5000 Beschäftigte seien dem Protestaufruf gefolgt, schätzt der Bosch-Betriebsrat. Foto: Joachim E. Roettgers

Die Beschäftigten von Bosch am Dieselstandort Stuttgart-Feuerbach sorgen sich um ihre Arbeitsplätze. Sie fühlen sich von der Politik und vom Management allein gelassen – und gehen auf die Straße.

Stuttgart - Wenn es um die Krise des Diesel geht, findet Frank Sell klare Worte. „Die Politik überlässt die Entscheidungen den Gerichten“, sagt der Betriebsratsvorsitzende am Bosch-Standort Stuttgart-Feuerbach. Die Automanager wirkten wie ein „Hühnerhaufen" – wo jeder den eigenen „Kopf aus der Schlinge“ ziehen wolle. Es sei wie beim Schwarze-Peter-Spiel: Politiker würden den Schwarzen Peter an die Manager, und die Manager die ungeliebte Spielkarte an die Politiker weiterreichen, sagt er. „Wir fühlen uns im Stich gelassen“, fügt er hinzu. Und dann ruft er ins Mikrofon: „Wir stehen hier, um uns Gehör zu verschaffen“.

3500 Demonstranten sind dem Streikaufruf gefolgt, sagt die Polizei. Die Veranstalter sprechen von mindestens 5000 Teilnehmern, die sich vor dem Bosch-Werk in Feuerbach versammelt haben. Die Vertreter der Bosch-Arbeitnehmer haben zu der Kundgebung aufgerufen, weil sie sich um die Zukunft der drei Dieselstandorte des Konzerns sorgen. Insgesamt 50 000 Mitarbeiter beschäftigt Bosch weltweit im Geschäftsbereich Diesel; davon sind 15 000 in Deutschland tätig. Wenn Elektroautos kommen, dürften viele der Stellen überflüssig sein. „Das heutige Beschäftigungsniveau bei den konventionellen Antrieben wird sinken. Im Vergleich zu einem Verbrennungsmotor beträgt die Wertschöpfungstiefe eines Elektromotors nur etwa ein Zehntel“, sagt Uwe Gackstatter, der Vorsitzende des Bereichsvorstands von Bosch-Powertrain Solutions (Antriebsstang), der sich im Anschluss an die Demonstration den Fragen der Journalisten gestellt hat. Gackstatter „teilt die Sorge der Beschäftigten um die Arbeitsplätze im Bereich Diesel“, sagt er.

Auch andere Unternehmen betroffen

Von der Dieselkrise ist nicht nur Bosch betroffen; aber die Stuttgarter haben eine führende Marktposition beim Diesel. „In gewisser Weise sind wir Leidensgenossen“. Roland Schäfer, der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende des Mercedes-Werks in Untertürkheim, verspricht den Demonstranten seine Solidarität. Auch er sei „extrem in Sorge“ wegen des Motoren-Standortes. Roland Zitzelsberger spannt den Bogen dann noch weiter: „Die Menschen, die am Auto arbeiten, sitzen in Friedrichshafen, Rottweil, Göppingen, Mannheim und Wasseralfingen“, zählt der Bezirksleiter der IG Metall in Baden-Württemberg weitere Städte auf, wo Zulieferer und Maschinenbauer ihren Sitz haben. Der Wohlstand des Bundeslandes hänge an diesem Industriezweig, sagt er.

Bereits jetzt hat die Dieselkrise Arbeitsplätze bei Bosch gekostet. 600 Stellen seien im vergangenen Jahr an den beiden Dieselstandorten Homburg/Saar und Bamberg gestrichen worden – über Altersteilzeit und befristete Verträge, die nicht verlängert worden seien. Bisher sei der Standort Feuerbach glimpflich davon gekommen, doch das könnte sich ändern. 100 Arbeitsplätze, die durch Fluktuation wegfallen, sollen nicht ersetzt werden. Zudem laufen Ende des Jahres die Verträge von 200 Beschäftigten mit befristeten Verträgen aus. Insgesamt dürften in diesem Jahr an den drei Standorten weitere 500 Arbeitsplätze wegfallen, schätzt Hartwig Geisel, der Vorsitzende des Bosch-Gesamtbetriebsrates, der sich ausdrücklich zu den Klimazielen bekennt. Die Kapazitäten der drei betroffenen Werke seien nicht ausgelastet, sagt Gackstatter. Teilweise seien Schichten gestrichen worden. Für das Werk Bamberg sei vereinbart worden, dass im März an zwölf Tagen nicht gearbeitet werde.

Auch Entwickler trifft es

Auch die Entwickler kommen nicht ungeschoren davon: für Feuerbach würden keine neuen Forschungsprojekte im Bereich Diesel mehr angenommen, sagt Andreas Hiebel, der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende vom Standort. Es gebe erste Versuche, Ingenieure, die bisher am Diesel arbeiten, auf Software umzuschulen.

Wie die Zukunft der drei betroffenen Bosch-Standorte aussehen könnte, darüber verhandeln derzeit die Geschäftsleitung des weltgrößten Zulieferers mit den jeweiligen Arbeitnehmervertreten. Acht Punkte hat der Feuerbacher Betriebsratschef auf seine Agenda gesetzt. Ganz oben steht dabei der Ausschluss von Kündigungen bis 2030. Ein Wunsch, den Gackstatter zurückweist – wegen der großen Unsicherheit rund um den Diesel. Stattdessen hat er eine Beschäftigungsgarantie bis 2022 oder 2023 für die Diesel-Beschäftigten in Feuerbach in Aussicht gestellt. Dieser Vorstoß dürfte im Zusammenhang mit den Plänen stehen, dass die Produktion einer Variante der Dieselpumpe von Feuerbach nach Bari/Süditalien verlagert werden soll; auch in dem Bosch-Werk gibt es Auslastungsprobleme.

Sell wünscht sich zudem eine Innovationsoffensive für den Standort; dabei könnte ein Fonds aufgelegt werden, um Ideen der Mitarbeiter zu finanzieren. Er denkt an Insourcing, also dass Aufträge, die bisher an Zulieferer vergeben wurden, wieder bei Bosch bearbeitet werden. Er denkt daran, andere Aufgaben nach Feuerbach zu verlagern. Und er fordert eine faire Verteilung der Lasten unter den internationalen Standorten. Alle wünschen sich von der Politik mehr Zeit für die Transformation. Gackstatter: „Wir können Strukturwandel, aber keinen Strukturbruch.“