Das Bangen in Arnstadt ist vorbei – Solarworld steigt ein Foto: dpa-Zentralbild

Nach acht Monaten zwischen Hoffen und Bangen hat der Großteil der Bosch-Beschäftigten in Arnstadt wieder eine Perspektive.

Stuttgart/Arnstadt - „Wir wollten keine schnelle, sondern eine möglichst gute Lösung für die Mitarbeiter“, sagt Bosch-Chef Volkmar Denner in einer kurzfristig anberaumten Telefonkonferenz an diesem Dienstagmorgen. Er kommt gerade aus der Mitarbeiterversammlung, die noch läuft, denn kurz zuvor wurde der Kaufvertrag unterzeichnet. Danach soll der Bonner Konzern Solarworld die Fertigung von Zellen und Modulen übernehmen und damit 800 Arbeitsplätze sichern.

Unterm Strich gibt es neue Perspektiven für etwa 1100 der insgesamt 1500 Mitarbeiter am Standort. Ein weiterer Investor will Produktionsflächen mieten und dort unter Reinraumbedingungen pharmazeutische Produkte herstellen und so 100 Arbeitsplätze schaffen. Eine entsprechende Absichtserklärung wurde unterzeichnet.

Zudem will Bosch ein Automobilelektronikprodukt aus Ungarn nach Arnstadt verlagern – ein Generatorregler für Lichtmaschinen im Fahrzeug, der bisher in Hatvan produziert wird – und eine Serviceorganisation und eine Handelsgesellschaft zur Abwicklung noch bestehender Verpflichtungen gründen. Damit könnten mittelfristig weitere rund 250 Arbeitsplätze erhalten werden, sagt Denner. Der Gesamtumsetzung muss das Kartellamt noch zustimmen.

Die Erleichterung bei den Mitarbeitern ist groß. Auch der stellvertretende Gesamtbetriebsratsvorsitzende von Bosch, Hartwig Geisel, bewertet die nun gefundenen Lösungen als positiv. Auch die Bosch-Manager freuen sich, wenngleich Bosch bei dem Deal wohl kein Geld in die Kasse bekommt. Zum Kaufpreis will sich keiner äußern. Bei Solarworld heißt es lediglich: „Der Kauf wird die Finanzmittel der Solarworld AG nicht reduzieren.“ Bosch habe sich bei dem Gesamtdeal als sehr honorig erwiesen, sagt Solarworld-Chef Frank Asbeck. Der Bonner Konzern, einst Vorzeigeunternehmen der Branche, ist erst gerade selbst durch einen Schuldenschnitt vor der Insolvenz gerettet worden und steckt mitten in der Umstrukturierung, die Ende Februar 2014 abgeschlossen sein soll. Dann wird Solarworld die Zellfertigung mit einer Produktionskapazität von 700 Megawatt und eine Modulfertigung mit 200 Megawatt von Bosch Solar Energy übernehmen.

„Mit der heutigen Vertragsunterzeichnung haben wir einen wichtigen Meilenstein erreicht“, sagt Bosch-Chef Denner. Dass es Bosch wichtig ist, nach dem Ausstieg aus dem Solargeschäft nicht als Arbeitsplatzvernichter dazustehen, wird an seinen Ausführungen nochmals deutlich. „Anstelle einer Schließung war es unser Ziel, Erwerber zu finden, die ein tragfähiges industrielles Konzept und eine langfristige Orientierung bieten“ , sagt Denner.

Die Produktion von Zellen und Modulen passe ins Geschäftsmodell von Solarworld, sagt Bosch-Geschäftsführer Stefan Hartung, der Aufsichtsratschef der Bosch Solar Energy AG ist. Deshalb entstehe ein funktionierendes Produkt. Das Konzept sei von einem unabhängigen Wirtschaftsprüfer für gut befunden worden.

Bosch hatte im März den Ausstieg aus dem defizitären Solargeschäft verkündet und sich acht Monate Zeit genommen, um eine Lösung zu finden. Der Bonner Solarworld-Konzern, der nun zum Zug kommt, steigt mit der Übernahme zu den Top Ten der weltweiten Hersteller auf und wird mit der Produktion von Wafern, Zellen und Modulen über Produktionskapazitäten von gut einem Gigawatt verfügen. Auch der Solarworld-Chef spricht von einer nachhaltigen Produktion am Standort, wo die Jobs der Mitarbeiter für die nächsten drei Jahre erst mal sicher seien.

Für insgesamt 400 Mitarbeiter am Standort gibt es noch keine Perspektive. Verhandlungen über eine Transfergesellschaft sollen mit den Arbeitnehmervertretern aufgenommen werden.

Insgesamt beschäftigt Bosch in der Solarsparte 2600 Mitarbeiter – darunter die Tochter Aleo Solar (700 Beschäftigte), für die noch ein Käufer gesucht wird. Auch für das Modulwerk im französischen Vénissieux, (250 Mitarbeiter) steht eine Lösung noch aus. Die Bosch Solar CIS in Brandenburg (rund 150 Leute) und die Bosch Power Tec (Hamburg) werden unverändert weitergeführt.