Wo bisher Parkplätze waren, gibt es jetzt Kuchen: Die Patisserie Seelenschmeichler hat sich auf der Stadtgrabenstraße ausgebreitet. Foto: Stefanie Schlecht/Stefanie Schlecht

Ein erster Schritt, der in die ehemalige Durchgangsstraße mehr Flair und weniger Verkehr bringen soll. Die Autos in der Stadt werden dadurch jedoch nicht weniger.

Böblingen - Am Elbenplatz wird gebaggert und gebaut. Langsam schält sich das neue Gesicht des Scharniers zwischen Unterstadt und Altstadt heraus. Großzügige Fußgängerfurten, breite Radwegbänder und Baumreihen zeigen: die Zeiten, in denen die Blechlawinen und Auspufftöpfe hier den Ton angeben, sollen der Vergangenheit angehören. Der Verkehrsknotenpunkt soll auch seiner Aufgabe gerecht werden, die Zentren der Stadt miteinander zu verknüpfen.

 

Während die neue Realität am Elbenplatz bis Herbst vollendet sein soll, beginnen wenige Meter weiter in der Stadtgrabenstraße die ersten Vorarbeiten für die Fortsetzung des Projektes. Wie im „Masterplan Schlossbergring“ vorgesehen, soll in das Gebiet rund um die Böblinger Altstadt mehr Lebensqualität einkehren, die Besucher und Bewohner der Unterstadt sollen in diese Bereiche gelotst werden, die Geschäfte davon profitieren und so mancher Leerstand und manch’ ödes Eck mit Leben erfüllt werden.

Platz vor der Patisserie Seelenfrieden

Marika Schäfer ist eine der Pionierinnen dieser neuen Welt in der Stadtgrabenstraße. Die Betreiberin der Patisserie Seelenschmeichler hat seit Anfang Juni Tische und Stühle vor ihr kleines Café gestellt und ist seither glücklich. „Die Kunden freuen sich, dass sie jetzt Kaffee und Kuchen draußen genießen können“, erzählt sie. Viele Menschen seien erst auf ihr Café aufmerksam geworden, seit sie Außengastronomie betreiben darf. „Das hat jetzt alles ein ganz anderes Flair“, sagt Schäfer. Um Platz für ihre Gäste zu schaffen, hat die Stadt drei Parkplätze geopfert und stattdessen ein paar Meter entfernt eine Ladezone auf den Asphalt gepinselt.

Marika Schäfer ist nicht die einzige Akteurin bei der testweisen Verwandlung der Stadtgrabenstraße in einen verkehrsberuhigten Bereich. Schräg gegenüber hat Roberto’s Feinkost sich ebenfalls nach außen geöffnet. Dort, wo bisher der Fahrradweg verlaufen ist, stehen nun üppig bewachsene Pflanzkübel, Sonnenschirme, Tische und Stühle. Der Radweg beschreibt seither einen Bogen um diese Oase mediterraner Gastlichkeit, die Autos müssen sich an dieser Stelle ab sofort mit einer Spur weniger zufriedengeben.

Vorgaben: nicht mehr als 2000 Fahrzeuge pro Tag

Zwei Beiträge zur Bereicherung des Stadtlebens, denen weitere folgen sollen. Denn die Stadtgrabenstraße wird in den kommenden Jahren ihr Gesicht deutlich verändern: von der Durchgangsstraße, in der sich in den Hauptverkehrszeiten die Autos in zwei Spuren Richtung Postplatz hinaufgestaut haben zu einem Bereich, in dem Autos nur noch eine Nebenrolle spielen. Das Fernziel: eine verkehrsberuhigte Zone, in der Fußgänger, Fahrradfahrer und Autos gleichberechtigt nebeneinander unterwegs sind.

Ob es so weit kommen wird, muss die Zukunft zeigen. Denn für einen verkehrsberuhigten Bereich haben die Gesetzgeber klare Regeln gesetzt: Mehr als 2000 Fahrzeuge pro Tag dürfen nicht durch die Straße rollen. Eine ziemliche Herausforderung an dieser Stelle: Bisher waren dort 8000 bis 10 000 Fahrzeuge täglich unterwegs, die Tiefgarage am Marktplatz und die Geschäfte müssen weiterhin angefahren werden können.

Dass es in Zukunft deutlich weniger Autos werden, dafür wird in erster Linie die neue Verkehrsregelung sorgen, die mit dem Umbau des Elbenplatzes ab Spätsommer greifen wird. Dann dürfen die Autos, die durch die Stadtgrabenstraße rollen, nicht mehr über den Elbenplatz fahren. Das Abbiegen wird nur noch nach rechts Richtung Listkreisel und Wolfgang-Brumme-Allee erlaubt sein.

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Klar ist, dass die Autos, die bisher durch die Stadtgrabenstraße gefahren sind, dann woanders unterwegs sein werden. Vor allem die Sindelfinger Straße und die Keller-Kreuzung beim Listplatz stehen in Zukunft unter deutlich mehr Stress. Einen Vorgeschmack gibt es bereits aufgrund des derzeitigen Umbaus am Elbenplatz: Die Fahrzeuge stauen sich teilweise bis hinauf auf den Postplatz.

Die Fahrbahn verschwindet – alle werden gleichberechtigt

Der Böblinger Bauamtsleiter Frank Bader weiß um dieses Problem. Derzeit, sagt er, sei der Verkehr aufgrund der Elbenplatz-Baustelle dort sehr konzentriert, und es gebe kaum Ausweichmöglichkeiten. Dennoch geht er davon aus, dass in diesem Bereich in Zukunft 20 Prozent mehr Verkehr sein wird. Ein Teil davon, glaubt Frank Bader, werde sich auf das gesamte Straßennetz verteilen, wenn die Autofahrer an die neue Regelung gewöhnt seien. Eine wirkliche Entlastung wird es jedoch erst dann geben, wenn die sogenannte Querspange gebaut ist, die den Osten der Stadt parallel zur A 81 mit dem Flugfeld verbindet. Diese Straße wird aber erst mit der Verbreiterung der Autobahn im Jahr 2026 zur Verfügung stehen.

Was aus der Stadtgrabenstraße wirklich wird, darüber wird das kommende Jahr entscheiden. Denn wenn der Elbenplatz umgebaut ist, wird der Verkehr in der Straße gezählt. Wenn sich herausstellen sollte, dass dann nicht mehr als 2000 Auto unterwegs sind, steht der Umbau an: Die Fahrbahn wird verschwinden, alle Verkehrsteilnehmer werden sich nur noch auf einer Fläche gleichberechtigt bewegen. Falls die Zahl der Autos nicht wie gewünscht abnimmt, wird die Straße zum „verkehrsberuhigten Geschäftsbereich“ – mit nur einer Fahrbahn, auf der eine Geschwindigkeitsreduzierung gilt. So wie im derzeitigen Testlauf.

Bitte gern noch mehr Außengastro

Die Ordnungsamtsleiterin Gisa Gaietto hofft nun, dass sich mit sinkendem Verkehrsaufkommen bald noch mehr Leben aus den Geschäften nach außen verlagert oder der eine oder andere Gastronom sich von der neuen Stadtgrabenstraße angezogen fühlt. „Wir sind offen für solche Pläne“, sagt sie, „je mehr Belebung desto weniger Verkehr.“ Dass das in Zukunft allerdings nicht ohne Parkplätze, Behindertenbestellplätze und Ladezonen geht, weiß Gisa Gaietto auch: „Die Mischung macht’s“, sagt sie.

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