Mit Anlauf ins kühle Nass: Viele Kinder haben trotz bewölktem Himmel im Böblinger Freibad Spaß. Foto: Andreas Ulmer/Eibner Pressefoto

Wenn rund 60 Kinder des Waldheims auf Besuch im Freibad Böblingen sind, lastet besonders viel Verantwortung auf den teils jungen Betreuern. Wie gehen sie damit um?

Mit Anlauf rennt ein Mädchen auf dem Dreimeterbrett vom Sprungturm ins Richtung Abgrund und springt lauthals ins Wasser. In einem anderen Becken rutscht ein Junge mit nach oben gereckten Händen und freudestrahlend dem Wasser entgegen. Am Beckenrand an diesem Mittwochnachmittag im Böblinger Freibad sitzen mit Iven, Sarah und Nils drei junge Menschen und besprechen sich. „Nils, du rutschst bei diesem Kind voran und fängst es unten dann auf“, gibt Sarah Reiche ihrem Betreuerkollegen Anweisungen. Die Aufgabe ist klar: Der Junge kann nicht schwimmen und muss daher im Wasser auf besondere Weise begleitet werden.

 

Die drei Schwimmbadaufseher mögen so erscheinen – aber sie sind keine Schwimmmeister. Sie sind Betreuer im Waldheim, der alljährlichen Sommerfreizeit für Kinder und Jugendliche auf dem Böblinger Tannenberg. Wie jeden Mittwoch in den Schulferien, besucht eine ganze Schar dieser Waldheim-Kinder das Freibad am Böblinger Silberweg. Rund 60 Kinder und Jugendliche zwischen acht und 12 Jahren verbringen an dem bewölkten und wenig schweißtreibenden Sommerferientag einige Stunden in und am Wasser.

Auch ohne strahlenden Sonnenschein nutzen einige das Bad im Silberweg. Foto: Andreas Ulmer/Eibner Pressefoto

Rechnet man die Waldheim-Kinder und das Betreuerteam an diesem Tag heraus, wäre das Schwimmbad ziemlich leer. Bis auf einige Schwimmer, die zwischen den roten Trennleinen hochkonzentriert ihre Bahnen ziehen im Schwimmerbecken, hat das Waldheim das Freibad ganz für sich.

Bademeister – zumindest für einen Tag

Die kleinen Wasserratten freut es. Der Spaß der einen, ist aber auch die Arbeit der anderen: Nils, 15 Jahre alt, übernimmt heute eine Schicht am Beckenrand. Er und sein ebenfalls mit gelber Warnweste gekleideter Schichtkollege Iven, 16 Jahre alt, sitzen auf den Steintreppen und beobachten mit Adleraugen, was die Kinder treiben. „Wir kennen uns hier aus, weil wir auch privat gerne hierherkommen“, sagt Max-Planck-Gymnasiast Nils.

Iven, Sarah und Nils (von links) müssen am Beckenrand alles im Blick behalten. Foto: Dudenhöffer

Um eine Horde Schulkinder in einem Schwimmbad beaufsichtigen zu können, trifft das Waldheim im Vorfeld Vorkehrungen, wie Sarah Reich erläutert: „Bevor die Kinder ins Wasser dürfen, überprüfen wir die Schwimmkenntnisse. Nur wer schwimmen kann, darf ins Becken. Wer nicht schwimmen kann, geht nur in Begleitung ins Wasser.“ An diesem Mittwoch zählt der Kreis der Nichtschwimmer drei. Einer von ihnen bekommt fürs Rutschen Betreuer Nils an die Seite gestellt.

Die Berichte in Medien und die politischen Debatten, Schwimmbäder seien immer häufiger zu Räumen unkontrollierter männlicher Aggressionen geworden, kennen die drei. Aus eigener Erfahrung können sie aber nur wenig von unschönen Erlebnissen berichten. „Das kann mal vorkommen. Wir haben aber nicht den Eindruck, dass Schwimmbäder viel unsicherer geworden sind“, sagt Nils. Auch Waldorfschulen-Elftklässler Iven würde nicht von einem flächendeckendem Problem sprechen: „Hier habe ich so etwas selten erlebt.“

Auch am Sprungturm hat sich eine Waldheim-Betreuerin positioniert. Foto: Andreas Ulmer/Eibner Pressefoto

Sowieso stehen die insgesamt 19 Waldheim-Betreuer vor einer ganz anderen Herausforderung. „Unsere wichtigste Aufgabe ist, sicherzustellen, dass kein Kind untergeht“, erklärt Sarah Reich, die als Sportstipendiatin mehrere Monate im Jahr in Virginia Beach in den USA lebt.

Schutz der Persönlichkeitsrechte steht ganz oben

Damit aber noch nicht der Verantwortung genug: In den vergangenen Jahren habe der Schutz der Kinder vor ungebetenen Fotos und Videos immer mehr an Bedeutung gewonnen. Weil die Sensibilität für die körperliche und sexuelle Selbstbestimmung mittlerweile hoch ist und längst auch für Kinder gilt und weil bereits einfache Fotos als Grenzüberschreitung in diesem Bereich wahrgenommen werden können, haben die Waldheim-Verantwortlichen den Betreuern eine Empfehlung ausgesprochen. „Wir kleben die Kameralinsen an unseren Smartphones ab – aus Selbstschutz“, sagt Reich. „Es könnte ja passieren, dass man aus Versehen auf die Kamera-App kommt und dann macht das Handy ein Foto eines halbnackten Kindes. Das auf dem Handy zu haben, kann ziemliche Probleme bringen“, betont die 20-jährige Böblingerin.

Von dichtem Gedränge und einer durch Hitze verstärkten aggressiven Grundstimmung, wie zuletzt aus Sindelfingen berichtet, ist an dem mäßig sommerlichen Tag keine Spur. In den vergangenen zwei Monaten haben die Stadtwerke als Betreiberin des Freibads auch insgesamt wenig negative Vorfälle registriert, wie sie auf Anfrage erklären: „Bisher war es eine normale Saison ohne besondere Vorkommnisse.“ Auch habe es in diesem Jahr bisher keine personellen Engpässe gegeben: „Wir sind gut mit Personal ausgestattet und haben zudem Unterstützung von der DLRG, der Deutschen Bäderhilfe und einem weiteren Dienstleister, der uns in Urlaubs- oder Krankheitszeiten aushilft“, schreibt die Pressestelle. Noch bis zum 14. September sind die Tore des Freibads für menschliche Besucher geöffnet. Am 20. September stehen die Becken dann wie jedes Jahr den Hunden zur freien Verfügung.

Sommer im Böblinger Freibad

Besucherzahlen
Seit der Öffnung des Freibads im Mai bis 22. August sind rund 85 000 Besucher registriert worden. „Durch die Kaltwetter-Phase im Juli fällt die Besucherzahl etwas geringer aus als in den Vorjahren“, so die Stadtwerke.