Bei den Abgaswerten vieler Diesel-Modelle kommt es darauf an, ob sie auf dem Prüstand oder im Straßenverkehr gemessen wurden. Foto: dpa-Zentralbild

In der hitzigen Debatte über den Diesel geht es nicht nur um Technik. Da tut sich Bosch schwer, sich Gehör zu verschaffen.

Renningen - Volkmar Denner ist promovierter Physiker, und schon deshalb hat der Chef des Bosch-Konzerns keine Sorge, dass dem Unternehmen die Ideen ausgehen könnten – schon gar nicht, wenn es um technische Lösungen für die Dieselkrise geht. Denn diese sind seiner Ansicht nach bereits gefunden. Moderne Motoren seien in der Lage, die Grenzwerte der EU-Schadstoffnorm Euro 6 nicht nur auf dem Prüfstand, sondern auch im Straßenverkehr zu erfüllen. Und das, obwohl selbst die strengsten Normen das erst vom Jahr 2020 an vorschreiben werden.

Doch bei der Diskussion geht es inzwischen um weit mehr als Motorentechnik. Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn philosophiert über eine weitgehend autofreie Innenstadt, und die Deutsche Umwelthilfe sieht im Diesel einen Killer, der jedes Jahr Zehntausende Menschenleben fordere. Die Techniker von Bosch erkennen selbst, dass sie in dieser Debatte einen schweren Stand haben. Es gebe eine „emotionale Diskussion, die verantwortungslos mit den Fakten umgeht“, sagt Rolf Bulander, Chef der Autosparte.

Zu diesen Fakten gehört nach Denners Worten, dass der Diesel nach wie vor eine immense Rolle für die Umwelt spielt – schließlich pustet er etwa 15 Prozent weniger von dem Treibhausgas Kohlendioxid in die Luft wie ein Benziner mit gleicher Leistung. Seit der Einführung des Partikelfilters sei zudem der Feinstaub-Ausstoß des Diesels „vernachlässigbar“. Nach Denners Ansicht kommt auch die Bedeutung des Diesels für die Arbeitsplätze zu kurz. 15 000 Jobs in Deutschland hängen an dieser Technologie.

Doch dass es zu dem Verlust an Glaubwürdigkeit überhaupt kommen konnte, hat sich die Branche zu einem guten Teil selbst zuzuschreiben. Dass Fahrer jahrelang im Unklaren darüber gelassen wurden, dass ihre Autos im echten Straßenverkehr ein Vielfaches der Schadstoff-Grenzwerte ausstoßen, hat das Vertrauen vieler Verbraucher untergraben. Das räumt Denner auch ein. Die Glaubwürdigkeit lasse sich nur durch „Fakten“ zurückgewinnen.

Zu den Fakten gehört allerdings auch, dass derzeit gerade einmal 18 Prozent der Autos die Euro-6-Norm erfüllen – und dass es Jahre dauern wird, bis die neueste Technologie die Straßen erobert hat. Was aber geschieht mit der überwiegenden Mehrzahl der Autos, die bereits auf der Straße sind und von Fahrverboten bedroht sind? Ausgerechnet bei der Nachrüstung, die entscheidend dafür ist, das Thema schnell und in der Breite in den Griff zu bekommen, gibt sich auch Bosch zurückhaltend. Ein Euro-5-Auto so auf Euro 6 umzurüsten, dass auch auf der Straße die Grenzwerte erfüllt werden, sei praktisch unmöglich, sagt Bulander. Und auch bei der Frage, ob sich durch den Austausch von Komponenten die Werte verbessern ließen, gibt er sich skeptisch. Diese bräuchten im Fahrzeug Platz, und es sei fraglich, ob sie in ausreichender Zahl verfügbar seien. Zudem sei diese Lösung teuer. Er zieht reine Veränderungen der Software vor.

Die Schreckensvorstellung der Branche besteht darin, dass immer mehr Städte Fahrverbote verhängen, die Menschen vor dem Kauf von Dieseln zurückschrecken und die Gebrauchtwagenpreise einbrechen. Dann stünde der Diesel vor dem Aus, und auch Bosch hätte ein massives Problem. So gut die neueste Technologie auch sein mag – nicht nur für die Städte, auch für Hersteller wie Bosch selbst wird es darauf ankommen, dass bessere Technologien nicht Jahre auf sich warten lassen. Neben den Städten könnte auch der Industrie die Zeit davonlaufen.