Gabriele Sengpiel ist Tierärztin aus Berufung. Foto: factum/Bach

Seit vier Wochen hat das Böblinger Kreistierheim eine neue Leiterin: Gabriele Sengpiel soll eine Apotheke einrichten. Damit soll nach den Streitereien der Vergangenheit beim Tierschutzverein ein neues Kapitel aufgeschlagen werden.

Böblingen - Gabriele Sengpiel entspricht ganz und gar nicht dem typischen Bild, das man sich von einer Tierheimleiterin macht. Statt robustem Fleecepulli und Strubbelfrisur trägt sie ein weißes Shirt, ein dunkles Jackett und dezentes Make-up. Sie könnte auch als Sachbearbeiterin in einem Büro oder als Verkäuferin in einem gepflegten Laden arbeiten. Lediglich die stabilen Schürschuhe weisen darauf hin, dass die Frau einen Job hat, der eine ganze Portion Standfestigkeit erfordert.

Denn die wird sie brauchen, hat sich ihr Posten doch in der Vergangenheit eher als Schleudersitz entpuppt. Nur drei Monate hatte es ihre Vorgängerin ausgehalten. Davor und danach war das Amt jeweils ein Jahr lang unbesetzt. Zwei Ausschreibungsverfahren hat der Geschäftsführer Detlev Herre mit seiner früheren Kollegin Petra Erbes durchgezogen. Doch der ideale Kandidat sei leider nicht darunter gewesen, bedauerte Herre. Gesucht wurde ein Mann oder eine Frau für einen Posten, wie es ihn sonst bundesweit kaum gibt: ein Tierarzt, der das Tierheim führt und gleichzeitig ein Auge auf die Gesundheit der Tiere und die Qualität der Pflege haben soll. Normalerweise leiten Tierpfleger ein Tierheim. Doch Herre und Erbes wollten einen Tiermediziner.

Tierärztin erst im zweiten Leben

Gabriele Sengpiel ist Tierärztin – und zwar aus Berufung. Dabei ist sie eine Spätberufene. Erst mit Ende 30 begann die Zahnarzthelferin das Studium der Tiermedizin in Gießen, nachdem sie zuvor das Abitur nachgemacht hatte. Im Studium kam sie sich vor wie ein Exot. „Nur fünf von 220 Studenten sind nicht direkt aus der Schule gekommen.“

2007 erhielt sie die Approbation zur Tierärztin. Zunächst arbeitete sie in den Veterinärämtern in Gießen und und dem sächsischen Bernburg. Dabei erhielt sie Einblicke auch in die Arbeit von Tierheimen. Und da wollte sie hin, weg vom bürokratischen Behördenalltag.

Auf gut Glück meldete sie sich bei Tierheimen in der ganzen Bundesrepublik. Böblingen war der südlichste Punkt. Und hier rannte sie mit ihrer Bewerbung offene Türen ein. Detlev Herre lud sie zum Gespräch ein. Einen ganzen Nachmittag unterhielt er sich mit der gebürtigen Mainzerin . „Ich dachte, die könnte es schaffen“; sagt er. Dass sie keine langjährige Tierheimerfahrung mitbringt, sieht er nicht als Manko. „Der Blick von außen bringt auch so manche neue Idee.“

Der schwäbische Dialekt gefällt ihr

Und so wagte Sengpiel im August mit 49 Jahren noch einmal einen Neuanfang und zog aus Sachsen in den Süden der Republik. In Böblingen gefällt es ihr. „Die Menschen sind sehr offen, und der schwäbische Dialekt ist schön.“ Neben der Leidenschaft für Tiere hat Sengpiel, die sich als Stadtmensch bezeichnet, auch noch viele andere Interessen: „Ich bin ein absoluter Schlösser-Fan.“ Das Solitude hat sie bereits erkundet – und ist ganz entzückt.

Privat steht die neue Chefin auf Katzen, sechs eigene hat sie. Beruflich könne sie es mit allen Tieren, sagt sie. Neben der Tierheimleitung gehört auch der Aufbau einer eigenen Tierheimapotheke zu ihren Aufgaben. Damit erhofft sich Detlev Herre Einsparungen. Und Sengpiel soll auch einfache Eingriffe wie Kastrationen durchführen.

Am Herzen liegt ihr, Kinder frühzeitig an den Tierschutz heranzuführen. Damit sie nicht erleben muss, was ihr als Veterinäramtsleiterin passierte: Jugendliche schlugen zwei Katzen tot – aus Spaß und zum Filmen mit der Handykamera. „Kinder müssen von Klein auf den Respekt vor Tieren lernen“, sagt Sengpiel überzeugt.