Auf dem Böblinger Flugfeld lässt Wörwag Pharma gerade den neuen Firmensitz bauen. Foto: factum/Jürgen Bach

Bei dem Böblinger Familienunternehmen Wörwag Pharma laufen die Geschäfte auch aus dem Homeoffice: Die Geschäftsführerin Monika Wörwag berichtet von einer hohen Nachfrage, hält ihre Branche für krisenfest und stellt nach wie vor Personal ein.

Böblingen - Ein Punkt ist Monika Wörwag sehr wichtig: „Wir sind derzeit voll lieferfähig“, sagt die Geschäftsführerin von Wörwag Pharma. Als eine der wenigen Firmen im Kreis Böblingen bringt die Corona-Krise das Pharmaunternehmen nicht von seinem Wachstumskurs ab. Die Nachfrage nach Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen in Tablettenform ist nach wie vor hoch.

Frau Wörwag, wie geht es Ihnen?

Wir sind alle gesund. In der Firma haben wir unter den rund 1000 Mitarbeitern noch keinen positiven Corona-Fall, weder in Böblingen noch im Ausland. Darüber sind wir sehr froh.

Wie wirkt sich die Corona-Krise auf Ihr Unternehmen aus?

Der Erhalt des Geschäftsbetriebs ist sehr wichtig für uns als Pharmaunternehmen. Viele Patienten sind auf unsere Medikamente und Präparate angewiesen. Wir sind derzeit auch voll lieferfähig. Fast alle Mitarbeiter arbeiten von zu Hause aus, inklusive der Außendienstler. Die Meetings finden elektronisch statt. Wir sind inzwischen ja in 35 Ländern vertreten. Unsere gute IT-Ausstattung macht sich bezahlt.

Ist die Nachfrage nach Ihren Produkten gestiegen?

Im ersten Quartal und vor allem im März hatten wir eine sehr hohe Nachfrage, mit einer Steigerungsrate im hohen zweistelligen Bereich. Unsere Medikamente und Präparate werden zur Stärkung des Immunsystems eingesetzt und bei diabetischen Begleiterkrankungen. Ich denke, viele Patienten haben sich bevorratet. Wir rechnen damit, dass die Nachfrage wieder abflaut.

Die Krise wird Sie wirtschaftlich treffen?

Wir rechnen nicht damit, dass der Markt einbricht. Arzneimittel werden immer nachgefragt. In der Pharmabranche ist es nicht wie in manch anderen Bereichen, zumindest derzeit nicht. Wir sind sehr zuversichtlich, dass wir diese Krise überstehen können, auch wenn sie mehrere Monate dauern sollte. Als Familienunternehmen haben wir eine gute Liquiditätsbasis und stehen gut da.

Sie planen keine Kurzarbeit?

Nein. Wir prüfen unsere variablen Kosten, um die nötige finanzielle Flexibilität zu haben. Dazu zählen Fortbildungen und Marketing. Große Mailingaktionen an Ärzte ergeben momentan keinen Sinn. Die haben jetzt andere Probleme.

Wie sicher ist die Produktion?

Sie findet zu 80 Prozent in Deutschland statt. Bei den wichtigsten Produkten fahren wir eine Zwei-Lieferanten-Strategie: Wenn ein Lohnhersteller ausfällt, kann man bei dem anderen die Produktion hochfahren. Wir haben allerdings eine globale Lieferkette. Die Wirk- und Inhaltsstoffe werden weltweit beschafft. In Zukunft kann es natürlich wegen Grenz- oder Firmenschließungen zu Lieferengpässen kommen.

Planen Sie neue Produkte?

Das ist für uns schwierig, weil wir keine eigene Produktion haben. Also können wir nicht einfach umstellen. Wir konzentrieren uns auf die Versorgung der Patienten mit Vitaminen und Mineralstoffen sowie in Deutschland auch mit verschreibungspflichtigen Generika.

Das klingt, als könnte die Einnahme Ihrer Medikamente in Zeiten der Pandemie sinnvoll sein . . .

Für die Einnahme unserer Präparate liegen bestimmte Indikationen vor. Die Patienten haben beispielsweise Diabetes oder nehmen Magensäurehemmer ein. Eine Verbindung zum Coronavirus herzustellen, wäre nicht in Ordnung. Ich fände es nicht ethisch, aus so einer Situation Kapital zu schlagen.

Auf dem Flugfeld entsteht gerade Ihr neuer Firmensitz. Bereuen Sie die Investition?

Ganz und gar nicht. Wir liegen zum Glück im Zeitplan und freuen uns, wenn wir umziehen dürfen.

Dort gibt es viel Platz für neue Mitarbeiter: Stellen Sie momentan noch Personal ein?

Ja, wir suchen noch und stellen ein. Vergangene Woche hatten fünf neue Mitarbeiter ihren ersten Arbeitstag in Böblingen. Sie starteten allerdings im Homeoffice. Unsere IT-Abteilung hat sie mit Laptops und Headphones ausgestattet. Ich hoffe, dass wir in den nächsten Monaten weitere Vakanzen besetzen können. Allein in Deutschland haben wir rund ein Dutzend offene Stellen. Es ist gerade etwas mühsam, weil die Bewerbungsgespräche nur per Videokonferenz stattfinden können. Andererseits erreicht man die Bewerber derzeit sehr gut zu Hause.

Das stimmt hoffnungsvoll für die Zeit nach Corona. Wie wird es dann aussehen?

Unser Ziel ist es, unsere Belegschaft in allen Märkten beizubehalten. Aber keiner weiß, wie lange die Krise noch andauern wird. Ich hoffe, dass die Wertschätzung gegenüber den zahlreichen Menschen steigt, die uns alle täglich unterstützen. In so einer Krise wird einem bewusst, wie viel davon abhängt, dass wir gesund sind und arbeiten können. Und in der Pharmaindustrie haben wir Unternehmer immer unterstrichen, wie wichtig es ist, die Produktion in Europa sicherzustellen. Wenn China und Indien wegbrechen, kann es zu Lieferunfähigkeit kommen. Diese Gefahr sieht man im Moment bei den Antibiotika.