Silvester-Feuerwerk über Stuttgart. Foto: Kraufmann

Stuttgart verzichtet auf Verbotszonen für das Abbrennen von Feuerwerkskörpern.

Stuttgart - Der Verkauf von Feuerwerkskörpern startet am heutigen Mittwoch - gleichzeitig starten die Debatten um das verschärfte Sprengstoffgesetz zum Schutz alter Fachwerkhäuser. Stuttgart hält neue Böller-Verbotszonen für nicht zweckmäßig.

Nach dem Großfeuer an Weihnachten mit Millionenschaden ist in Konstanz ein Böllerverbot in der Altstadt keine Frage mehr. Die seit 2009 geltende Verbannung von Feuerwerkskörpern aus der Nähe von Fachwerkhäusern wird in Stuttgart dagegen kaum eine Rolle spielen: "Die gesetzliche Regelung ist für die Landeshauptstadt nicht geeignet", sagt Alfons Nastold vom Amt für öffentliche Ordnung. Nach einem Gespräch zwischen Verantwortlichen von Stadt, Polizei und Feuerwehr wurde festgestellt, dass eine gesonderte Verbotsverfügung "nicht zweckmäßig" sei. Solche Zonen seien allenfalls in Bad Cannstatt, Obertürkheim oder Uhlbach denkbar. Dennoch werden keine Tabu-Bereiche ausgewiesen - die Polizei könne die auch nicht kontrollieren, heißt es. "Wir konzentrieren uns auf Einzelveranstaltungen mit Sondergenehmigungen", sagt Nastold.

Das Gesetz

Auf Antrag des Landes Niedersachsen wurde das Sprengstoffgesetz des Bundes im Oktober 2009 geändert. Demnach ist das Abfeuern von pyrotechnischen Gegenständen auch in der Nähe von Fachwerkhäusern verboten. Bisher galt dies in unmittelbarer Nähe von Kirchen, Krankenhäusern, Kinder- und Seniorenheimen. Die Missachtung kann mit einem Bußgeld bis zu 50000 Euro geahndet werden.

Die Nagelprobe

Beim letzten Jahreswechsel kam es in den historischen Städten in der Region zum Praxistest. Fazit: Geböllert wurde trotzdem - sei es in Ludwigsburg, sei es in Schorndorf. Die meisten Bürger hätten aber mit Verständnis reagiert, sagt Angelika Matt-Heidecker, Oberbürgermeisterin in Kirchheim/Teck: "Die Leute waren sehr vernünftig", die Regeln seien "weitestgehend befolgt" worden. Dennoch will sie die Gastronomen noch einmal auf das Böllerverbot hinweisen. In Waldenbuch im Kreis Böblingen weiß Ordnungsamtsleiter Tobias Butsch von "keinen negativen Rückmeldungen".

Die Kontrollen

Die Polizei ist nicht glücklich über die zusätzliche Verantwortung. "Wenn wir das Verbot konsequent durchsetzen wollten, müssten wir die Innenstädte absperren", sagt der Esslinger Polizeisprecher Fritz Mehl. Dann allerdings bleiben immer noch die direkten Anwohner. Das neue Verbot könne nur im Rahmen von anderen Einsätzen kontrolliert werden, sagt Mehl: "Ein großer zusätzlicher Aufwand ist nicht möglich, dafür haben wir die Leute nicht." Klaus Hinderer von der Waiblinger Polizei bestätigt: "Auch wir sind an Silvester leider nicht stärker besetzt als bisher." Generell seien in dieser Nacht aber mehr Einsatzkräfte unterwegs als sonst. Bei den Streifenfahrten würden dann schon verstärkt die Städte mit historischen Fachwerkensembles angefahren.

Schäden bis 250000 Euro in der Region

Die Brände

Den größten Schaden zum Jahreswechsel 2009/10 gab es in Möglingen, Kreis Ludwigsburg, als in einem Mehrfamilienhaus ein Dachstuhlbrand ausbrach. 250000 Euro Schaden richtete eine Rakete an, die zwischen Dachziegel und Dämmmaterial einschlug und das Gebäude in Brand setzte. Ein totes Kaninchen war auf einem brennenden Balkon im dritten Stock eines Mehrfamilienhauses in Ludwigsburg zu beklagen. Die Bewohner waren nicht zu Hause, das Tier verendete in seinem Käfig.

Die Stuttgarter Feuerwehr registrierte acht Brände, zehn Kleinbrände und fünf Fehlalarme. "Es war vergleichsweise ruhig", stellt Feuerwehrsprecher Sebastian Fischer fest. 40000 Euro Schaden gab es beim Brand auf einem Balkon eines Hochhauses in Feuerbach - die Flammen breiteten sich über ein geöffnetes Fenster ins Innere aus. Bei einem Brand auf einem Balkon in Gablenberg gab es vier Leichtverletzte.

Das Böller-Verbot in der Nähe von Fachwerkhäusern blieb weitgehend unbeachtet. In Schorndorf beispielsweise löste ein Feuerwerkskörper einen Brand auf einer Baustelle am alten Rathaus aus. Eine Rakete hatte eine Abdeckplane entzündet, das Feuer wurde schnell von der Feuerwehr gelöscht. Der Verursacher blieb unbekannt.

Die Richter

Mit seinem Urteil vom 9. Februar 2010 (Aktenzeichen 10U 116/09) hat sich das Oberlandesgericht Stuttgart eher auf die Seite der Feuerwerksbenutzer gestellt. Die Richter bewahrten einen Mann davor, einer Versicherung 418000 Euro Schadenersatz zahlen zu müssen, nachdem seine Rakete eine Scheune niedergebrannt hatte. Zentraler Satz der Richter: "War die Gefahr des Eindringens des Feuerwerkskörpers in das Gebäude bei aller Sorgfalt nicht erkennbar, haftet derjenige, der die Feuerwerksrakete gezündet hat, nicht für den Schaden."