Die archäologischen Grabungen auf dem Schlossberg schreiten voran. Foto: Eibner-Pressefoto/Michael Memmler

Archäologen graben sich auf dem Böblinger Schlossberg in die Vergangenheit. Jetzt steht fest: Das wird teurer als vorgesehen.

Die archäologischen Grabungen auf dem Böblinger Schlossberg kosten mehr als geplant. Eine Nachricht, die die Stadträte am Mittwochabend in der Sitzung des Technischen Ausschusses schlucken ließ. Gerd Brodbeck (Freie Wähler) sprach von einem „Fass ohne Boden“ und machte seinem Ärger deutlich Luft. Vergangenes Jahr war zunächst die Rede von 100 000 Euro gewesen, dann stellte sich heraus, dass die Kosten deutlich höher angesetzt werden müssen und der Gemeinderat gab nach Diskussionen grünes Licht für 815 500 Euro. Jetzt steht fest: Auch das reicht nicht. Stattdessen könnten sie auf knapp 1,3 Millionen Euro steigen und nur einen Teil der Arbeiten abdecken.

 

Seit Januar graben Archäologen hoch über den Dächern der Stadt. Das geht auf den Grundsatzbeschluss des Gemeinderats zurück, eine Neubebauung des Schlossbergs voranzutreiben. Aufgrund der historischen Bedeutung des Orts sind im Vorfeld einer möglichen Bebauung archäologische Untersuchungen notwendig. Den Aufwand dieser Grabungen hat die Stadtverwaltung unterschätzt, wie Timo Nußbaum, Leiter des Amts für Gebäudemanagement, unumwunden zugab. „Er ist erheblich größer als bei anderen Grabungen“, sagte auch Dorothee Brenner vom Landesamt für Denkmalpflege, die in der Sitzung anwesend war.

Funde teilweise von erheblicher Wichtigkeit

Nußbaum fasste die Gründe zusammen: Das Böblinger Schloss wurde 1943 von Bomben zerstört. Ein Kampfmittelbeseitigungsdienst müsse die Arbeiten intensiver überwachen als ursprünglich geplant. Eine wilde Kabelführung erschwere die Grabungen. Zudem sei die Überprüfung der Statik aufwendiger und die Zahl der historischen Funde höher als gedacht.

Dorothee Brenner vom Landesamt für Denkmalpflege /Michael Memmler

Brenner gab einen kurzen Überblick, was sich seit Beginn der Grabungen getan hat. Inzwischen ist der denkmalgeschützte Gewölbekeller, der bei einem Vor-Ort-Termin im März noch voller Schutt war, freigeräumt. Wie komplex die Arbeitsvorgänge sind, zeigte das Beispiel eines Brunnens, den die Archäologen direkt neben dem Kellerabgang entdeckt haben. Doch bevor sie ihn näher untersuchen, muss ein Statiker prüfen, ob dadurch die Stabilität des Kellers gefährdet wird. Das älteste freigelegte Elemente ist die Umfassungsmauer aus dem 13. Jahrhundert, die die Archäologen im März präsentiert haben. Fest steht laut Brenner, dass die gefundenen Strukturen, wie etwa die Mauer, teilweise von erheblicher Wichtigkeit sind. „Wir müssen einen Teil davon erhalten. Ein leeres Baufeld wird es am Ende nicht geben.“

Die Grabungen auf dem Schlossberg sind in ein südliches und ein nördliches Baufeld aufgeteilt. Die 800 000 Euro bezogen sich ursprünglich auf beide Bereiche. Nußbaum machte in der Sitzung klar, dass das Budget nur für die voraussichtlich noch bis Juli laufenden Arbeiten im südlichen Teil reicht. Der Vorschlag der Verwaltung: Das Geld nur dafür zu verwenden. Damit kein Baustopp droht, soll der Verwaltung darüber hinaus erlaubt werden, bei Bedarf über weitere 350 000 Euro zu verfügen. Die neue Bausumme, in die noch Kosten für eine Kampfmittelbeseitigungsfirma einfließen, könnte damit bei knapp 1,3 Millionen Euro liegen. Wie es mit dem nördlichen Baufeld weitergeht, ist noch unklar. Die Verwaltung will die notwendigen Maßnahmen neu ermitteln.

