Jeden Tag geht Silvia Kadasch in ihren Garten, um ihre Bäumchen zu pflegen. Foto: Simon Granville

Vor 45 Jahren hat Silvia Kadasch das Bonsai-Fieber gepackt. Seitdem hat sie in ihrem Garten in Weil der Stadt Hunderte der Mini-Bäume gepflegt. Die Ausbildung dauerte acht Jahre.

Sitzt man auf der Terrasse von Silvia Kadasch und ihrem Lebensgefährten, blickt man auf einen Wald, der kaum Schatten spendet. Olivenbäume spreizen ihre kleinen, hellen Blätter, die Nadeln einer Kiefer schimmern satt, während ein Ahorn sich schon ein wenig rötlich färbt. Ein Wald ist das allemal, nur eben im Miniformat – denn Silvia Kadasch sammelt Bonsai. Nur wenige der 200 Bäume in ihrem Garten messen mehr als einen Meter.

 

Bonsai, das ist für die Weil der Städterin: Kunst. Und zwar lebendige. „Man muss immer daran arbeiten. Der Baum ist nie fertig“, erzählt sie. „Und wenn man nichts macht, dann hat man in einem Jahr einen Busch.“ Bonsai sind in der Regel ganz normale Bäumchen, die ihr Miniaturformat durch regelmäßige Pflege und besonders viel Geduld erhalten: Mit Drähten werden die Äste in die gewünschte Form gebracht, durch regelmäßiges Zurückschneiden bekommen die Pflanzen dann ihre dichte Krone, die den Bonsai ihren charakteristischen Look gibt.

In 45 Jahren über 200 Bonsai gesammelt

Ab dem Frühjahr geht Silvia Kadasch dafür jeden Tag in ihren Garten, schneidet, drahtet und topft um. Im Sommer, wenn die Temperaturen besonders hoch klettern, muss sie dreimal am Tag ihre 200 Bäume wässern. Urlaub, das geht für das Paar nur im Winter. Ein aufwendiges Hobby? „Macht ja auch Spaß“, erwidert Kadasch.

Sie erinnert sich noch genau, wann das „Bonsai-Virus“ sie gepackt hat: Vor 45 Jahren, als sie die Kunstform mit den kleinen Bäumen in einer Zeitschrift entdeckte und sofort begeistert war. „Als die Szene in Deutschland entstanden ist, gab es kaum Bücher oder Workshops“, erinnert sich Kadasch. Vieles übersetzte man also aus dem Japanischen, wo die Kunstform herkommt. Das hatte auch seine Tücken. Denn in Japan herrscht anderes Klima, es gibt andere Erde. Viele Pflanzen wurden deshalb in den 80ern aus Japan importiert. Das hat sich geändert. Inzwischen sind heimische Sorten hier ebenso beliebte Bonsai-Bäume.

In Weil der Stadt hilft der Bonsai-Arbeitskreis gerne aus

Für Silvia Kadasch ist das Hobby auch nach ihrer Entdeckung Anfang der 80er geblieben. Vor 40 Jahren, im Februar 1985, war sie eines der Gründungsmitglieder des Bonsai-Arbeitskreises Weil der Stadt. Sie ist bis heute seine Vorsitzende. Der Arbeitskreis hat den runden Geburtstag erst kürzlich mit einer großen Ausstellung im Klösterle gefeiert, bei der die rund 20 Mitglieder ihre eigenen Bonsai präsentiert haben.

So wie die japanische Tradition es will, werden die Bäume auf solchen Ausstellungen mit dekorativem Tisch, einem passenden Wandbild und einer noch kleineren Komplimentärpflanze präsentiert. Auch die Erde darf nicht zu sehen sein – der Boden ist deshalb häufig mit Moos oder Lehmgranulat bedeckt. Dass man seine Kunstwerke herzeigt, gehört dazu: Kunst soll gesehen werden.

Dieser chinesische Wacholder tauchte auch schon auf der Speisekarte eines japanischen Restaurants auf. Foto: Simon Granville

Sogar Preise hat Silvia Kadasch schon gewonnen für ihre Bonsai, etwa für eine 400 Jahre alte Olivenpflanze. Ein chinesischer Wacholder aus ihrer Sammlung wurde vor 25 Jahren bei einem Contest als einer der „100 besten Bäume der Welt“ ausgezeichnet. Bis heute tauchen Bilder der Pflanze in US-amerikanischen Bildbänden oder japanischen Restaurantmenüs auf.

Bonsai-Kunst: Kein einsames Hobby

Neben regelmäßigen Ausstellungen bietet der Weiler Arbeitskreis aber auch: Austausch. Über den richtigen Dünger, die Bewässerung oder Schädlingsbekämpfung sprechen die Mitglieder dann. Auch Nicht-Mitglieder schauen immer mal wieder vorbei, oft, weil sie ein Problem mit ihren eigenen Bonsai haben. „Wir helfen dann gerne, damit die Leute Freude an ihren Bäumen haben.“

Silvia Kadasch selbst ist nicht nur wegen ihrer 45 Jahren Bonsai-Erfahrung eine gute Quelle, sondern auch, weil sie sich zur anerkannten Bonsai-Lehrerin hat ausbilden lassen. Die Qualifizierung hat Geduld erfordert, genauso wie das Hobby selbst: Acht Jahre lang besuchte Kadasch Workshops und legte schließlich eine Prüfung ab, damit sie den Titel heute tragen darf.

Tipps zum Start mit Bonsai

Für sie ist die Bonsai-Pflege eben auch ein Hobby, das Verbindungen schafft. „Man macht das nicht nur daheim in seinem Kasten“, betont Silvia Kadasch. Ihren Lebensgefährten Kersten Lochner hat sie den Bäumchen zu verdanken. Er zog für die Liebe aus dem Rheinland nach Weil der Stadt – 100 Bonsai inklusive. „So hat sich die Sammlung deutlich vergrößert“, scherzt Kadasch. Zusammen hat das Paar reichlich „Bonsai-Freunde“, in Italien, Spanien, Japan.

Wer selbst mit der Bonsai-Kunst starten möchte, braucht derweil nicht viel, auch nicht viel Geld. Sogar geerntete Stecklinge von großen Bäumen lassen sich zum Bonsai züchten. Dafür braucht es hauptsächlich Geduld. Bereits gewachsene Bonsai kann man auch kaufen – nur nicht im Baumarkt, empfiehlt Silvia Kadasch. Denn das sei oft Billigware aus China, deren Töpfe keine Löcher haben und daher anfällig für Staunässe sind. „Da schlagen wir immer die Hände über dem Kopf zusammen“, sagt Kadasch. „Diese Bäume sind zum Tode verurteilt.“