Der Auftritt von Bosch-Vertretern vorm Untersuchungsausschuss der Europäischen Union wird mit besonderem Interesse beobachtet. Foto: Max Kovalenko

Der VW-Untersuchungsausschuss der Europäischen Union hat die Kommission aufgefordert, mehr als bisher zur Aufklärung der Dieselaffäre beizutragen. Am Donnerstag treten Bosch-Mitarbeiter vor das Gremium.

Brüssel/Stuttgart - Mit einem Rüffel für die EU-Kommission und einem Ordnungsruf für die nationalen Regierungen geht der Untersuchungsausschuss im Europaparlament zur Aufklärung des VW-Abgasskandals in die zweite Halbzeit. Im Zwischenbericht, der am Dienstag mit einer breiten Mehrheit von 618 Jastimmen bei 26 Neinstimmen angenommen wurde, wird die EU-Kommission aufgefordert, das Parlament besser bei der Aufklärungsarbeit zu unterstützen.

Die Kommission solle den Grundsatz der „loyalen Zusammenarbeit“ achten und zügiger die angeforderten Dokumente bereitstellen. Auch den nationalen Regierungen wirft das Parlament vor, die Untersuchungen zu hintertreiben: Es werde bislang nicht die „notwendige fachliche und politische Unterstützung“ geleistet, so die Kritik.

EU-Industriekommissarin Elzbieta Bienkowska weist den Vorwurf von Hinhaltetaktik zurück: „Wir haben stets mit dem Untersuchungsausschuss kooperiert und transparent zusammengearbeitet. Daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern.“ Wie in Brüssel zu hören ist, hat die Kommission in der Sache bereits knapp 300 Dokumente an den Ausschuss übergeben. Da es sich bei einigen Schriftstücken um vertrauliche Dokumente handelte, habe man sich aber teils mit nationalen Regierungen vor der Freigabe abstimmen müssen, heißt es. Daher sei es zu Verzögerungen gekommen.

Der Druck auf Bosch ist in den vergangenen Wochen gestiegen

Am Donnerstag hört der Untersuchungsausschuss Vertreter des Stuttgarter Technologiekonzerns Bosch an. Der Auftritt wird mit besonderem Interesse beobachtet, weil dem Zulieferer vorgeworfen wird, im Auftrag von VW Bauteile mit manipulativer Software hergestellt zu haben. Entsprechende Ermittlungen sind in den USA im Gang. „In den letzten Wochen hat der Druck auf Bosch in der Abgasaffäre stetig zugenommen“, sagt Ismail Ertug, Verkehrsexperte der SPD im EU-Parlament. „Die nun veröffentlichten amerikanischen Gerichtsdokumente werfen einige Fragen auf.“

Offenbar sei den handelnden Personen und den Ingenieuren klar gewesen, dass geltendes Gesetz gebrochen wird, so Ausschussmitglied Ertug. Daraus würden sich einige Fragen ergeben: Warum hat Bosch das zwar an VW kommuniziert, aber nichts gegen den Betrug unternommen? Warum hat sich niemand der Handelnden an die Staatsanwaltschaft oder Ermittlungsbehörden gewandt? Warum gab es keine internen Mechanismen bei Bosch, um solche Machenschaften zu unterbinden?

Im EU-Parlament wird indes nicht damit gerechnet, dass Bosch im Untersuchungsausschuss in die Offensive gehen wird. Das Unternehmen sei in seiner Funktion als großer Zulieferer geladen, um zur Klärung der komplexen technischen Zusammenhänge beizutragen, sagt ein Sprecher des Unternehmens unserer Zeitung. Für Bosch werden am Donnerstag Michael Krüger, Entwicklungsleiter Diesel, und Peter Biesenbach, Leiter der Abteilung Außen- und Regierungsbeziehungen vor den Untersuchungsausschuss treten. Der Ausschuss im Europaparlament wurde eingerichtet, nachdem bekannt wurde, dass VW Schummel-Software eingesetzt hat, um die Ergebnisse von offiziellen Abgaswerttests zu verfälschen.

Auftrag des Ausschusses ist zu untersuchen, ob die Kommission, frühere Kommissare, führende Beamte der Kommission sowie die nationalen Regierungen Hinweise auf die illegalen Praktiken hatten oder diesen nicht konsequent genug nachgegangen sind. Es geht auch darum, warum die nationalen Regierungen es versäumt haben, wirksame Kontrollen aufzubauen, obwohl Schummel-Software seit vielen Jahren EU-weit verboten ist.

Der Ausschuss kommt mit seiner Arbeit nur schleppend voran

Der Ausschuss kommt mit seiner Arbeit nur schleppend voran: „Die Kommission beantwortet unsere Fragen nur ausweichend oder gar nicht.“ Auf schriftliche Fragen von Abgeordneten antworte die Kommission eigentlich nie innerhalb der vorgesehenen Fristen, angeforderte Dokumente würden teils nur lückenhaft bereitgestellt.

Bislang wurden drei Generationen von EU-Kommissaren angehört. Unter anderem Günter Verheugen (SPD), der unter José Manuel Barroso dessen Vize und Industriekommissar war.

Verheugen hatte zunächst versucht, eine Anhörung zu umgehen, kam dann aber doch im August. „Erst nach massivem Druck erklärte er sich bereit, Rede und Antwort zu stehen. Das hätte einfacher gehen können“, kritisiert Jens Gieseke, Verkehrsexperte der Union im Europaparlament. Auch der Nachfolger von Verheugen, der Italiener Antonio Tajani, trat vor dem Gremium auf. Von sozialdemokratischer Seite wird Tajani vorgeworfen, er habe in seiner Amtszeit konkrete Hinweise auf den Einsatz von Schummel-Software gehabt. Bei einem dokumentierten Treffen mit einem Vertreter eines italienischen Zulieferers habe er 2012 Informationen erhalten. Ertug zieht daher schon jetzt das Fazit: „Die EU-Kommission hätte früher tätig werden können und müssen. Sie trägt definitiv eine Mitschuld am Abgasskandal.“

Der Unionsabgeordnete Gieseke kommt zu einer anderen Einschätzung. „Im Ausschuss kommen immer wieder Vorwürfe auf, die sich später als haltlos erweisen.“ Gieseke nennt etwa den Hinweis, Tajani sei von seinem Kollgen, dem EU-Kommissar für Umwelt, Janez Potocnik, per Brief auf die manipulative Software hingewiesen worden. Gieseke: „Mir liegt dieser Brief vor, und ich kann darin keinen Inhalt erkennen, der zu diesen Vorwürfen Anlass böte.“