Müssen die Grabungen wirklich sein?

Brodbeck sprach von einem Vertrauensverlust. Wolfgang Kopp (Bürger für Böblingen) und er hätten darauf hingewiesen, dass die 800 000 Euro vermutlich nicht reichen. „Aber die Verwaltung hat uns signalisiert, dass da schon Spielräume eingeplant sind. Man hat uns in Sicherheit gewiegt, dass das reicht.“ Nußbaum verwahrte sich gegen den impliziten Vorwurf, die Kosten schöngerechnet zu haben. „Sie haben recht, das ist blöd gelaufen. Aber keiner versucht hier, mit politischen Kostenschätzungen zu arbeiten.“

Das Innere des Gewölbekellers. Foto: LAD/E&B exkav

Das südliche Grabungsfeld ist deutlich sichtbar. Dort, wo rechts der Bagger und die Autos stehen, befindet sich das nördliche Feld Foto: //E&B exkav

Stadtrat Pascal Panse (CDU) stellte angesichts der Kosten die Sinnhaftigkeit der Grabungen in Frage. „Die sind sicher aufschlussreich, aber auch ein nice to have.“ Oberbürgermeister Stefan Belz (Grüne) verwies daraufhin auf den Grundsatzbeschluss, der diese Art der Voruntersuchung vorsehe. Und Markus Helms (Grüne) erinnerte daran, dass sich das Gremium bewusst dafür entschieden habe, mehr über die Geschichte Böblingens erfahren zu wollen. Er halte Geschichte für ein wichtiges Thema und stehe zu seinem damaligen Votum.

Der Zugang zum Keller ist in der Mitte des Grabungsfelds deutlich sichtbar. Foto: //E&B exkav

Mit der Kostenentwicklung zeigte sich allerdings keiner der Räte zufrieden. Trotzdem empfahl eine Mehrheit der Ausschussmitglieder dem Gemeinderat am 30. April der Sitzungsvorlage zuzustimmen. Mit der Änderungen, dass die 350 000 Euro nur für das südliche Feld und nicht etwa für Vorbereitungen auf dem nördlichen Feld verwendet werden. „ Ich bin sauer und traurig. Aber wir sind uns einig: den Süden fertig machen – und vom Norden die Griffel lassen“, fasste Ralf Sklarski (Freie Wähler) den Gemütszustand von sich und vermutlich einigen seiner Ratskollegen zusammen.

Geschichte und Zukunft

Geschichte
 Spätestens seit Mitte des 13. Jahrhunderts ist auf dem Böblinger Schlossberg eine Burg belegt. Die Mauer, die die Archäologen der Firma E&B Excav freigelegt haben, stammt aus dieser Zeit. Um 1530 wurde die Burg zum Schloss ausgebaut. Zu dieser Zeit entstand vermutlich der Bau auf der Nordseite. 1817 kaufte die Stadt das Schloss und funktionierte es in ein Schulzentrum um. In der Nacht auf den 8. Oktober 1943 zerstörten Bomben das Gebäude, es wurde abgerissen.

Umstrittenes Projekt
 2021 hat der Gemeinderat den Grundsatzbeschluss gefasst, die Neubebauung des Schlossbergs voranzutreiben. Doch das Vorhaben ist umstritten. Zentrale Fragen sind: Ist der geplante Gebäudekomplex für die Musik- und Kunstschule zu massiv, der Schlossberg der richtige Ort, das Projekt überhaupt finanzierbar? Was schlussendlich auf dem Schlossberg entsteht, ist aktuell noch offen.