1500 Repair-Cafés, wie das hier in Heiningen, gibt es in Deutschland. Foto: Staufenpress

Wenn am Rollator ein Rädchen fehlte, schraubten die Fachleute vom Repair-Café vor Ort. Jetzt reparieren sie Online.

Böblingen - Sie sind nachhaltig, sie sind sozial – und sie sind geschlossen. Das Repair-Café in Böblingen startet für den 6. März einen Versuchsballon: Was künftig Auge in Auge mit dem Reparateur geschah, soll von da an online stattfinden.

Der 63-jährige Rainer Scholz ist gelernter Ingenieur der Nachrichtentechnik, hat im Vertrieb der IBM Deutschland gearbeitet und will sich nicht damit abfinden, dass wertvolle elektronische Geräte wegen Bagatelldefekten weggeworfen werden. Für ihn ist es ein Gebot der Nachhaltigkeit, einen kaputten Stecker auszutauschen oder eine Sicherung zu wechseln, damit der Besitzer noch viele Jahre Freude an seinem Gerät hat.

Dabei geht es seinen Mitstreitern im Böblinger Repair-Café vor allem um die Hilfe zur Selbsthilfe. Sie zeigen den Gästen des Cafés, wie herum man einen Schraubenzieher hält, wie man ein verklammertes Gehäuse aufbekommt und wo man die Sicherungshalterungen findet, alles kein Hexenwerk.

Das alles ist nachhaltig, und das alles macht den ehrenamtlichen Reparateuren einen unbändigen Spaß. Vor allem können sie hier das in unzähligen Berufsjahren erworbene Fachwissen für die Allgemeinheit einsetzen. Seit der Corona-Pandemie war das nicht mehr möglich, aber das Repair-Café wäre wohl kein Repair-Café hätte es nicht die Fähigkeit, diesen untragbaren Zustand zu reparieren.

Am vergangenen Dienstag war der erste Probelauf für das Repair-Café online, und er ist geglückt. Die Reparierer haben mittels der Internet-Software „Zoom“ mehrere virtuelle Räume geschaffen, in denen sich je zwei Reparateure aufhalten, um den Gästen zu helfen. Der Gast wählt sich ein, hält das defekte Teil in die Kamera und lässt sich dann beraten. Gewisse Vorarbeiten, sofern möglich, sollten schon getätigt sein, etwa das Gehäuse eines Gerätes geöffnet und mehr. Getestet haben die Fachleute auch schon die Durchlässigkeit der virtuellen Räume. Falls mal ein Reparierer nicht zu Streich kommt, kann er einen Kollegen zu sich in den virtuellen Raum holen, der ihm zur Seite steht. Die Fachleute rechnen damit, dass in einer Stunde die wichtigsten Handgriffe getan sind.

„Machen ist Möglich“

Einig sind sich die Reparierer, dass 220 Volt-Anschlüsse im Online-Repair-Café tabu sind. Hier ist einfach die Verletzungsgefahr zu groß, um noch virtuell zu arbeiten. Elektrische Geräte im Niedervoltbereich hingegen, denen wollen sie gerne den Fehlerteufel austreiben. Aber es ist ja nicht nur die Elektrik, die manchmal eine helfende Hand braucht, auch Schuhe, Textilien, oder einfache mechanische Geräte, wie Uhren können hier wieder zum Laufen gebracht werden. Und selbst für die Lieblingspuppe findet sich jemand, der die Risse kittet oder der am Rollator das Rad wieder anfügt.

„Machen ist möglich“, das ist der Leitsatz, unter dem Rainer Scholz seit vielen Jahren arbeitet. Er will zur Selbsthilfe anleiten, und er will Leuten, die wenig Geld haben, oder ein über Jahrzehnte lieb gewordenes Stück nicht wegwerfen wollen, weiterhelfen. Dabei geht es auch darum, die Qualität eines Produktes wert zu schätzen und vielleicht schon in der Anschaffung darauf zu achten, keine reinen Wegwerf-Produkte zu kaufen.