Am Tag danach: In der Nacht hatte der 17-Jährige seine Mutter und seine Großmutter in dem Haus in Böblingen umgebracht. Foto: SDMG

Ein 17-Jähriger, der im Dezember in Böblingen seine Mutter und Oma erstochen hat, wurde verurteilt. Er selbst hält sich nicht für krank. Aber er wird nun in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht.

Böblingen - Nach nur vier Verhandlungstagen stand das Urteil fest: Der 18-Jährige, der im Dezember in Böblingen seine Mutter und seine Großmutter erstochen hat, wird in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht. Die 3. Große Jugendkammer am Landgericht Stuttgart hatte eigentlich sechs Tage für das Sicherungsverfahren angesetzt. Staatsanwaltschaft und Richter waren sich einig, dass der Beschuldigte wegen einer psychischen Erkrankung schuldunfähig ist – aber gefährlich für die Allgemeinheit. Der junge Mann hält sich selbst für gesund und nicht psychisch krank.

Schwester musste die Tat angeblich mit ansehen

In der Nacht des 11. Dezember griff der damals 17-Jährige seine Mutter in der Wohnung der Familie in Böblingen mit einem Küchenmesser an. Zuvor soll es zu einem Streit gekommen sein, bei dem er die 38-Jährige beleidigte und geschlagen haben soll. Offenbar warf sich die Großmutter dazwischen, als er mit dem Messer dann zustach, wie aus der nichtöffentlichen Verhandlung bekannt wurde. Sie und die 61-Jährige wurden bei dem Kampf durch mehrere Stiche tödlich verletzt. Seine dreijährige Schwester hat die Tat angeblich mitansehen müssen, der zwölf Jahre alte Bruder war auch in der Wohnung, aber in einem anderen Zimmer. Er trug das Mädchen dann aus der Küche, wurde aus dem Verfahren bekannt. Gegen 2.40 Uhr rief der jugendliche Täter selbst bei der Polizei an. Ein Krankenwagen sei nicht mehr nötig, soll er dabei gesagt haben. Der 17-Jährige ließ sich widerstandslos festnehmen.

Bei der Familie handelt es sich um Spätaussiedler aus Russland. Laut seinen früheren Klassenkameraden soll der Verurteilte Drogenprobleme gehabt haben: Er rauchte Marihuana und nahm Amphetamine ein. Er würde wieder so handeln wie in der Tatnacht, sagte er vor Gericht. Der 17-Jährige zeigte sich der festen Überzeugung, dass seine Mutter ihn im Vorschulalter in Flüchtlingsunterkünften Männer zugeführt habe, die ihn vergewaltigt hätten. Damals war die Familie wohl gerade nach Deutschland gekommen.

Durch Drogenkonsum stark verändert

In Böblingen lebte der Jugendliche mit seinen Geschwistern, der Mutter und der Oma im Stadtteil Diezenhalde in einem mehrstöckigen Mietshaus mit Sozialwohnungen. Die Mutter war anscheinend alleinerziehend, ihre Schwester hatte die gegenüberliegende Wohnung gemietet. Nachbarn beschrieben die Familie als ruhig und waren von der Tat überrascht. Ehemalige Freunde von der Schule hatten am Tag nach der Tat berichtet, dass sich ihr früherer Kumpel durch seinen Drogenkonsum stark verändert habe. Er sei zuletzt abgemagert und blass gewesen – und ständig in Geldnot, erzählten sie. Vor drei Jahren machte der 18-Jährige den Hauptschulabschluss, eine Ausbildung hat er nicht absolviert. Der Tatverdächtige sei schon früher gewalttätig gewesen, berichteten die Jugendlichen, auch seine Mutter habe er schon geschlagen. Von einer psychischen Erkrankung war ihnen nichts bekannt.

In dem Sicherungsverfahren am Landgericht ist die Tat mithilfe von Zeugenaussagen wie in einem Strafprozess aufgerollt worden. Ein psychiatrischer Gutachter wurde hinzugezogen, um die bestehende Gefährlichkeit des Beschuldigte zu beurteilen und eine Prognose zur Entwicklung des Krankheitsbildes abzugeben. Der Prozess hat vor zwei Wochen am Landgericht begonnen. Da die Richter dem Antrag der Staatsanwaltschaft gefolgt sind, ist der 18-Jährige vom Vorwurf des Mordes frei gesprochen worden, weil er schuldunfähig ist. Hinter Gitter kommt er trotzdem – hinter die eines psychiatrischen Krankenhauses.