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Ein 37-Jähriger ist zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt worden, weil er einen Mann gefoltert hat.

Böblingen - Der 37-jährige Rumäne, der sich vor zwei Wochen in einer Arrestzelle des Amtsgerichts selbst verletzt hat, ist am Donnerstag zu einer Haftstrafe von dreieinhalb Jahren verurteilt worden. Er hatte zusammen mit seiner Freundin einen Landsmann stundenlang misshandelt und lebensbedrohlich verletzt.

Dieser Fall ist schwer verdaulich. "Es sah aus wie auf dem Schlachtfeld", berichtet ein Polizist. Überall Blut in der Ein-Zimmer-Wohnung, die der Täter und seine 22-jährige Freundin in Böblingen gemietet hatten. Sie liegt nahe dem Bordell, in dem die Frau ihr Geld verdiente. Der dritte Bewohner ist der fünfjährige Sohn der Prostituierten. Er war dabei in der Nacht zum 12. Januar 2010, als das Apartment zur Folterkammer wurde. Der Bub wurde auch "instrumentalisiert", eine der Polizei aufgetischten Lügengeschichte zu bestätigen, empört sich Werner Kömpf, der Vorsitzende des Böblinger Schöffengerichts.

Opfer weigert sich auf  Diebestour zu gehen

Doch der Reihe nach: Über Weihnachten 2009 macht das rumänische Paar, das seit knapp einem Jahr in Deutschland lebte, Urlaub in der Heimat. Bei der Rückreise am 3.Januar traf es auf dem Busbahnhof in Bukarest das spätere Opfer. Es ist ein wohnsitzloser 20-Jähriger, der für ein paar Bani Reisenden beim Gepäckverstauen hilft. Er will nach Deutschland, hat aber nicht genügend Geld. Der 37-Jährige gab ihm die umgerechnet 50 Euro für die Busfahrt. Unklar ist, ob er schon damals oder erst später gesagt hat, was er als Gegenleistung erwartet.

Der 20-Jährige darf in Böblingen im Apartment wohnen. Doch er soll auch einen Teil der Miete bezahlen - durch Ladendiebstähle und Straßenraub. Dafür aber ist er ungeeignet. Er wird schnell in einem Geschäft ertappt und weigert sich, weiter auf Diebestour zu gehen. Das lässt ihm der kräftige 37-Jährige nicht durchgehen.

Der Experte errechnet den tödlichen Promillewert 9,2

In der Tatnacht prügelt er erst auf den jungen Mann ein: mit ungezählten Faustschlägen ins Gesicht, so die Staatsanwältin. Die Frau schlägt mit einer Bierflasche zu, auch eine Glasschale zerschellt am Kopf des 20-Jährigen. Der 37-Jährige droht dem Opfer, es "von unten bis oben aufzuschlitzen" - und sticht mit Messer und Schraubenzieher mehrfach zu. Ein Stich geht bis in den Lungenraum. Diese Verletzung war lebensbedrohlich, erklärt vor Gericht ein Arzt.

Nach neunstündiger Tortur schleppt sich der Schwerverletzte aus der Wohnung und macht sich bemerkbar. Als die Polizei eintrifft, sieht sie in ihm zunächst einen Täter. Die Prostituierte behauptet, der ihr unbekannte Mann habe sie vergewaltigen wollen. Sie habe in Notwehr gehandelt. Ihr Kind bestätigt es mit drastischen Worten. Die Ermittler decken das Lügenmärchen aber schnell auf, und die Frau beschuldigt ihren Freund als alleinigen Täter. Er sitzt seither in Untersuchungshaft.

Der Experte errechnet den tödlichen Promillewert 9,2

Das Opfer war elf Tage im Böblinger Krankenhaus und ist dann nach Rumänien zurückgekehrt. Die 22-Jährige ist vor zwei Wochen zu 15 Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt worden. Ihr Sohn, den sie gelegentlich mit ins Bordell nahm, lebt inzwischen bei einer Pflegefamilie.

Der 37-Jährige war vor zwei Wochen seinem Prozess entgangen. Er hatte sich in der Zelle des Gerichts mit der zugespitzten Innenseite eines aus der Justizvollzugsanstalt Stammheim mitgebrachten Einwegrasierers an Hals und Handgelenken verletzt. Jetzt, am Donnerstag, legte er über seinen Anwalt ein Geständnis ab, sagte selbst aber nur zu seinem Alkoholkonsum in der Tatnacht und den Stunden davor aus. Seine Verteidigungsstrategie: ein strafmildernder Vollrausch. Doch so viel Wein, Bier, Whisky und Cognac, wie er erzählte, kann der Rumäne nicht getrunken haben. "Dann wäre er heute nicht hier", erklärte ein Gutachter. Der Experte errechnete für den Beginn der Folterorgie den tödlichen Promillewert 9,2.