In den Labors in Böblingen arbeiten zurzeit Mitarbeiter aus 30 Nationen. Foto: factum/Bach

IBM hat seine Mitarbeiter über mögliche Umzugspläne für das Böblinger Forschungs- und Entwicklungszentrum informiert. Auf dem Campus der Deutschlandzentrale in Ehningen gebe es jedenfalls genügend Platz, meint der Schultes Claus Unger.

Böblingen - Für das IBM-Forschungslabor auf dem Schönaicher First in Böblingen gibt es Umzugspläne. Der Deutschlandchef des Computerkonzerns, Matthias Hartmann, informierte Anfang der Woche die Mitarbeiter darüber, dass es Überlegungen gebe, die größte deutsche Entwicklungszentrale nach Ehningen an den Hauptsitz der Firma zu verlegen. „Wir müssen über neue Optionen nachdenken“, erklärt Michael Kieß, der Pressesprecher des Forschungslabors. Einiges der im Jahr 1953 gegründeten Einrichtung sei überholt. Außerdem müsse in der IT-Branche ständig modernisiert werden, sagte Kieß weiter, ohne jedoch Konkretes preis zu geben. Das Unternehmen befinde sich aber erst im Anfangsstadium mit seinen Plänen, den Standort zu verlagern.

Gegenwärtig wird laut Kieß geprüft, ob in Ehningen ein Neubau in Frage kommt. „Nur wenn das Potenzial dort vorhanden ist, hätte dies einen Sinn“, sagt Kieß. Und dem ist offenbar so. Das jedenfalls lässt der Ehninger Bürgermeister Claus Unger verlauten. Es gebe noch sieben Hektar Brachfläche. Zudem stünden in den sternförmig angelegten Gebäudekomplexen auf dem rund 20 Hektar großen Gelände freie Kapazitäten zur Verfügung. Auch die Verkehrssituation lasse einen Umzug dorthin zu. Denn mit der vierspurigen Bühl-Allee wurde bei der Eröffnung der Deutschlandzentrale in Ehningen im Jahr 2009 eine großzügige Zufahrt geschaffen.

Rund 1700 Arbeitsplätze würde es in Ehningen zusätzlich geben

„Wir würden es begrüßen, wenn IBM diesen Schritt machen würde“, sagt Unger und kann seine Vorfreude darüber nicht verhehlen. Ganz neu sei die Information freilich nicht, dass sich die Firma IBM mit Umzugsplänen trage. „Der Buschfunk hat das schon vor Wochen getrommelt“, verrät der Schultes. Rund 1700 Arbeitsplätze würde es in Ehningen zusätzlich geben. Laut seinen Informationen sind in der Deutschlandzentrale mit dem angegliederten Rechenzentrum gegenwärtig rund 4000 Menschen beschäftigt. Unger hofft auf wieder steigende Gewerbesteuereinnahmen, die nach Umsatzverlusten des Computerriesen zuletzt stark rückläufig waren.

„So weit sind wir aber noch lange nicht“, betont der Pressesprecher Kieß, „vielleicht bleiben wir auch auf dem Schönaicher First.“ Das Gelände dort, auf dem mehrere Gebäude stehen, umfasst inklusive der Parkplätze schätzungsweise rund acht Hektar. Es gehört der Firma IBM. Eine mögliche Nachnutzung oder gar eine Veräußerung des Areals sei bisher noch überhaupt kein Thema, versichert Kieß. Es müssten erst noch „Eckdaten erhoben“ werden. Möglicherweise kommt auch noch ein anderer Standort als Ehningen in Frage.

„Wir sind ein transparentes Unternehmen“

Einen Zeithorizont, bis wann die Entscheidung fallen soll, nennt der Pressesprecher nicht. Nur so viel tut er kund: „Vielleicht wissen wir im Sommer mehr.“ Man habe die Mitarbeiter aber einweihen wollen. Diskussionen über den Standort hatte es offenbar immer wieder gegeben. „Wir sind ein transparentes Unternehmen und kommunizieren solche Dinge recht früh“, sagt Kieß.

In den Labors arbeiten zurzeit Mitarbeiter aus 30 Nationen. Die Informatiker, Elektroingenieure, Physiker und Designer widmen sich rund 80 Hardware- und Softwareprojekten. Kunden und Firmenpartner informieren sich in Workshops über Technologietrends und IBM-Produkte. Bei der Stadt Böblingen nimmt man die Abwanderungsgelüste mit Unbehagen auf: „Es wäre höchst bedauerlich, wenn die hoch qualifizierten Arbeitsplätze in Böblingen verloren gingen.“

Der weltweite Umsatz ist erstmals wieder gestiegen

Geschäftsfelder:
IBM wächst vor allem in den Geschäftsbereichen Cloud-Computing (Rechnerleistungen im Internet), Datenanalyse und Sicherheitsdienstleistungen. IBM richtet sich zudem auch auf dem Feld der künstlichen Intelligenz neu aus.

Geschäftsentwicklung:
Die Gewinne und Umsätze sind bis vor kurzem ständig gesunken. Der Konzernumbau trug aber Früchte. Erstmals seit fast sechs Jahren konnte IBM im letzten Quartal 2017 seinen weltweiten Umsatz wieder steigern. Er legte um 3,6 Prozent auf 22,54 Milliarden Dollar (18,4 Milliarden Euro) zu. Sonderbelastungen durch die US-Steuerreform führten jedoch zu einem Nettoverlust von 1,05 Milliarden Dollar (859 Millionen Euro). Für den deutschen Markt weist IBM keine Zahlen aus.

Mitarbeiter:
Auch die Zahl der Beschäftigten gibt der US-Konzern nicht öffentlich bekannt. Seit Jahren werden Stellen abgebaut – auch in Deutschland. Dienstleistungen werden ausgelagert. Nach Schätzungen der Gewerkschaft Verdi arbeiteten bis Ende des Jahres 2016 für IBM noch 15 000 Menschen in Deutschland (2009 waren es noch 21 000). Auch in der Deutschland-Zentrale in Ehningen sind laut Verdi Stellen abgebaut worden. Die Mitarbeiterzahl liegt aber offenbar immer noch bei rund 4000, von denen viele ihr Homeoffice nutzen.

Forschungslabor:
Eröffnet wurde die Denkfabrik 1953 mit acht Mitarbeitern. In Böblingen existierte nach dem Zweiten Weltkrieg ein IBM-Konstruktionsbetrieb für Lochkarten-Maschinen, der die Basis für die Gründung des Labors war. Ende 1960 zog die auf 100 Personen angewachsene Belegschaft in einen Neubau auf dem heutigen Gelände, wo ständig erweitert wurde. Zu den Erfolgen gehörte in den 1980er Jahren die Entwicklung neuartiger Chips. Später widmeten sich die Tüftler der Softwareentwicklung und Betriebssystemen.