Karla Weiß konnte ihre starken Gefühlsausbrüche nicht einordnen und empfand sie als kaum aushaltbar. Hilfe fand sie im Robert Bosch Krankenhaus. Foto: StockSnap @pixabay.com

Karla Weiß (Name geändert) empfand ein tiefgreifendes Gefühl von Einsamkeit und chronischer Leere. Sie war oft grundlos verzweifelt und häufig äußerten sich ihre Empfindungen in heftigen Wutausbrüchen. Hilfe fand sie schließlich im Robert Bosch Krankenhaus. 

Als besonders quälend empfand die 22-Jährige Karla Weiß (Name geändert) eine hohe innere Anspannung, die nur dann nachließ, wenn sie eine Rasierklinge zur Hand nahm und sich damit in die Haut ihrer Unterarme ritzte. Wenn sie sah, wie das Blut langsam aus den Wunden quoll, empfand sie für einen kurzen Moment Erleichterung.

Weil sie ihre Empfindungen und Gefühlsausbrüche selbst nicht einordnen konnte und gleichzeitig als kaum aushaltbar empfand, suchte sie dringend Hilfe und wandte sich an die Abteilung für Psychosomatische Medizin im Robert Bosch Krankenhaus (RBK).

Borderline-Sprechstunde für junge Erwachsene

Für junge Erwachsene im Alter von 18 bis 27 Jahren, die in die Psychosomatische Tagesklinik aufgenommen werden möchten, gibt es im RBK eine Borderline-Sprechstunde. Dort fanden die Therapeutinnen und Therapeuten nach einer ausführlichen Diagnostik und Gesprächen schließlich heraus: Karla leidet an einer Borderline-Persönlichkeitsstörung – nicht zu verwechseln mit einer Depression.

„Bei einer Borderline-Persönlichkeitsstörung handelt es sich um eine psychische Erkrankung, die erstmals in der frühen Adoleszenz auftritt und durch Störungen der Gefühlskontrolle, Instabilität im Selbstbild und in zwischenmenschlichen Beziehungen gekennzeichnet ist“, sagt Dr. Marie-Luise Zeitler, Leitende Psychologin und Psychotherapeutin. „Bei unseren Borderline-Patientinnen und -Patienten besteht häufig ein verzweifeltes Bemühen, tatsächliches oder vermutetes Verlassen werden zu vermeiden.“ Die Symptomatik führe oft zu Beziehungsabbrüchen und großen Schwierigkeiten in der sozialen und beruflichen Integration.

Begründet in der Lebensgeschichte

Auch Karla gelingt es kaum, Vertrauen in Freundschaften und Beziehungen zu finden. Ihren Vater hat sie nie kennengelernt. „Und meine Mutter hat sich nicht für mich interessiert. Ich war ihr lästig“, sagt Karla. An eine liebevolle Umarmung, eine Gute-Nacht-Geschichte oder eine gemeinsame Mahlzeit kann sie sich nicht erinnern.

„Tatsächlich ist eine Borderline-Persönlichkeitsstörung neben einer genetischen Veranlagung für eine emotionale Instabilität immer auch in der Lebensgeschichte der Patientinnen und Patienten begründet“, sagt Zeitler. Meist hätten Betroffene in der Kindheit Missbrauch, Vernachlässigung, physische oder psychische Gewalt erlebt. „Weit mehr als die Hälfte ist emotional vernachlässigt worden. Dazu kommen oft weitere traumatische Erfahrungen im Leben.“

Therapie am RBK, erfolgreich weiterentwickelt

Eine Borderline-Persönlichkeitsstörung galt lange Zeit als nicht heilbar. Heute ist das anders: Mehrere Langzeitstudien belegen, dass die Erkrankung sehr gut behandelbar ist. Zeitler hat zum Thema Borderline promoviert und die Therapie am Robert Bosch Krankenhaus erfolgreich weiterentwickelt. „Unsere Patientinnen und Patienten machen für bis zu drei Monate eine teilstationäre Therapie“, erklärt die Psychotherapeutin, „das bedeutet, sie sind von Montag bis Freitag jeweils tagsüber bei uns im Haus.“ Weil sie am Abend und am Wochenende in ihr privates Umfeld zurückkehren, können sie erlernte Verhaltensweisen direkt ausprobieren.

Ziel der Therapie ist es, den Umgang mit starken Gefühlen zu verbessern und den Selbstwert zu stärken. Im sogenannten Skills-Training, ein Teil der Dialektisch-Behavioralen Therapie, arbeiten die jungen Erwachsenen auch an ihrer Impulsivität. Gemeinsam mit den Therapeutinnen und Therapeuten trainieren sie, achtsamer zu sein und ihre innere Anspannung zu regulieren, ohne sich selbst zu verletzen. „Dies gelingt zum Beispiel gut mit Igelbällen, Akupressurringen oder auch dem Riechen an Menthol und Chilischoten“, sagt Zeitler. Lebensmittel, die starke, ungewohnte Reize ausüben, lenken ab und helfen den Betroffenen, Druck abzubauen und aus dem üblichen Handlungsschema der Selbstverletzungen auszubrechen.

Gruppentherapie: Gemeinsam stark

Große Teile der Therapie finden in der Gruppe statt. Der Austausch mit anderen unterstützt den Behandlungserfolg. Auch Karla fand das Erleben in der Gruppe hilfreich: „In der Therapie bin ich auf andere Betroffene gestoßen, denen es genau so ging wie mir, denen ich mich nicht erklären musste. Das hat unendlich gutgetan.“

Karla macht inzwischen eine Ausbildung. Sie möchte Erzieherin werden. Die Therapie im RBK hat sie abgeschlossen. „Ich habe gelernt, meine Gefühle einzuordnen – und ich verletzte mich nicht mehr selbst. Das ist ein Riesenerfolg“, sagt sie. Sie weiß, dass damit nicht alle Probleme verschwunden sind. Aber sie sind zu bewältigen. Und wenn es noch einmal schwierig werden sollte, weiß sie, an wen sie sich wenden kann.


Weitere Informationen zur Borderline-Sprechstunde und Therapie im Robert Bosch Krankenhaus finden sich auf der Webseite des RBK.

Wer selbst depressiv ist oder Suizid-Gedanken hat, kontaktiert bitte die Telefonseelsorge über deren Webseite oder über die kostenlosen Telefon-Hotlines 0800/111 0 111 oder 0800/111 0 222 sowie 116 123. Die Deutsche Depressionshilfe ist in der Woche tagsüber unter Telefon 0800 / 33 44 533 zu erreichen.