Boris Palmer äußert sich zur Dieseldebatte. Foto: dpa

Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer hat auch zu Diesel-Fahrverboten eine Meinung und zieht interessante Vergleiche. Doch die Sache hat einen entscheidenden Haken, kommentiert Christian Gottschalk.

Stuttgart - Von Boris Palmer ist man inzwischen ja einiges gewohnt. Dass der Tübinger Oberbürgermeister in seiner Stadt selbst Knöllchen verteilt, wenn er einen Verkehrs- oder Umweltsünder ausgemacht zu haben glaubt, zum Beispiel. Und natürlich, dass er sich aus seinem gemütlichen Studentenstädtchen heraus einmischt in die großen, nationalen und internationalen Debatten.

Und weil der Grünen-Politiker durchaus Thesen vertritt, die nicht der Meinung seiner Partei entsprechen – nicht nur in der Asylpolitik – ist er gern gesehener Gast in den Redaktionsstuben der Republik. Schlagzeilen sind garantiert.

Der Medienprofi zieht interessante Vergleiche

So ist das auch, wenn sich Boris Palmer zum Thema Feinstaubbelastung und Dieselfahrverbot äußert. In der Zeitung „Welt“ hat Palmer ein Essay zu diesem Thema geschrieben. Und es dauert nicht lange, da greift manch ein Online-Medium das auf. Mit knackiger Überschrift: „Grünen-Politiker fordert Coca-Cola-Verbot“. Klingt gut, hat aber einen Haken: Stimmt nicht.

Die „Welt“ hat Palmer nahezu eine Seite eingeräumt, um seine Argumente auszubreiten. Und Palmer argumentiert gut. Er beschreibt, dass in der wissenschaftlichen Grenzwert- und Belastungsdebatte viele Fragen offen sind, die Politik aber gleichwohl handeln muss. Er beschreibt den umstrittenen Nutzen von Fahrverboten und die Notwendigkeit, etwas zu tun. Und – weil Palmer auch Medienprofi ist – zieht er in der aktuellen, hitzigen Debatte einen wirklich überschriftsfähigen Vergleich: Luftschadstoffe seien ein „untergeordnetes Problem für die Gesundheit“.

Ein Debattenbeitrag, keine Forderung

Das mag man nicht glauben, wenn man die Masse der aktuellen Wortbeiträge zu diesem Thema sieht, aber Palmer begründet auch das: „Bewegungsmangel, Fettleibigkeit, Zucker, Tabak und Alkohol sind die größten Feinde des modernen Menschen. Plastisch formuliert: Ein Verbot von Coca-Cola würde vieltausendfach mehr Leben retten als Fahrverbote für Dieselfahrzeuge.“

Das ist keine Forderung, Coca-Cola zu verbieten, das ist ein origineller Beitrag zur aktuellen Debatte. Palmer macht auch noch konkrete Vorschläge: Fuß- und Radverkehr fördern, Innenstädte durch Mautsysteme wie in Stockholm schützen, kostenfreien Nahverkehr wie in Luxemburg einführen. Alles richtig, aber wenig originell, zumindest wenn die Forderungen von einem Tübinger Oberbürgermeister stammen. Stammten sie von der Kanzlerin, dann sähe das alles ganz anders aus.