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Immer mehr Menschen kaufen übers Fernsehen ein, weil Produkte dort erklärt werden.

Stuttgart - Bauchweg-Zauberbodys, Wunderwerkzeuge, Universal-Fleckenentferner: Jeder zehnte Deutsche hat 2010 mindestens einmal per Teleshopping eingekauft, die Branche meldet Rekordumsätze. Warum wird das Geschäftsmodell immer erfolgreicher? Und bekommt der Kunde wirklich gute Ware zu einem guten Preis?

"Dieser Staubsauger ist des Allergikers Liebling. Er tötet all die Keime, Bakterien und Zecken, die ihre Haustiere hereinschleppen." Und schon surrt das Wundergerät über die Kacheln. "Schauen Sie, wie sauber, und das alles völlig ohne Chemie, nur mit heißem Dampf." Die Moderatorin läuft über die frisch geputzte Fläche. "Schon wieder trocken. Sperrgebiete in der Wohnung gibt es künftig also keine mehr."

Dann wird der Dampfsauger ("gibt es sonst nirgendwo zu kaufen") im Schrank verstaut ("so klein und handlich"), die Bestellnummer eingeblendet ("Silber wird knapp") und schon ist das nächste Produkt im Studio: Ersatztücher für den Dampfreiniger.

24 Stunden und an sieben Tagen die Woche kann man bei Teleshopping-Kanälen wie HSE24, QVC oder Channel 21 bequem vom Sofa aus einkaufen. Wer beim Durchschalten einen dauergrinsenden Moderator in einem biederen Wohnzimmer sieht, der Super-Staubsauger, Wunder-Hammer und Bauch-weg-Hosen mit der Leidenschaft eines Marktschreiers anbietet, mag kaum glauben, dass er ein überaus erfolgreiches Fernsehkonzept vor sich hat.

Jeder Zehnte Deutsche bestellt mindestens einmal im Jahr per Teleshopping

HSE24, der 1995 als erster deutscher Sender das Teleshopping-Format aus den USA übernahm, vermeldete soeben das erfolgreichste Jahr seiner Unternehmensgeschichte. Der Nettoumsatz wurde im vergangenen Jahr um zwölf Prozent auf 441 Millionen Euro gesteigert. Insgesamt setzte die Branche 2010 rund 1,3 Milliarden Euro um, auch das ein Plus von rund neun Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Laut der Beratungsfirma Goldmedia bestellt jeder Zehnte Deutsche mindestens einmal im Jahr über Teleshopping. Bei beliebten Produkten werden in einer Sendung schon mal 29000 Artikel verkauft. Das sind Zahlen, die jeden Einzelhändler neidisch machen. Bleibt die Frage: Warum funktioniert Teleshopping so gut?

Für Alexandra Brune, Pressesprecherin bei HSE24, liegt das Erfolgskonzept auf der Hand. "Wir erklären unsere Produkte, eine Dienstleistung, die in vielen Geschäften inzwischen fehlt." Tatsächlich wird der Staubsauger vor laufender Kamera in seine Einzelteile zerlegt, und ein Experte von der Herstellerfirma zeigt Schritt für Schritt, wie der Dampf entsteht. Haben Zuschauer Fragen, werden sie live zugeschaltet.

Ohnehin ist der Kontakt mit den Kunden - mehrheitlich Frauen über 50 - für den Erfolg entscheidend. "Die Zuschauer müssen uns mögen und unseren Empfehlungen vertrauen. Deswegen lernt man bei uns viel über die Produkte. Und hinter jeder Produktlinie steht auch eine Geschichte, die wir dem Zuschauer erzählen können - im Gegensatz zum Katalog", sagt Stefanie Ludwig, Moderatorin bei HSE24. Seit sieben Jahren wirbt sie vor allem für Kosmetik und Schmuck und hat, wie die meisten Teleshopping-Moderatoren, einen eigenen Fanclub.

Die Stammkundschaft pflegen, das ist das Verkaufskonzept der reinen Teleshopping-Kanäle. Entsprechend bemüht sind sie um Service. Ganz anders dagegen sieht es bei den Produktionsfirmen aus, die einzelne Werbespots oder Sendungen innerhalb des Programms von Privatsendern anbieten. Hier steht der schnelle Abverkauf der Produkte im Vordergrund - Hauptsache, der Kunde wird einmal überzeugt.

Nicht alle Kosten werden im Fernsehen verraten


"Mal ehrlich, wer möchte keine gute Figur haben? Dazu musste der Zauberbody her, und weil er so preiswert war, für neun Euro. Auf der Rechnung waren es plötzlich 51 Euro. Also schnell wieder zurück mit dem Zauber. Nach sechs Wochen fehlte das Geld noch immer. Ich lasse mich nie wieder von Dauergerede in Versuchung bringen."

So oder so ähnlich lauteten viele der Beschwerden die seit einem Jahr bei Thomas Bradler von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen eingehen. Die meisten richten sich gegen das Format Preishit.tv, das in vielen Privatsendern ausgestrahlt wird und erst von einem Anbieter in Lichtenstein (Teleshop Versandhandels AG) und inzwischen aus der Schweiz (DMS Trading GmbH) heraus verantwortet wird. "Beschwerden gibt es vor allem wegen deutlich höherer Rechnungen als angenommen", sagt Bradler.

Darauf finden sich dann Gebühren für die Bestellannahme, die Auftragsabwicklung oder eine Transportversicherung, von denen im Fernsehen nie die Rede war. Schicken die Kunden die Ware zurück, erhalten sie oft statt Geld nur eine Gutschrift für einen neuen Einkauf - wenn überhaupt. "Rechtlich ist das nicht zulässig", sagt Bradler.

Er rät, Ware mit höherem Preis direkt wieder dem Postboten mitzugeben, wenn per Nachnahme bestellt wurde. Leichter bei der Rückzahlung hat es, wer mit Rechnung oder Lastschrift bestellt hat. "Grundsätzlich haben Sie ein Widerrufsrecht, das heißt Sie können die Ware zwei Wochen lang ohne Angabe von Gründen zurückschicken", sagt Bradler.

Knappe Ware verführt zum unüberlegten Kauf

Auch wenn es bei den großen Teleshopping-Kanälen wie HSE24, QVC oder Channel 21 kaum Beschwerden gebe, empfiehlt Bradler auch hier auf versteckte Kosten zu achten. "Lassen Sie sich nicht von den schrumpfenden Stückzahlen oder runterlaufenden Uhrzeiten zu Schnellkäufen verführen. Sie sind nur dazu da, Kunden unter Druck zu setzen."

Ob man beim Einkauf über den Fernseher wirklich die versprochene "hochwertige Ware" zu einem "einmaligen Preis" bekommt, lässt sich nicht pauschal sagen. Die Stiftung Warentest hat zuletzt 2007 Teleshopping-Waren unter die Lupe genommen. Mit dem Service der Sender waren sie zufrieden, mit Qualität und Preis der getesteten Staubsauger, Gesichtscremes und Digitalkameras weniger. "Da wir diesen Bereich seither nicht mehr getestet haben, lassen sich die Ergebnisse auf heute aber leider nicht mehr übertragen", heißt es in der Pressestelle.

Egal ob vor dem Fernseher oder im Geschäft: Am Ende muss jeder selbst wissen, ob er wirklich einen keimfreien Dampfreiniger braucht - oder die Werbung nur ein Bedürfnis nach einem Produkt schafft, dass der Kunde eigentlich gar nicht hatte.