das Mitglied eines örtlichen Asylkreises stellte den Kontakt zu einem Pfarrer her. Man führte mehrere intensive Gespräche, suchte Menschen, die Omar in seiner Religiosität begleiten. Schließlich wurde die Taufe in die Wege geleitet.

Nun, ein paar Tage später, weiß Omar noch nicht, wo es ihn in der Anschlussunterbringung hinverschlagen wird. Er weiß aber, was er will: Normal leben, arbeiten, eine Familie gründen. „Dafür braucht es Geduld“, ist ihm bewusst. Die kann er auch aufbringen. Zumal er jetzt mit Gott jemanden hat, „der immer da ist und mir jeden Tag zuhört“.