Der ungarische Klaviervirtuose Mihály Berecz eröffnet am Freitag, 10. Januar, das 27. Internationale Pianistenfestival Böblingen und erntet stürmischen Applaus.
Die Fäden von Ulrich Köppen sind weit gespannt. Der Initiator und Veranstalter des Internationalen Pianistenfestivals bringt jedes Jahr aufs Neue große Pianisten auf die Bühne des Württembergsaals der Böblinger Kongresshalle.
Das Festival ist unter anderem Kooperationspartner des Internationalen Beethoven-Wettbewerbs Wien sowie des Concours Géza Anda Zürich, was die Auswahl der Künstler sicherlich erleichtert. Darüber hinaus ist auch die Zusammenarbeit mit dem Sindelfinger Klavierfachgeschäft Piano Hölzle von unschätzbarem Wert. Die Beziehungen nach Sindelfingen und Wien erwiesen sich in der Form als Glückssache, insofern auf der Bühne erstmalig ein prächtiger Bösendorfer Flügel zu sehen war. Dieses mehr als 200 000 Euro teure „Vienna Concert“-Prunkstück durfte die Reise von Wien über Sindelfingen nach Böblingen antreten und steht dem Festival leihweise unentgeltlich für vier Wochen zur Verfügung. Der 27-jährige ungarische Ausnahmepianist Mihály Berecz war am Freitag also der erste Künstler, der in den Genuss kam, dieses feine Instrument spielen zu dürfen. Sein Urteil: „luxuriös!“. Seine Spielkunst, die er hernach rund 250 Besuchern offerierte: fantastisch!
Zunächst jedoch versammelten sich vier Herren auf der Bühne. Köppen und Kulturamtsleiter Sven Reisch durften Markus Wyler, den Generalsekretär der Géza Anda Stiftung, sowie den französischen Generalkonsul Gaël de Maisonneuve aus Stuttgart begrüßen. Wyler ist in Zürich federführend für einen der weltweit renommiertesten Pianowettbewerbe zuständig, während sich de Maisonneuve als Franzose besonders auf die Werke von Claude Debussy (1862-1918) und Frédéric Chopin (1810-1849) freute.
Schwere Kost von Bartók
Das Genre Klavierzyklus steht heuer im Mittelpunkt des Festivals. So richtete der Ungar Berecz neben Haydn, Debussy und Chopin sein Augenmerk besonders auf seinen Landsmann Bela Bartók (1881-1945), dessen Bearbeitung der ungarischen Bauernlieder viel Raum einnahm. Gewiss nicht immer leichte Kost, da die Volksmelodien mit avantgardistischen Klängen konfrontiert werden, die selbst Bartók als „äußerste Grenze“ bezeichnete: skizzenartige Geistesblitze aus kürzesten Notenmotiven, witzig, provokant und gewürzt mit Sekundreibungen. Sie wirken wie aus dem Moment geboren oder wie Phrasen einer Krimiuntermalung, stets von überraschenden Momenten geprägt. Ohne Zweifel jedoch stellen sie höchste Herausforderungen an den Interpreten, der diese bravourös meisterte. Im Gegensatz dazu kam die eingangs gespielte Sonate in F-Dur von Joseph Haydn (1732-1809) sehr leichtfüßig daher: Die Finger Berecz tanzen mit höchster Präzision trampolinartig über die Tasten, was akustisch an ein munteres Flügelschlagen von Vögelchen erinnerte. Die „Six Édudes, premier livre“ von Debussy sind sowohl technisch, als auch hörtechnisch höchst anspruchsvoll. Dennoch sind sie keineswegs als pianistische Übungen zu verstehen. Sie stellen eindrucksvolle romantische und impressionistische Charakterstücke dar, die sowohl dem Interpreten, als auch dem Zuhörer einiges abverlangen. Alle Klangmöglichkeiten des Vienna Concert-Flügels machte sich Berecz hierbei zunutze. Chopin, der mit seiner „Sonate b-Moll, op.35“ das Ende des Abends zierte, wirkte dagegen wesentlich gefälliger, auch wenn beim Trauermarsch „Marche funèbre, lento“ vorübergehend eine gewisse Schwere aufkam. Diese konnte aber durch vertraute Harmonien leicht kompensiert werden. Nach stürmischem Applaus und zwei Zugaben blieb dem Künstler nur noch eine kurze Nacht, bevor es für ihn am frühen Samstagmorgen direkt zu weiteren Konzerten nach Madrid ging.