Bibliothekarinnen helfen jungen Leserinnen mit Online-Empfehlungen“ bei der Wahl des richtigen Buches. Foto: dpa/Boris Roessler

Social Media wird für Bibliotheken immer wichtiger. Auf der Instagram-Seite der Jungen Bibliothek Stuttgart gibt es sogar Buchempfehlungen im „BookTok“- Stil, gedreht von Bibliothekarinnen. Was dahinter steckt.

„Hello, hello!“ – So beginnt Margarete Helmut ihre Buchvorstellungen auf dem Instagramkanal der Jungen Bibliothek Stuttgart (JuBi). Die Bibliothekarin präsentiert dort in kurzen Videos regelmäßig ihre liebsten Romane. „Heir“ von Sabaa Tahir, „Binding 13“ von Chloe Walsh oder „Spiral“ von Bal Khaba: Die vorgestellten Bücher zielen auf eine junge, vornehmlich weibliche Zielgruppe ab.

 

Mit den Lektüre-Empfehlungen im Videoformat springt die Stadtbibliothek Stuttgart auf den Trend des „BookTok“ auf – einem Social-Media-Hype, bei dem buchbegeisterte vornehmlich junge, weibliche Leserinnen ihre Buch-Favoriten im Internet vorstellen. Unter dem Hashtag „BookTok“ erreichen diese Clips teilweise Millionen Aufrufe auf der Video-Plattform TikTok und auf dem sozialen Netzwerk Instagram.

Das sind „BookTok-Bücher“

Dieser Hype ist nicht neu. Vor allem während der Corona-Pandemie begannen junge Erwachsene, ihre Lieblingsbücher nicht mehr von Gesicht zu Gesicht, sondern von Bildschirm zu Bildschirm zu rezensieren. Der Trend nahm Fahrt auf und entwickelte sich so zu einer eigenen Videoart in den Sozialen Medien. Als „BookTok-Bücher“ werden mittlerweile alle Bücher bezeichnet, die auf Social Media populär sind und von der Community gut besprochen werden. Dieses Beliebtheitslabel kann viel Aufmerksamkeit generieren. Dadurch wird der digitale Marktwert in der Buchwelt immer wichtiger und hat großen Anteil daran, welche Bücher gekauft und gelesen werden.

Neben Trend-Büchern gibt es auch Klassiker zur Empfehlung

Der Autorin Rebecca Yaros zum Beispiel gelang mit ihrem Buch „Fourth Wing“ durch BookTok ein echter Hit. Der Fantasy-Roman wurde auf TikTok dermaßen angepriesen, dass das Buch mehr als zwei Millionen mal verkauft wurde. Dass die Macht der sogenannten Young-Adult-Fangemeinde nicht zu unterschätzen ist, wurde auch den Veranstaltern der Frankfurter Buchmesse klar: Dort darf die BookTok-Community seit ein paar Jahren die TikTok-Book-Awards verleihen und ihre Lieblingsbücher krönen.

Vor allem das Genre „Young Adult“, Englisch für „Junge Erwachsene“, wird auf BookTok rezensiert. Die Social-Media-affine junge Generation liest mit Vorliebe Liebesgeschichten, auch mit der Richtung Fantasy ist sie zu begeistern. Helmuts Buchtipps gehen dabei auch über das klassische Young Adult-Schema hinaus: Obwohl auch klassische Autorinnen und Autoren wie Elsie Silver rezensiert werden, gibt es auch diversere und nischigere Büchervorschläge. Mal stellt die Bibliothekarin einen guten Horror-Roman vor, mal geht es um feministische Literatur und auch ein klassischer Harry-Potter-Band gehört zu ihren Empfehlungen. Die Videos sollen jungen, social-Media-affinen Menschen Inspiration bieten und sie direkt da abholen, wo sie am meisten unterwegs sind – in der digitalen Welt.

Die Empfehlungen basieren auf eigenen Meinungen

Wie sucht Helmut, die in der Stadtbibliothek für den Raum der Dinge zuständig ist und den sozialen Lernraum in Bad Cannstatt betreut, die Buchempfehlungen aus? Dazu stimmt sie sich zuerst mit Jacqueline Hallgarten ab, die den Online-Account der JuBi betreut. Hat eine von ihnen kürzlich einen Roman gelesen, der ihnen gefallen hat, drehen sie eine Empfehlung dazu. „Eigentlich ist es immer das, was ich eine Woche davor in der Hand gehabt habe oder was Jacqueline vor kurzem gelesen hat. Wenn wir das gut fanden und das auch wirklich empfehlenswert war, dann kommt es auf den Instagramkanal.“

Zusammen filmen sie dann ein kurzes Video, in dem Helmut die Handlung zusammenfasst und begeistert erklärt, was an dem Buch ihr so gut gefallen hat. Dabei erzähle sie meist spontan und frei heraus: „Meggi macht dann, relativ aus dem Stegreif, sehr authentisch einfach diese Reviews zu diesem Buch“, erzählt Hallgarten, die hinter der Kamera steht. Diese Nahbarkeit kommt bei ihren Followerinnen und Followern gut an. Mit ihrer sympathischen Art wirkt Helmut wie eine Freundin, die persönliche Buchtipps gibt und macht dadurch Lust, die von ihr angepriesenen Romane selber zu lesen.

