Bosch gerät im VW-Abgasskandal immer stärker unter Druck Foto: dpa

Die Anwälte, die in den USA gegen Bosch vorgehen, rechnen damit, dass der Streit für den Autozulieferer teuer wird. Im Interview erklären sie, warum sich die Auseinandersetzung mit den USA wesentlich länger hinziehen könnte als bei VW.

Stuttgart - Im Streit um die Rolle von Bosch im VW-Abgasskandal scheinen die Fronten zwischen einem Konsortium aus 22 US-Kanzleien und dem Autozulieferer bislang verhärtet zu sein. Christopher Rother, Leiter der deutschen Niederlassung des US-Staranwalts Michael Hausfeld, glaubt bisher nicht an eine außergerichtliche Einigung. Darum könnte sich die Auseinandersetzung wesentlich länger hinziehen als bei VW. Den Vorwurf, dass die USA im Abgasskandal auch industriepolitische Interessen verfolgen, weist er zurück.

Herr Rother, was wollen Sie und weitere 21 US-amerikanische Kanzleien mit der Klageerweiterung gegen Bosch erreichen?
Unsere Klage hat sich von Anfang an nicht nur gegen Volkswagen und seine Konzerntöchter, sondern auch gegen den Zulieferer Bosch gerichtet. Volkswagen hat einen Vergleich geschlossen und damit ist unser Rechtsstreit mit dem Autobauer beendet. Bosch hingegen hat einen solchen Vergleich noch nicht abgeschlossen. Es gibt jedoch eine Besonderheit im US-amerikanischen Recht. Dort gilt: Wenn man gegen Strafgesetze verstoßen und einen Schaden verursacht hat, ist man nicht nur zum Ersatz des Schadens verpflichtet, sondern auch zum sogenannten Strafschadensersatz.
Was heißt das?
Das bedeutet, dass die Beklagten den Geschädigten das Dreifache der Schadensumme erstatten müssen. Insofern argumentieren die Klägervertreter in den USA, dass mit dem VW-Vergleich bislang nur ein Teil des Schadens erstattet worden ist. Aber noch nicht die gesamte Schadensumme. Für den verbleibenden Rest wird Bosch jetzt haftbar gemacht.
Wie hoch ist dieser Rest?
Beziffern lässt sich dies noch nicht, da die Schadenshöhe von den Geschworenen festgesetzt wird. Der Vergleich, der mit Volkswagen geschlossen wurde, ist zwar ein Anhaltspunkt. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass wir bei Bosch von einer ähnlichen Summe sprechen werden. Aber ein Milliardenbetrag lässt sich nicht ausschließen.
Das heißt, wenn Bosch Schadenersatz zahlen muss, wird das Geld an die gleichen Akteure fließen, die bereits im Rahmen des VW-Vergleichs einen Ausgleich erhalten haben?
Genau, das sind die Staatsanwaltschaften, verschiedene Behörden und die Gruppe geschädigter VW-Kunden.
Was ändert sich in der Sache durch die nun ungeschwärzt vorliegende Klageschrift?
Sowohl VW als auch Bosch haben auf Anordnung des Gerichts Dokumente vorgelegt, diese haben unsere US-Kollegen ausgewertet und auf dieser Grundlage ist die Präzisierung der Klageschrift zustande gekommen. Nach dem, was nun bekannt ist, scheint es Hinweise zu geben, dass Bosch wusste, wofür die Software entwickelt und eingesetzt wird, und dass es sich dabei um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelt. Die Wertung dieser Dokumente obliegt natürlich dem Gericht. Aber wenn Bosch gewusst hat, wofür sein Produkt entwickelt und genutzt wird, und dass es für einen illegalen Zweck verwendet wird, dann wäre Bosch zivilrechtlich für den Schaden verantwortlich – genauso wie Volkswagen.
Rechnen Sie denn damit, dass Bosch – wie VW – einen Vergleich will?
Klar ist: Wir haben bereits mit Volkswagen einen Vergleich in den USA angestrebt und im Fall Bosch gilt dasselbe. Denn bei einem Vergleich würden wir Zeit und Geld sparen, weil man dadurch eine langwierige Auseinandersetzung mit dem Geschworenengericht vermeidet. Nach dem zu urteilen, was Bosch bislang jedoch intern angekündigt hat, sieht es nicht so aus, als ob das Unternehmen vergleichsbereit wäre, sondern sich vielmehr gegen die Klage zur Wehr setzen will. Dann würde irgendwann 2017 das Hauptverfahren in San Francisco eröffnet werden. Volkswagen hat im Unterschied zu Bosch von Anfang an klar gemacht, dass der Autobauer an einem Vergleich interessiert ist. Darum sind die Gespräche dort auch relativ zügig vonstatten gegangen. Da bei Bosch diese Bereitschaft bislang nicht besteht, kann sich der Fall noch wesentlich länger hinziehen.
Angesichts der hohen Schadenersatzsummen, die VW in den USA zahlen muss, und der Art und Weise wie man nun mit Bosch umgeht, werfen viele Kritiker den USA im Abgasskandal auch industriepolitische Interessen vor. Was sagen Sie dazu?
Ich glaube, dass die Kunden, die die entsprechenden Diesel-Fahrzeuge gekauft haben, einen Schaden erlitten haben. Dieser besteht im Wertverlust der Fahrzeuge und in höheren Betriebskosten. In den USA wollte man einen Anreiz schaffen, dass die Fahrzeuge entweder umgerüstet oder aus dem Verkehr gezogen werden. Wenn Volkswagen der Ansicht gewesen wäre, dass es sich dabei um reine Industriepolitik handelt, hätte das Unternehmen den Fall auch durchprozessieren können. Zur Erinnerung: Die USA sind ein Rechtsstaat. Scheint nicht der Umstand, dass sich VW auf den Vergleich eingelassen hat, dafür zu sprechen, dass an den Vorwürfen was dran ist?