Dabei lassen sich die Bibliothekarinnen auch von den neuesten BookTok-Trends inspirieren, die sie auch persönlich gerne lesen. „Wir lesen und hören uns die Sachen auch gerne an, die die Social-Media-Szene uns so empfiehlt und wenn die wirklich gut sind, empfehlen wir die auch gerne immer weiter“, erklärt Helmut. Margarete Helmut ist vor allem Fan des Genres Romance und Fantasy. In letzter Zeit gut gefallen hat ihr außerdem die „Boys of Tommen“-Reihe von Chloe Walsh. Auch von den „Throne of Glass“-Bänden von Sarah J. Maas kann sie lange schwärmen. Insgesamt liest die Bibliothekarin um die 20 Bücher pro Monat und hat dementsprechend auch viel Wissen zu den aktuellen Jugendbuch-Trends. Stefanie Schilling kann besonders „Iron Widow“ von Xiran Jay Zhao empfehlen.

„Die junge Generation bekommt ihre Buchempfehlungen vor allem online“

Social Media wird für die Menschen immer wichtiger. Auch bei den Ausleihzahlen merkt man das. Viele junge Besucherinnen und Besucher fragen mittlerweile explizit nach Romanen, die sie von TikTok und Instagram kennen. Laut Stefanie Schilling, die die Kinder- und Jugendbibliothek leitet, kommen immer mehr Menschen, die gezielt nach den aktuell gehypten Büchern suchen. Auf den Ansturm haben die Bibliothekarinnen und Bibliothekare sogar mit einem eigenen BookTok-Regal reagiert, in dem all die Bücher stehen, die in der Online-Community aktuell empfohlen werden. Helmut beschreibt es so: „Bei dem, was auf BookTok gehypt ist, kann man eigentlich ziemlich sicher sein, dass es eigentlich gut ausgeliehen wird.“

BookTok-Bücher sind etwas für junge weibliche Leserinnen, die einfach nur ein bisschen Liebesgeschichten lesen möchten, so lautet das gängige Klischee. Obwohl Romance-Rezensionen einen Großteil der Internetbeiträge ausmachen, ist die Online-Welt breiter aufgestellt. Unter den sogenannten Young-Adult-Romanen sind auch viele Bücher, die wichtige gesellschaftliche Themen aufgreifen, zudem sind feministische und historische Literatur auf BookTok ein beliebtes Subgenre. Das alles nur als einseitige Trends abzutun, findet Helmut schwierig: „ Das Genre Booktok ist viel mehr. Das lesen eben nicht nur weibliche, junge Leserinnen, ich kenne auch ältere weiblichen Leserinnen, die daran Gefallen finden. Es lesen aber auch viele Jungs. Mittlerweile gibt es ja auch Sachbücher auf TikTok und das ist dann schon generationenübergreifend.“ Dass auch ältere Leute neugierig auf Bücher mit dem BookTok-Label werden, fällt ihr auch anhand des Regals auf, in dem diese Lektüre steht. „Da kommen auch andere Generationen drauf zu, die meinen, hey, das sieht doch voll cool aus, schauen es sich an und nehmen was mit“, beobachtet sie.

Nicht alle Trend-Bücher sind auch wirklich gut

Die Nachfrage steigt also immens. Führt das jetzt dazu, dass Neukäufe nur noch nach Social-Media-Hype und Klickzahlen ins Sortiment genommen werden? Wichtig ist zu betonen, dass der Bekanntheitsgrad im Internet nicht unbedingt etwas über die Qualität eines Buches aussagt. Hier sind sich die drei Bibliothekarinnen einig. Natürlich werden die Bücher beschafft, von denen sie wissen, dass junge Leute sie gerne lesen möchten. Blind den Trends hinterherlaufen, das finde in der Stadtbibliothek allerdings nicht statt.

Ein Beispiel ist der Dark Romance-Roman „Haunting Adeline“ von H.D. Carlton. In diesem geht es um einen Stalker und eine junge Autorin, die eine enorm toxische Beziehung führen. Der Roman ist starker Tobak: Von Stalking, Menschenhandel und expliziten und drastischen Sex- und Gewaltszenen ist alles dabei. Obwohl der Inhalt einen flau im Magen machen kann, gab es auf Instagram und TikTok einen enorm begeisterten Rummel auf das Buch. Dass das kein Einzelfall ist, hat Jacqueline Hallgarten schon seit einiger Zeit bemerkt: „Es ist tatsächlich so ein Faktor, dass diese ganzen stark sexualisierten Bücher wahnsinnig gehypt werden. Die gehen im Algorithmus halt immer recht weit nach oben.“ Die Aufgabe der Bibliotheken sei es, aus der Auswahl an BookTok-Trends dann die qualitativ hochwertigsten und besten Bücher herauszufiltern.

Insgesamt sind sich die Bibliothekarinnen einig, dass Social Media für die Buchwelt, und dementsprechend auch für Bibliotheken, immer wichtiger wird. Deshalb ist die Stadtbibliothek auf mehreren Plattformen präsent. Dass das bei den Followern gut ankommt, kann man an den Klickzahlen erkennen. Die selbstgedrehten BookTok-Videos auf dem Instagram-Account der JuBi laufen laut Hallgarten dabei am besten.